Zur Zeit wird viel über Meinungsfreiheit diskutiert. Darüber, ob sie bedingungslos durchgesetzt werden muss oder ob es Grenzen gibt, wo Zensur in Ordnung ist. Ob Meinungsfreiheit auch dann noch tolerierbar ist, wenn sie die Gefühle der Menschen verletzt; vor allem die religiösen Gefühle der Menschen. Ob Meinungsfreiheit auch für offensichtliche Provokation gelten muss. Das Thema ist wichtig. In der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 steht nicht umsonst: “„La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l’homme”. Die Rede- und Meinungsfreiheit ist eines der “kostbarsten Rechte der Menschen” und wir sollten uns alle darüber Gedanken machen. Ich, der ich meinen Lebensunterhalt unter anderem damit verdiene, meine Meinung zu allen möglichen Dingen zu veröffentlichen, mache das jedenfalls. Und mit Religion, dem Islam oder irgendwelchen grottenschlechten Internetvideos hat das alles eigentlich wenig zu tun…
Es ist eigentlich logisch, dass die freie Meinungsäußerung nicht völlig ohne Grenzen sein kann; zumindest dann nicht, wenn eine Gesellschaft halbwegs konfliktfrei zusammenleben will. Wenn ich jetzt hier behaupten würde, mein Nachbar wäre kriminell und würde in seiner Wohnung Drogen verkaufen, dann ist das zwar meine “Meinung” die ich äußern kann. Gleichzeitig ist es aber auch Verleumdung und damit strafbar. Wenn ich einen Pornofilm produzieren würde, dann bin frei, ihn überall zu verkaufen und vorzuführen – aber halt nicht unbedingt in der ersten Klasse der Grundschule, denn damit würde ich gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen. Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung – aber es gibt auch noch jede Menge andere Recht, die die Grenzen der freien Rede definieren.
Was hat das nun alles mit der aktuellen Situation zu tun? Mit dem Film “Innocence of Muslims und den gewaltätigen Protesten beleidigter Moslems überall auf der Welt? Darf man einen Film veröffentlichen, wenn dadurch die religiösen Gefühle anderer Menschen gestört werden? Eine gute Frage. Darf ich öffentlich sagen, dass ich den Islam doof finde? Darf ich sagen, dass ich den Islam hasse? Ist das erlaubt, obwohl ich weiß, dass solche Äußerungen sehr viele Menschen aufregen würden? Und bevor sich jetzt Menschen tatsächlich aufregen (nur zur Info: Ich “hasse” den Islam nicht, das war nur ein Beispiel. Ich hasse gar keine Religionen. Ich finde sie aber doof), betrachten wir die Sache zuerst lieber anhand eines weniger emotionalen Themas als der Religion: Fußball!
Darf ich öffentlich sagen, dass ich den FC Bayern München doof finde? Klar, da werden mir die meisten zustimmen: Kein Problem. Die Bayern-Fans werden es zwar ihrerseits doof finden, wenn ich den FC Bayern doof finde. Aber dass Fußballfans ihre eigene Mannschaft toll und alle anderen nicht so toll finden, hat nicht wirklich etwas mit Meinungsfreiheit zu tun. Ein FC-Bayern-Fan, der einen Dortmund-Fan wegen “Verletzung seiner sportlichen Gefühle” verklagt, wäre zu Recht absurd. Es ist sogar problemlos möglich ein “FC Bayern-Hassbuch zu veröffentlichen. Eine kleine Recherche liefert jede Menge “Hassbücher”. Man hasst hier öffentlich Nordic Walker, Ärzte, Lehrer, ganz oft Berlin und sogar Babys. Jede Menge Sachen werden öffentlich gehasst und anscheinend ist das kein Problem.
“Ja, aber da gehts ja nur um unwichtige Sachen”, mag man einwenden. “Da geht es nicht um Religion! Den FC Bayern darf man hassen, die Religion aber nicht!”. Warum eigentlich? Sind religiöse Gefühle irgendwie “besser” oder “hochwertiger” als andere Gefühle? Müssen religiöse Gefühle speziell geschützt werden? Gut, wenn jemand wirklich religiös ist und nicht nur zweimal im Jahr zu Hochzeiten und zu Weihnachten in die Kirche geht; wenn jemand sein Leben nach der Religion richtet, dann trifft eine Kritik der Religion natürlich schwerer als die Kritik eines “Hobbys”. Aber das trifft nicht nur auf Religion zu. Wie ist es zum Beispiel mit der Politik? Auch da gibt es Menschen, die sich vielleicht nur alle zwei Jahre damit beschäftigen, wenn wieder mal ein Kreuz am Wahlzettel gemacht werden darf. Aber es gibt auch Menschen, die ihr ganzes Leben nach ihrer politischen Überzeugung ausrichten. Trotzdem wäre es absurd, wenn nun zum Beispiel die CDU mit dem Hinweis auf verletzte “politische Gefühle” die Kritik an ihrer Partei verbieten wollte. Man kann kritische Bücher über die Parteien veröffentlichen, man kann sie öffentlich kritisieren und das Fernsehen überträgt die öffentliche Kritik sogar live. Man darf Witze über die Parteien machen und ein Verbot von politischen Witzen wird zu Recht nur in satirischen Zeitungen gefordert. Karikaturen dagegen werden von echten Zeitungen veröffentlicht, aber auch sonst überall und die Politiker kommen dabei nicht immer gut weg. In Ludwigshafen kann man zum Beispiel das Kunstwerk “Ludwigs Erbe” betrachten, dass unter anderem Hans Eichel, Gerhard Schröder, Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle zeigt:
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