Als Felix Baumgartner vor 14 Tagen aus 39 Kilometer Höhe mit einem Fallschirm aus einem Ballon sprang, war die Welt begeistert. Selbst wenn es kein “Sprung aus dem All” war, wie oft zu lesen war, war es doch eine imposante Leistung und vor allem ein höchst spannendes Fernsehevent. Mit Wissenschaft hatte das zwar alles nicht viel zu tun (wie ich schon damals kurz angemerkt hatte), aber die Aktion wurde ja auch nicht von einer Forschungseinrichtung durchgeführt, sondern von einem Getränkehersteller. Baumgartner wurde durch seinen Sprung weltberühmt und die Medien sind jetzt daran interessiert, was er zu sagen hat. Leider ist das, was er nun sagt, nicht sonderlich klug…
Das fing mit einer gestern veröffentlichten Aussage an, in der Baumgartner die Marsforschung der NASA kritisierte. Man könnte ja eigentlich denken, dass Baumgartner ein Verfechter der Weltraumforschung wäre. Immerhin war er ja selbst “am Rande des Alls” (obwohl man auch über diese Formulierung streiten könnte; der Weltraum beginnt offiziell erst in 100 km Höhe). Und der angebliche wissenschaftliche Wert der Mission soll ja unter anderem im Erproben von Notfallszenarien für bemannte Raummissionen gelegen haben. So wie Baumgartner aus seinem Ballon gesprungen ist, sollen Astronauten auch aus einem Shuttle springen können, das bei Start oder Landung Probleme hat. Aber Baumgartner hält offensichtlich nicht viel von Forschung im Weltraum.
Seine Argumente sind nicht neu. Die Erforschung anderer Planeten sei nicht zielführend, weil “es noch so viel gibt, das wir über unsere Erde nicht wissen und wir unseren zerbrechlichen Planeten immer noch sehr schlecht behandeln.” Das Geld für die Erforschung des Mars hält er für verschwendet: “Das bisschen Wissen das wir vom Mars bekommen halte ich für nutzlos”. Baumgartner will mit dem Geld lieber die Erde erforschen. Außerdem seien es ja Steuergelder. Man solle die Leute befragen, ob sie das ganze Geld wirklich für die Erforschung des Mars ausgeben wollen. “Ich glaube, der durchschnittliche Mensch würde diese Menge an Geld niemals [dafür] ausgeben wollen – sie sollen es lieber für etwas sinnvolles ausgeben und etwas, das unseren Planeten rettet”
Diese Argumente sind alt. Aussagen der Form “Dieses wissenschaftliche Projekt kostet so viel Geld. Es wäre sinnvoller, das Geld für hungernde Kinder/Umweltschutz/Obdachlose/arme Tiere/etc einzusetzen” findet man überall, wo über neue, große wissenschaftliche Projekte diskutiert wird. Zum Beispiel erst vor wenigen Monaten, als die Raumsonde Curiosity zum Mars flog – also genau ein Projekt der Art, das Baumgartner für sinnlos und Verschwendung hält. Klar, es war nicht billig. Die Mission kostete immerhin 2 Milliarden Euro! Das ist viel Geld. Aber – und ich hab das damals vorgerechnet – das ist nichts im Vergleich zu anderen Kosten über die sich niemand aufregt. Die Olympischen Spiele 2012 in London haben sechsmal so viel gekostet wie die Mission zum Mars (ebenfalls alles öffentliche Gelder). Würde der Sportler Felix Baumgartner auch dafür plädieren, die olympischen Spiele abzuschaffen und das Geld lieber für die Rettung der Erde einzusetzen? Und wenn man sich ansieht, was die diversen Länder für Militär und Kriege ausgeben, dann fallen Ausgaben von 2 Milliarden für Wissenschaft nicht ins Gewicht.
Abgesehen davon geht es bei der Forschung nicht um Geld. Was am Mars passiert ist Grundlagenforschung. Die macht man nicht, um Geld zu verdienen. Die macht man, weil wir sie machen müssen. Ohne Grundlagenforschung gäbe es nichts, keine Anwendungen, keine Technik. Zum Beispiel keine Raumanzüge und keine großen Luftballone, aus denen man mit einem Fallschirm springen kann. Wenn wir die Probleme der Erde lösen wollen, dann müssen wir Grundlagenforschung machen. Dazu gehört auch die Forschung im Weltraum. Wenn wir den Klimawandel verstehen wollen, dann ist es zum Beispiel absolut sinnvoll, die Venus zu erforschen, denn dort können wir live zusehen, wie ein außer Kontrolle geratener Treibhauseffekt aussieht. Wenn wir in den Weltraum schauen, dann lernen wir immer auch etwas über die Welt, auf der wir leben. Denn auch die Erde ist ein Planet und befindet sich im gleichen Universum wie der Rest der Himmelskörper die wir im All sehen können. Als Wissenschaftler vor Jahrzehnten entdeckten, dass es auf dem Mars immer wieder globale Staubstürme gibt, überlegten sie, was das für Auswirkungen auf das Klima haben könnte. Und stießen so ganz nebenbei auf die Tatsache, dass so etwas auch auf der Erde auftreten könnte. Zum Beispiel, wenn eine Nation eine andere mit Atombomben bewirft und die Nuklearexplosionen Staub hoch in die Atmosphäre wirbeln. Der verteilt sich dann um die ganze Erde, genau wie bei den globalen Stürmen auf dem Mars, das Sonnenlicht kommt nicht mehr durch und es wird kalt (“nuklearer Winter”). So merkte man, dass ein Atomkrieg immer globale Folgen, egal wer die Bombe wirft.
Kommentare (179)