Wenn es um Asteroiden geht, dann denken die meisten gleich an schlimme Kollisionen (ich verweise dazu nochmal auf meine Serie über Asteroidenabwehr: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5). Aber Asteroiden machen mehr, als nur mit der Erde zusammen zu stoßen. Das machen sie sogar recht selten, denn es gibt Asteroiden überall im Sonnensystem und nur eine kleine Gruppe davon kann der Erde gefährlich werden. Aber – und wer mein Buch “Krawumm” gelesen hat der weiß das schon – Kollisionen sind nicht immer unbedingt schlimm. Sie können auch nützlich sein und das gilt auch für Asteroiden. Die Astronomen Rebecca Martin und Mario Livio haben einen Artikel veröffentlicht (pdf), der nahelegt, dass ein Sonnensystem sogar einen Asteroidengürtel braucht, damit sich auf Planeten wie der Erde Leben entwickeln kann.
Ja, Asteroiden kollidieren mit der Erde. Aber hätten sie das in der Vergangenheit nicht sehr oft getan, dann gäbe es uns heute vermutlich nicht. Denn ein Großteil des Wassers auf unserem Planeten stammt von Asteroiden und Kometen. Planeten entstehen ja aus einer großen Scheibe aus Gas und Staub. Die inneren Bereiche dieser Scheibe sind näher am Stern und dort ist es meistens zu heiß; Wasser und andere leicht flüchtige Stoffe verdampfen. Innen ist die Scheibe also “trocken” und es sind genau diese inneren Bereiche, in denen auch die erdähnlichen Planeten entstehen. Die haben also von Haus aus relativ wenig Wasser. Bei der Erde war es auch so. Das Wasser – bzw. Wasserdampf -, das bei der Entstehung dabei war, gelangte im Laufe der Zeit durch Vulkanismus langsam an die Oberfläche. Es war aber bei weitem nicht genug. Die Mehrheit des Wassers kam erst nachträglich aus dem All zu uns.
Denn die meisten Asteroiden entstanden hinter der sogenannten “Snow Line”. Die Schnee-Linie ist die Grenze, hinter der es kühl genug ist, dass Wasser in Form von Eis Teil der sich aus der Scheibe bildenden Himmelskörper werden kann. Sie verläuft bei uns durch den Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter und deswegen enthalten die meisten Asteroiden jede Menge gefrorenes Wasser. Wenn sie dann mit der Erde kollidieren, dann landet dieses Wasser auf unserem Planeten. Stück für Stück wurde es so in der Frühzeit der Erde angeliefert.
Die Asteroiden brachten aber vielleicht noch mehr. Manche Wissenschaftler vermuten, dass vielleicht sogar die ersten komplexen Moleküle, die ersten Bausteine des Lebens durch Asteroiden auf die Erde gelangt sind (diese Hypothese nennt man Panspermie). Und man kann sogar argumentieren, dass Asteroideneinschläge wie zum Beispiel der vor 65 Millionen Jahren, als unter anderem die Dinos ausstarben, der Evolution jedesmal einen Schubs versetzen und alles nochmal durchmischten. Ohne die Kollision vor 65 Millionen Jahren wären die Säugetiere – und damit der Mensch – sicher nicht so dominant geworden wie sie es heute sind.
Man kann also mit einigem Recht behaupten, dass Asteroiden ein wichtiger Aspekt sind, wenn man sich über extraterrestrisches Leben Gedanken macht. Asteroiden bekommt man aber nicht einfach so. Eigentlich sind sie nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Planeten. Aus dem Gas und Staub der ursprünglichen Scheibe entstehen zuerst Asteroiden und aus ihnen dann die Planeten. Dass bei uns ein Asteroidengürtel im inneren Sonnensystem existiert, liegt an Jupiter. Jupiter ist von allen Planeten bei der Entstehung am schnellsten gewachsen und so zum größten Planeten im Sonnensystem geworden. Da er schon früh sehr groß war, konnten seine gravitativen Störungen die Bildung eines Planeten in seiner Nachbarschaft verhindern und deswegen findet man zwischen Mars und Jupiter keinen weiteren großen Himmelskörper sondern eben nur einen Haufen Asteroiden. Manchmal wird der eine oder andere davon zu einem erdnahen Asteroid und kann mit der Erde zusammenstoßen. Das klappt aber nur, weil Jupiter gerade knapp außerhalb der Schnee-Linie entstand. Wäre er weiter entfernt von der Sonne entstanden, dann wäre der Asteroidengürtel ebenfalls weit weg (wie z.B. der Kuipergürtel) und die Asteroiden hätten kaum eine Chance, mit der Erde zu kollidieren. Wäre er näher an der Sonne, dann wäre es zu warm und die Asteroiden würden kein Eis enthalten.
Außerdem kommt es darauf, wie sich Jupiter bewegt hat. Ok, er bewegt sich zwar dauernd um die Sonne herum. Aber früher hat sich auch seine Bahn ein wenig verändert. Diese Phase im Sonnensystem nannte man Migration und als Jupiter wanderte, streifte er dabei auch ein wenig den Asteroidengürtel. Dabei wurden die Felsbrocken ausgedünnt; viele wurden aus dem System geworfen oder zerstört. Das war gut, denn wenn der Gürtel weiterhin so viele Asteroiden enthalten hätte wie zu Anfang, dann wären Zusammenstöße mit der Erde wesentlich häufiger gewesen und das wäre auch nicht unbedingt gut für die Entwicklung des Lebens gewesen. Wäre Jupiter dagegen mitten durch den Gürtel migriert, dann wäre alle Asteroiden zerstreut worden. Ein Sonnensystem braucht also nicht nur einen großen Planeten der am richtigen Ort – hinter der Schneelinie – entsteht, sondern er muss dann auch noch auf die richtige Art und Weise migrieren.
Wir kennen noch nicht genug Details über andere Planetensysteme, um zu wissen, ob die Situation dort der unsrigen ähnelt. Aber die aktuellen Daten sind nicht sehr vielversprechend. Martin und Livio haben sich angesehen, wie viele große Planeten bisher gefunden wurden und ob sie sich vor oder hinter ihrer jeweiligen Schnee-Linien befinden:
Die x-Achse zeigt die Masse des Planeten (in Einheiten der Jupitermasse, auch wenn die Beschriftung etwas anderes sagt) und die y-Achse den kleinsten Abstand zur Sonne, den die Planeten erreichen können. Eingezeichnet sind die bekannten großen Exoplaneten (und Jupiter selbst, durch ein Dreieck markiert). Der graue Bereich zeigt die Region außerhalb der Schnee-Linie an. Die meisten Exoplaneten sind also nicht in der richtigen Position um einen vernünftigen Asteroidengürtel zu schaffen.
Aber man darf diese Daten auch nicht überinterpretieren. Wir kennen vermutlich auch deswegen so viele Planeten, die ihrem Stern so nahe sind, weil diese Planeten leichter zu entdecken sind. Erst wenn wir deutlich mehr extrasolare Planeten entdeckt haben, lässt sich eine vernünftige Aussage machen. Und dann ist da noch die Sache mit der Migration. Es war schon knifflig genug, die genaue Art der Migration im Sonnensystem herauszufinden. Bei extrasolaren Planetensystemen ist das noch viel schwerer, weil wir hier meistens kein komplettes Bild des Systems haben und nicht alle Komponenten kennen – was aber nötig ist, wenn man die Dynamik genau genug untersuchen möchte um Aussagen über die Migration machen zu können.
Aber auch wenn es noch ein wenig dauern wird, bis wir ein zweites Sonnensystem finden: Es ist faszinierend zu sehen, wie komplex das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten eines Planetensystems ist. Das sind nicht einfach nur ein paar große Kugeln, die um die Sonne sausen. Da spielen auch die kleinen Felsbrocken, die interplanetaren Staubteilchen, die Kometen und der ganze Rest eine wichtige Rolle. Alles beeinflusst sich gegenseitig und am Ende entsteht dann vielleicht ein Planeten, auf dem Leben existieren kann. Faszinierend…
P.S. Ich hab ja mal vor Jahren genau so ein Forschungsprojekt durchführen wollen, in dem der Einfluss der Exoplaneten auf die Asteroidengürtel und der Einfluss der Asteroidengürtel auf etwaige habitable Planeten untersucht wird. Fand damals aber leider niemand interessant genug, um es zu finanzieren. Pfff…
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