DAS ist es, worum es geht. Die Reaktion der Verspotteten. Die Gewalt. Nicht die “religiösen Gefühle”. Meinungsfreiheit kann die Gefühle anderer Menschen verletzen. Ob das nun der beleidigte FC-Bayern-Fan ist, der beleidigte CDU-Anhänger, der beleidigte Neuheide oder der beleidigte Katholik: es ist nicht nett, die Gefühle anderer Menschen zu verletzen, aber es lässt sich nicht vermeiden. Die Menschen haben verschiedene Ansichten über die Welt und wenn man ihnen nicht radikal den Mund verbieten möchte, dann muss man damit leben, dass die eigenen Gefühle ab und zu durch die Meinung anderer verletzt werden. Es wäre zwar schön, wenn wir alle einer Meinung wären und universelle Harmonie herrschen würde. Aber so ist die Welt halt nun mal leider nicht. Wir müssen die Gefühle anderer Menschen ab und zu verletzen. Das ist normal und geschieht meistens nicht mal absichtlich. Aber selbst wenn es absichtlich geschieht, wie zum Beispiel beim FC-Bayern-Hassbuch, bei den Merkel-Karikaturen oder bei den Witzen über die Zeugen Jehovas, dann akzeptieren wir das. Denn die Betroffenen mögen das zwar nicht so toll finden, regen sich aber auch nicht allzu sehr auf.
Wenn sich dann aber die Betroffenen plötzlich doch sehr aufregen, dann heißt es auf einmal, die Meinungsfreiheit müsse auch Grenzen haben. DAS ist das Problem. Es geht bei der aktuellen Diskussion um das Mohammed-Video oder die Mohammed-Karikaturen nicht um die Frage, ob man im Rahmen der Meinungsfreiheit die religiösen Gefühle anderer Menschen verletzen kann. Die Frage ist schon längst beantwortet: Ja, man darf das. Es geht um die Frage, ob man im Rahmen der Meinungsfreiheit Dinge sagen darf, die Menschen so sehr aufregen, dass sie gewalttätig werden. Im Interview mit Cicero hat der Autor Michael Schmidt-Salomon das Problem gut zusammengefasst:
” Wären die Demokraten früherer Zeiten angesichts der massiven religiösen Proteste, mit denen sie zu kämpfen hatten, so schnell eingebrochen wie er, würden in Europa womöglich noch heute die Scheiterhaufen brennen. (…) Würden wir die Kunst- und Meinungsfreiheit aus Rücksicht auf religiöse Fanatiker einschränken, käme dies einer Belohnung gleich. Wir würden sie dazu ermutigen, künftig jede kritische Auseinandersetzungen mit dem Islam durch gewaltsame Proteste zu unterbinden.”
Es ist natürlich klar, dass die Macher des Mohammed-Films keine “künstlerisches” Statement abgeben wollten. Die christlichen Fundamentalisten die hinter dem Film stecken, wollten gezielt den Hass auf den Islam schüren. Genauso wie die rechtsextreme Partei “Pro Deutschland”, die den Film in Deutschland zeigen wollte, nicht sonderlich an Meinungsfreiheit interessiert sein dürfte, sondern viel mehr daran, ihre Xenophobie zu zelebrieren. Und es ist durchaus legitim, wenn man sich angesichts dieser Hintergründe Gedanken macht, ob es im Rahmen des bestehende Rechts und der vorhandenen Verwaltungsvorschriften möglich ist, die Aufführung so eines bescheuerten Films zu verhindern. Aber das hat nichts mit den “Grenzen der Meinungsfreiheit” zu tun! Schmidt-Salomon sagt in seinem Interview:
“Wo kämen wir denn hin, wenn wir es von ästhetischen Kriterien oder gar vom Einverständnis religiöser Fanatiker abhängig machen würden, ob ein Film in Deutschland gezeigt werden darf oder nicht?”
Und damit hat er völlig recht. Wenn man vor der Äußerung einer Meinung jedes mal erst bei den Betroffenen nachfragen muss, ob sie mit der Äußerung einverstanden sind, dann führt das die komplette Freiheit der Rede ad absurdum! Meinungsfreiheit bedeutet ja gerade, dass ich Dinge sagen kann, ohne erst um Erlaubnis zu fragen. Auch und vor allem Dinge, die andere stören könnten. Wenn man nur laut genug protestieren muss, um die Meinungsfreiheit einzuschränken, dann stimmt irgendwas nicht! Meinungsfreiheit heißt nicht, dass man alles tun und sagen darf. Natürlich gibt es Grenzen. Aber die Meinungsfreiheit sollte zumindest in sich konsistent und nicht völlig wahllos sein. Meinungsfreiheit darf nicht davon abhängen, ob sich eine bestimmte Gruppe von einer Meinung gerade genervt fühlt oder nicht. Und Meinungsfreiheit darf vor allem nicht davon abhängen, ob eine bestimmte Gruppe gewalttätiger auf eine Meinung reagiert als andere. Meinungsfreiheit heißt nicht: “Wir machen jetzt alle nur noch Witze über den Dalai Lama, weil der sich nicht beschwert, aber über den Islam sagen wir nix, sonst gibt es wieder Proteste”.
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