Bei wissenschaftlichen Artikel geht es normalerweise nicht darum, möglichst spannend und packend zu schreiben. Es geht darum, wissenschaftliche Resultate so objektiv wie möglich zu vermitteln. Der Stil spielt da eine geringer Rolle und deswegen verbergen sich hinter eher trockenen Titeln oft spannende Geschichten. Manchmal aber haben auch die Wissenschaftler keine Lust mehr auf knallharte Seriösität und nehmen sich ein paar Freiheiten, was die Auswahl des Titels ihrer Arbeit angeht. Alexander James Mustill und Eva Villaver von der Uni Madrid haben kürzlich ein paar Forschungsergebnisse unter dem Titel “Foretellings of Ragnarök: World-engulfing Asymptotic Giants and the Inheritance of White Dwarfs” veröffentlicht. Das muss man dann natürlich lesen…
Ragnarök, die “Götterdämmerung” der germanischen Mythologie. Und auch noch “weltverschlingende Riesen”! Ganz so dramatisch ist die eigentliche Arbeit dann doch nicht. Es geht “nur” um Sterne. Die Anspielung auf die germanische Mythologie ist aber trotzdem nicht ganz unpassend.
(Kurzer Einschub: Warum denkt sich nie einer eine Weltuntergangsverschwörung auf Basis der germanischen Mythologie aus? Die wäre viel cooler als dieser ganze Maya-Kram. Bei den Germanen gibt es Wölfe, die die Sonne fressen; es gibt Feuer- und Eisriesen; es gibt Schiffe aus den Fingernägeln der Toten; Götter die gegen Riesenschlangen kämpfen und am Ende sind alle tot!)
Ein Stern verändet sich im Laufe seines Lebens. Besonders wenn es zu Ende geht. Dann kommt die Kernfusion im Inneren zum Erliegen, es drückt keine Strahlung mehr nach außen und der Stern fällt unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Dadurch wird sein Inneres aber wieder heißer, es können neue, andere Kernfusionsprozesse einsetzen und neue, stärkere Strahlung entsteht. Der Stern bläht sich jetzt also auf und kann enorm groß werden. Man so etwas einen “roten Riesen” und auch unserer Sonne steht so ein Schicksal bevor. Ein roter Riese bläht sich aber nicht nur auf, er stößt im Laufe der Zeit seine äußeren Atmosphärenshichten auch ab, solange, bis nur noch ein kleiner Kern aus verdichtetem Material übrig bleibt. Dieser letzte Überrest des Sterns ist in etwa so groß wie die Erde und in seinem Inneren findet keine Kernfusion mehr statt. Dieses Objekt – ein “weißer Zwerg” – kühlt nur noch langsam aus. Das Universum ist voll mit roten Riesen und weißen Zwergen; wir haben schon jede Menge davon beobachtet. Was man noch nicht beobachtet hat, sind weiße Zwerge, die von Planeten umkreist werden.
Denn wenn auch unsere Sonne einmal zum roten Riesen und dann zum weißen Zwerg wird, stellt sich sofort die Frage: Was passiert dann mit den Planeten? Denn die Sonne wird so groß werden, dass sie dabei Merkur, Venus und wahrscheinlich auch die Erde verschlingt (obwohl noch nicht ganz klar ist, ob das wirklich geschehen wird). Außerdem ändert sich durch die Abstoßung der Atmosphäre ihre Masse und das hat Einfluß auf die Bewegung der Planeten. Und wenn die Sonne größer wird und sich die Planetenbahnen näher an ihr dran befinden, ändert sich auf die Gezeitenkraft, die sie ausübt. Auch das beeinflusst die Bahn.
Alexander James Mustill und Eva Villaver haben sich nun überlegt, unter welchen Voraussetzungen Planeten die Rote-Riesen-Phase ihres Stern überleben können. Das ist nicht nur an sich interessant, das ist auch wichtig, wenn man solche Planeten finden will. Denn weiße Zwerge leuchten nicht mehr sehr hell. Es besteht die Chance, dass Planeten die sie umkreisen, nicht überstrahlt werden sondern direkt gesehen werden können. Zumindest wenn man weiß, wo man suchen soll…
Darum haben Mustill und Villaver ausführliche Computersimulationen angestellt. Sie haben dabei Sterne unterschiedlicher Masse berücksichtigt und Planeten die der Erde, dem Jupiter oder dem Neptun ähnlich und dem Stern unterschiedlich nahe sind. Sie haben in den Simulationen den Masseverlust des Sterns und seine Gezeitenkraft berücksichtigt. So sieht ein typisches Ergebnis aus:
Die horizontale Achse zeigt die Zeit, die vertikale Achse den Abstand vom Zentrum des Sterns. Die unterste Kurve zeigt an, wie der Stern im Laufe der Zeit wächst, ein Stück seiner Atmosphäre wegschleudert, dann wieder wächst, und so weiter. Die roten und schwarzen Linien zeigen, wie sich der Abstand eines Planeten im Laufe der Zeit entwickelt. Die roten Linien entsprechen Planeten, die nicht überlebeb, die schwarzen Linien zeigen Planeten, die auch noch da sind, wenn der Stern die Phase als roter Riese hinter sich hat. In diesem Bild sind die Planeten alle so schwer die Erde und der Stern so groß wie die Sonne.
Insgesamt zeigt sich, dass die Gezeitenkräfte des Sterns auf Planeten der Größe Jupiters besonders stark wirken. Sie verkleinern ihre Bahnen und die Planeten können in den roten Riesen fallen. Je nach Masse des Sterns muss ein jupiterähnlicher Planet mindestens zwischen 2.6 und 5 astronomischen Einheiten entfernt sein, um zu überleben (eine astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne). Erdähnliche Planeten sind leichter und können den sich aufblähenden Sternen auch leichter entkommen. Je nach Masse des Sterns beträgt der Sicherheitsabstand hier zwischen 1.5 und 2.8 astronomische Einheiten.
Für die Erde sieht es aber zumindest in dieser Simulation eher schlecht aus. Sie wird wohl das Schicksal erleiden, dass die germanische Mythologie für sie vorgesehen hat:
“Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer,
Vom Himmel schwinden die heitern Sterne.
Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum,
Die heiße Lohe beleckt den Himmel.”
Aber andere Planeten könnten “unbeleckt von der heißen Lohe” bleiben. Es wäre also durchaus möglich, dass Planeten den Tod ihres Sterns überleben. Man hat auch schon einige vielversprechende Beobachtungen bei weißen Zwergen gemacht, die nahelegen, dass es solche Planeten gibt. Jetzt müssen wir nur noch abwarten, bis sie entdeckt werden.
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