Wie ein Stern erscheint, hängt von dem ab, was in seinem Kern passiert. Dort passiert die Kernfusion, dort wird die Energie erzeugt, die langsam nach draußen entweicht. Und dort setzt auch die Veränderung durch die dunkle Materie ein. Wenn ein Stern dunkle Materie einfängt, verliert er ein bisschen Energie und wie viel das genau ist, hängt davon ab, wie gerne die dunkle Materie mit normaler Materie kollidiert (dem Wirkungsquerschnitt) und der Masse, die ein WIMP hat. Da sind viele verschiedene Kombinationen möglich; zumindest theoretisch. In der Praxis kann die Astronomie helfen, die Möglichkeiten einzuschränken. Um das zu demonstrieren haben Casanellas und Lopes drei Sterne betrachtet: KIC 8006161, HD 52265 und Alpha Centauri B. Sie haben genau ausgerechnet, wie sich die Eigenschaften des Sterns unter dem Einfluss dunkler Materie verändern würden. Was die offensichtlichen Eigenschaften angeht – zum Beispiel Masse, Radius oder Oberflächentemperatur, ist kaum ein Unterschied zu sehen, und wenn, dann liegt er unterhalb der Meßgenauigkeit. Alpha Cen B wäre zum Beispiel mit dunkler Materie 15 Grad kühler als ohne. Seine Temperatur ist aber nur mit einer Genauigkeit von 50 Grad bekannt.
Aber das war eigentlich zu erwarten. Wenn die Abweichungen dramatisch wären, dann hätte man das schon früher gemerkt. Deswegen haben sich Casanellas und Lopes auch genau angesehen, was im Inneren der Sterne passieren würde. Ich habe vorhin schon erwähnt, das die dunkle Materie die Sterne ein wenig kühler macht. Das funktioniert umso besser, je weniger Masse der Stern hat. Die Kühlung ist bei Sternen mit 70 Prozent der Sonnenmasse 9 Mal effizienter als bei Sternen mit 110 Prozent der Sonnenmasse, wie die beiden Astronomen ausgerechnet haben. Und das kann den Kern des Sterns beeinflussen. Sterne mit einer Masse von mehr als 110 Prozent der Sonnenmasse sollten eigentlich einen konvektiven Kern haben. “Konvektiv” heißt, dass dort im Wesentlichen das passiert, was auch im Kochtopf auf dem Herd passiert. Plasma (im Kochtopf: Wasser) wird erhitzt und steigt auf. Weiter oben kühlt es ab und sinkt wieder ab. Ob und wie das funktioniert, hängt davon ab, wie sich die Temperatur ändert, wenn man sich vom Kern entfernt. Wenn das Plasma schnell genug abkühlt, bevor es zu weit nach oben gestiegen ist, dann kommt die Konvektion nicht in Schwung. Das passiert bei Sternen mit geringer Masse; hier findet die Konvektion nur in den äußeren Schichten statt. Die dunkle Materie kann das aber beeinflussen. Das zeigt sich gut am Modell von HD 52265, das Casanellas und Lopes in ihrer Arbeit berechnet haben:
Die x-Achse zeigt die Zeit in Einheiten von Millionen Jahren. Die y-Achse den Radius des konvektiven Kerns in Einheiten des Sternradius. In grau ist der Normalfall eingezeichnet. Eigentlich sollte der Stern die gesamte Zeit über einen etwa gleich großen konvektiven Kern haben. Blau dagegen zeigt den Einfluss der dunklen Materie. Hier verschwindet der konvektive Kern nach knapp 500 Millionen Jahren. HD 52265 ist ein sonnenähnlicher Stern (man kennt dort sogar einen Planeten) und hat ein Alter von knapp 5 Milliarden Jahren. Wenn das Modell mit der dunklen Materie richtig ist, dann sollte er heute keinen konvektiven Kern mehr haben. Aber leider kann man nicht so einfach in einen Stern hinein sehen um das herauszufinden.
Aber es geht indirekt. Es geht mit der “Asteroseismologie”. Darüber habe ich hier schon mal ausführlich geschrieben. Im Wesentlich geht es darum, die Schwingungen des Sterns zu beobachten. Ein Stern ist kein Festkörper, sondern eine Kugel aus Gas und die wird ständig von Schallwellen durchlaufen. Dadurch schwingt der Stern und die Bewegung wirkt sich – minimal – auf die Helligkeit aus. Astronomen können das beobachten und aus der Art der Schwingungen auf die Vorgänge im Inneren schließen (genau so wie die Geophysiker Erdbebenwellen nutzen, um Informationen über das Innere der Erde zu gewinnen). Die Schwingungen hängen ebenfalls davon ab, was im Kern passiert. Deshalb können sie einerseits dazu dienen, den inneren Aufbau eines Sterns zu bestimmen. Andererseits werden die Schwingungen aber auch direkt durch die Existenz der dunklen Materie beeinflusst. Casanellas und Lopes haben auch das genau berechnet und gezeigt, dass sich bestimmte Schwingungen auf charakteristische Art und Weise ändern, wenn eine bestimmte Art von dunkler Materie anwesend ist.
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