Während meiner Auszeit erscheinen hier einige Gastbeiträge von anderen Bloggern.
Heute schreibt Bloggerin Carmen Treulieb über das “Schwarzbuch Esoterik” von Ursula Caberta.
Meine Lieblingsvögel sind Eichelhäher. Ab und an sehe ich einen dieser Vögel fern seines eigentlichen Lebensraumes Wald in einem Stadtbaum sitzen. Dann denke ich:
Oh, heute ist ein besonderer Tag, heute bin ich beschützt!
Es zeichnet den Menschen aus, dass er allen möglichen Erscheinungen, Dingen
und Lebewesen Bedeutung zumessen kann. Kleine Kinder sind unbeirrbar in ihrem
Glauben an Feen, Wichtel und unsichtbare Freunde. Wer sich als Erwachsener die
Fähigkeit bewahrt hat, z.B. den Zauber eines einsamen Waldes zu empfinden, ist
beneidenswert.
Empfindsamkeit und Vernunft widersprechen sich nicht. Was aber einander
ausschließt, ist Esoterik und Vernunft.
Ursula Caberta, ehemalige Sektenbeauftragte von Hamburg, hat sich in
ihrem “Schwarzbuch Esoterik” mit den irrationalen Ideologien und den
Gemeinsamkeiten von Esoterik, Okkultismus, Sekten und christlichen
Fundamentalisten auseinandergesetzt. Eine Gefahr der weiteren Ausbreitung der
übersinnlichen Ideologien liege in der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung
politischen Irrationalismus, so Caberta.
Ich merke immer wieder, dass viele Leute gar nicht wissen, dass sie sich in
esoterischen Zirkeln bewegen. Wenn Frauen sich etwas Gutes tun wollen, fängt
das häufig mit dem Yoga-Kurs an, führt über die verschiedenen sogenannten
Alternativmedizinen – deren Wirkungsweisen allesamt nicht nachvollziehbar
sind, sondern geglaubt werden müssen – wie Akupunktur, Cranio-Sacral-
Therapie, Homöopathie, Bachblütentherapie etc. und endet u.U. in den esoterischen
Gedankengebäuden mit Engelsglaube, Channeling und Reinkarnationstherapie.
Die Begriffe Naturmedizin, sanfte, ganzheitliche oder alternative Medizin werden
inzwischen kaum mehr hinterfragt, die Krankenkasse zahlt vieles und in der Apotheke
liegen homöopathische Zuckerkügelchen im Regal. Der Kampfbegriff Schulmedizin
wertet das ärztliche Können ab und Ärzte reagieren darauf, indem sie ihrerseits
Geschäfte mit dem Übersinnlichen machen. Die Patienten wollen keine Medikamente?
Wie wäre es mit der Eigenurintherapie, da bekommt der Patient sein eigenes
körperliches Abfallprodukt gespritzt oder als Getränk gereicht – das bietet auch mein
Arzt ohne schlechtes Gewissen an.
Dass die esoterische Medizin heute so viele Gläubige hat, liegt zweifellos an der
Waldorf-Bewegung. Deren Begründer Rudolf Steiner, auch “der größte Esoteriker
des 20. Jahrhunderts” genannt, hielt nicht viel davon, Kinder zu kritischen Menschen
zu erziehen: “Es könne einem Menschen nichts Schlimmeres zugefügt werden,
als wenn man ihn zu früh an das Denken heranführe” und “Erziehung hat sich als
Inkarnationshilfe auszuwirken”. (zitiert aus Ursula Caberta: Schwarzbuch Esoterik)
Die Esoterik-Szene, die viele noch mit Flower-Power und 70-Jahre-Flair assozieren,
ist längst von rechten Organisationen wie der Germanischen Neuen Medizin (GNM)
unterwandert. So wie Scientology mit “Drogentherapien” und der Verbreitung der
Broschüren “Sag nein zu Drogen” versucht, eine bestimmte Klientel zu erreichen,
versucht die GNM mit Impf-Kritik neue Anhänger zu rekrutieren. Europaweit bekannt
wurden GNM und ihr Begründer Ryke Geerd Hamer 1995 durch den Fall der damals
sechsjährigen Krebspatientin Olivia Pilhar, deren Eltern eine lebensrettende
Behandlung des Mädchens getreu den Regeln der GNM ablehnten.
Das Kind überlebte, weil den Eltern das Sorgerecht entzogen wurde und so eine Operation mit
anschließender Chemotherapie durchgeführt werden konnte. Mehrere Erwachsene
sind gestorben, weil sie den abstrusen Heilsversprechen von Hamer geglaubt haben,
die unter medizinischer Behandlung überlebt hätten.
“Hamer vermischt seine wunderlichen medizinischen Ansichten mit antisemitischen
Verschwörungstheorien. Dies hat zur Folge, dass sich nicht nur hoffnungslos Erkrankte
von dieser ‘Lehre’ angezogen fühlen, sondern zusätzlich Sympathisanten rechter
Theorien im Umfeld der GNM zu finden sind.” (Caberta zitiert aus Alma Fathi: “Die
ideologischen Hintergründe der Germanischen Neuen Medizin”)
Es ist dringend erforderlich, dass die Menschen, die sich gegenüber der
wissenschaftlichen Medizin und der Pharmaindustrie ihre Kritikfähigkeit bewahrt
haben, nicht weiter die Augen vor der Gefährlichkeit der esoterischen (sogenannten
sanften, ganzheitlichen, alternativen) Medizin schließen.
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