Auch das Licht des Mondes beeinflusst uns kaum. Natürlich ist es in einer Vollmondnacht heller als bei Neumond. Aber dank der Lichtverschmutzung ist es in den dicht besiedelten Regionen der Welt nachts sowieso immer hell. Die Mondphase spielt da keine Rolle. Wer in einer einsamen Blockhütte in der Wildnis wohnt und sein Bett gerade so beim Fenster aufgestellt hat, dass der Mond durchs Fenster scheinen kann, der leidet bei Vollmond vielleicht tatsächlich unter Schlafstörungen (man könnte in dem Fall aber auch einfach die Vorhänge zu ziehen). Normalerweise sind diese “Vollmondeffekte” – Bei Vollmond schläft man schlecht/Bei Vollmond gibt es mehr Geburten/Bei Vollmond gibt es mehr Verbrechen/etc – aber nicht existent und nur Resultat selektiver Wahrnehmung (ein exakt geführtes Schlaftagebuch kann helfen, die Sache mit der Schlaflosigkeit und dem Mond objektiv zu betrachten). Man hat oft genug untersucht, ob bestimmte Phänomene mit den Mondphasen zusammenhängen und dabei keinen Effekt gefunden.
Das hindert die Verfasser der Mondkalender aber nicht, alles mögliche zu behaupten. Zum Beispiel so etwas hier:
“Wenn sie Schuhe bei abnehmendem Mond putzen, bleiben sie länger sauber. Gleichzeitig wird das Leder weniger angegriffen: Der Schuh bleibt länger schön. Für das Imprägnieren mit speziellen Sprays sind Lufttage ideal.”
Ich verstehe nicht, wie Menschen so etwas ernst nehmen können. Die Sauberkeit der Schuhe soll also davon bestimmt werden, welchen Teil der beleuchteten Hälfte einer 400.000 Kilometer entfernten Felskugel wir von der Erde aus sehen können? Und nicht vielleicht davon, ob es draußen gerade regnet und ich mit meinen Tretern durch die Matschpfützen plantsche oder doch lieber zuhause bleibe? Und – mein Vater ist Schuster, ist bin also quasi Experte! – es ist dem Leder auf vollkommen egal, bei welcher Mondphase es imprägniert wird.
Der eigentlich Kalender ist dann voll mit weiteren Handlungsvorschriften. Es wird genau gesagt, wann man Blumen gießen soll und wann die Fenster zu putzen sind. Wann man eine Dauerwelle machen soll und wann die Babys abgestillt werden müssen. Wann aus dem Gartenobst Marmelade gekocht und wann staubgesaugt wird. Und irgendwie ist der ganze Kalender voll mit diesen Klischee-Tätigkeiten der Frauen. Anscheinend ist der Mond unheimlich wichtig, wenn es um Garten- und Hausarbeit geht und Frisuren und Diäten. Aber die Mondphase scheinen keinerlei Rolle zu spielen, wenn es darum geht, das Auto zu reparieren, Fußball zu spielen oder Frauen anzubaggern (oder was auch immer die entsprechen Männer-Klischee-Tätigkeiten wären). Vermutlich lässt sich psychologisch erklären, warum diese Kalender so einen dauerhaften Erfolg haben. Einerseits ist da natürlich die übliche selektive Wahrnehmung, die verhindert, dass man bemerkt, wie sinnlos die Ratschläge sind und das ein Fenster genau so sauber wird, wenn man es bei zunehmenden oder abnehmenden Mond putzt. Andererseits ist man vielleicht auch dankbar dafür, wenn man eine Anleitung für den Alltag bekommt. Gerade wenn es um Hausarbeit & Co geht, sind viele ja doch manchmal recht chaotisch, wenn sie sich selbst um alles kümmern müssen und werden aus eigenem Antrieb selten aktiv (Hey, wenn ich bei jedem Vollmond meine Fenster putzen würde, wäre das schon eine enorme Verbesserung des Status Quo!).
Natürlich ist es auch ziemlich egal, wenn Menschen sich bei der Garten- oder Hausarbeit nach den Mondphasen richten. Wenn es ihnen Spaß macht, dann sollen sie ruhig. Schadet ja nix. Aber in manchen Bereichen schadet es eben doch. Zum Beispiel wenn man im Kalender dann so etwas lesen muss:
“Verlegen sie geplante Operationen in den abnehmenden Mond, um Narben, Infektionen und Blutungen zu vermeiden. Verzichten sie auf Eingriffe an dem Körperteil, in dessen Zeichen der Mond gerade steht.”
Verzichten sie auf Eingriffe. Das ist dann schon etwas heftig. Wenn jemand eine vielleicht dringend nötige Operation verschiebt, nur weil gerade der falsche Teil des Mondes angeleuchtet wird, dann kann das schlimme und eventuell sogar fatale Folgen haben. Solche Ratschläge zu geben ist eigentlich unverantwortlich und es wundert mich – wie jedesmal bei diesem Esoterik-Kram – dass der Konsumentenschutz hier keine Notwendigkeit sieht, sich das zumindest mal genauer anzusehen. Jeder dämliche Jogurth muss sich bei der Vermarktung an mehr Richtlinien halten als die Esoteriker, die im Prinzip alles behaupten können, was ihnen gerade so durch den Kopf geht.
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