Habt ihr es gemerkt? Heute Morgen um 6 Uhr hat die Erde den sonnennächsten Punkt ihrer Bahn erreicht. Sie war der Sonne so nahe, wie sie es in den vergangenen 365 Tagen nicht war und natürlich habt ihr nichts davon bemerkt. Es gibt nämlich nichts zu bemerken. Es wird dadurch weder wärmer auf der Erde, noch heller, noch passiert sonst irgendetwas, das man mit freiem Auge bemerken könnte. Denn der Unterschied zwischen dem sonnennächsten und sonnenfernsten Punkt ist nur gering.
Würde sich die Erde genau auf einer Kreisbahn um die Sonne bewegen, dann wäre ihr Abstand immer gleich. Seit der Arbeit von Johannes Kepler im 17. Jahrhundert wissen wir aber, dass sich die Himmelskörper auf elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen. Die Planetenbahnen sind also oval und deswegen ist der Planet der Sonne mal ein wenig näher und mal ein wenig ferner – je nachdem wie oval die Bahn ist. Den Punkt der Bahn, der der Sonne am nächsten ist, nennt man Perihel, den sonnenfernsten Punkt dagegen Aphel. Die Erde ist heute morgen 147,1 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt gewesen. Ein halbes Jahr später, am 5. Juli, werden es 152,1 Millionen Kilometer sein. Ein Unterschied von 5 Millionen Kilometer mag zwar groß erscheinen, macht aber insgesamt nur 3 Prozent aus und würde man die Bahn der Erde maßstabsgetreu aufzeichnen, dann würde man den Unterschied zu einer Kreisbahn kaum bemerken:
Gelb ist die Erdbahn, Blau ist ein enstprechender Kreis und man muss schon sehr genau schauen, um den Unterschied zu sehen. Es ist auch Zufall, dass der sonnennächste Punkt gerade im Januar stattfindet. Mit den Jahreszeiten hat das nichts zu tun. Das merkt man auch daran, dass zum Beispiel die Leute in Australien gerade Hochsommer haben. Der Abstand zwischen Sonne und Erde ändert sich im Laufe eines Jahres zu wenig, um einen relevanten Einfluss auf das Wetter zu haben (da muss man schon sehr lange Zeiträume betrachten und warten, bis sich die Bahn der Erde selbst ein wenig ändert, um Auswirkungen auf das Klima beobachten zu können).
Auch bei den anderen Himmelskörpern ist der Unterschied zwischen sonnennächsten und sonnenfernsten Punkt gering. Das führt oft zu Verwirrung, wenn man Bilder des Sonnensystems zeichnet. Das sieht zwangsläufig immer so aus, als hätte man jede Menge Kreise gezeichnet. Die Leute erwarten aber Ellipsen, weil man ja gelernt hat, dass Planeten sich auf elliptischen Bahnen bewegen. Was man aber nicht gelernt hat und auch nur enorm schwer lernen kann, ist ein Gefühl für die enormen Abstände im Sonnensystem zu bekommen.
Bilder des Planetensystems sehen oft so aus:
Einerseits hat man hier durch die Wahl der Perspektive und den schrägen Blickwinkel auf das System das Problem der elliptischen/kreisförmigen Bahnen gelöst. Schaut man schräg auf einen Kreis, dann sieht er auch aus wie eine Ellipse. Andererseits ist dieses Bild auch völlig falsch. Denn hier scheinen die Abstände zwischen zwei Planetenbahnen immer ungefähr gleich groß zu sein. Das macht das Bild natürlich übersichtlich. Aber eben auch falsch. Denn die Realität sieht anders aus. So in etwa:
Das sind die Bahnen der äußeren Planeten: Neptun, Uranus, Saturn und Jupiter (von außen nach innen). Und ganz in der Mitte kann man gerade noch so die Bahn von Mars erkennen. Die vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars drängen sich um die Sonne und es ist schwer, sie alle auf ein Bild zu bekommen. Will man die vier inneren Planeten gut sehen, dann muss man bis zur Jupiterbahn hinein zoomen:
Als ich noch ein Student war, hat irgendein ein Künstler bei der Sternwarte in Wien angefragt: Er wollte ein Diagramm haben, das die Position der Planeten auf ihren Bahnen zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigt (keine Ahnung, was er damit anstellen wollte). Und weil sich niemand darum kümmern wollte, wurde der Job in der Institutshierarchie bis an mich durch gereicht. Ich habe dann entsprechende Bilder gebastelt, alle maßstabsgetreu natürlich. Der Künstler hat sich dann beschwert, so hätte er sich das nicht vorgestellt. Er wollte Bilder mit Planetenbahnen haben, die alle gleich weit voneinander entfernt und gut zu erkennen sind. Nach einem kurzen Gespräch über die Natur der Realität haben wir uns dann auf zwei korrekte, maßstabsgetreue Bilder geeinigt; eines für das innere Sonnensystem und eines für das äußere…
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