Von den Gezeiten hat sicher jeder schon mal gehört. Wer am Meer wohnt oder dort den Urlaub verbracht hat, hat das Phänomen sicher auch schon selbst erlebt. In regelmäßigen Abständen hebt und senkt sich der Meeresspiegel. Der Grund dafür ist im Detail etwas kompliziert zu erklären, im wesentlichen läuft es aber auf folgendes hinaus: Die Gravitationskraft hängt vom Abstand ab. Deswegen ist die Anziehungskraft des Mondes auf der Seite der Erde, die dem Mond zugewandt ist größer, als auf der gegenüberliegenden Seite. Zusammen mit der Bewegung von Erde und Mond um ihren gemeinsamen Schwerpunkt führt das zu einer Gezeitenkraft, die das Meerwasser anhebt. Auch das Land übrigens, aber da der Boden fest ist und nicht flüssig merkt man das hier kaum.
Gezeiten sind allerdings keine spezielle Eigenschaft von Erde oder Mond. Gezeitenkräfte wirken überall. Auch die Sonne übt eine Gezeitenkraft auf die Erde aus. Die Erde übt eine Gezeitenkraft auf den Mond aus. Andere Planeten und ihre Monde beeinflussen sich gegenseitig durch Gezeiten. Und natürlich existiert die Kraft auf auch größeren Maßstäben. Zum Beispiel bei ganzen Galaxien.
Wenn sich zwei Galaxien begegnen, dann wirken auch zwischen ihnen Gezeiten. Und so wie der Mond das Wasser der anhebt, können die Gezeitenkräfte zwischen Galaxien ihre Form verändern. Die Galaxien werden auseinandergezogen, wie man in diesem Bild schön sehen kann:
Gezeitenkräfte wirken aber nicht nur zwischen Galaxien, sondern auch innerhalb von Galaxien selbst. Unsere Milchstraßen-Galaxie besteht aus ungefähr 200 Milliarden Sternen. Sie bilden eine große, viele Zehntausend Lichtjahre durchmessende Scheibe. In der Mitte der Scheibe befindet sich eine kugelförmige Region, in der sehr viele Sterne sehr dicht bei einander stehen: der sogenannte “Bulge”. Jeder Stern bewegt sich um das Zentrum der Milchstraße und seine Bewegung wird durch die gesamte wirkende Gravitationskraft aller Sterne bestimmt. Und so wie bei der Bewegung von Planeten um einen Stern gibt es auch bei der Bewegung von Sternen durch eine Galaxie natürlich Gezeitenkräfte.
Diese Kräfte können im Prinzip auch die Bewegung von Planeten beeinflussen. Dimitri Veras und Wyn Evans von der Universität Cambridge haben diesen Effekt in ihrer Arbeit “Exoplanets Beyond the Solar Neighbourhood: Galactic Tidal Perturbations” detailliert untersucht. Will man wissen, wie stark die galaktischen Gezeiten die Bewegung eines Planeten beeinflussen, dann muss man drei grundlegende Dinge berücksichtigen:
- Die Position des Planetensystems innerhalb der Galaxie. Je näher sich ein Stern am dicht besiedelten Bulge befindet, desto stärker wird der Einfluss der Gezeitenkraft.
- Die Position des Planeten innerhalb des Planetensystems. Ob ein Planet von den galaktischen Gezeiten beeinflusst wird, hängt davon ab, wie stark die gravitative Bindung an den eigenen Stern ist. Je näher er sich am Stern befindet, desto weniger ist er den Gezeiten ausgeliefert.
- Die Neigung des Planetensystems gegenüber der Ebene der galaktischen Scheibe. Die galaktischen Gezeiten wirken nicht in alle Richtungen gleich stark. Je stärker die Bahn eines Planeten gegenüber der galaktischen Ebene geneigt ist, desto stärker wirken auch die galaktischen Gezeiten.
Um den gravitativen Einflussbereichs eines Sterns zu beschreiben, verwendet man den sogenannten Hill-Radius. Innerhalb dieses Radius dominiert die Gravitationskraft des Sterns und die galaktischen Gezeiten spielen eine untergeordnete Rolle. Der Hill-Radius hängt von der Masse des Sterns ab und der Position des Sterns innerhalb der Galaxie. Für einen Stern mit der Masse der Sonne sieht das zum Beispiel so aus:
Die x-Achse zeigt den Abstand vom galaktischen Zentrum in Kiloparsec. Die y-Achse gibt den Hill-Radius an (rechts ist die Einheit 100000 Astronomische Einheiten, links sind es parsec); für jede der drei möglichen Richtungen extra. Man sieht gut, dass der Hill-Radius in z-Richtung, also senkrecht zur Ebene der galaktischen Scheibe, am geringsten ist.
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