Vor ein paar Tagen habe ich euch ein eindrucksvolles Bild des Vesuv gezeigt. Der Vulkan in Italien steht in unmittelbarer Nähe der Millionenstadt Neapel und es handelt sich dabei um einen aktiven Vulkan, der im Prinzip jederzeit wieder ausbrechen kann. Wir haben darüber diskutiert, dass es nicht besonders klug ist, sich direkt im Schatten eines aktiven Vulkans anzusiedeln. Denn wenn dort etwas passiert, dann sind die Folgen katastrophal. Aber vielleicht kann es so eine Katastrophe auch in Deutschland geben? Was würde geschehen, wenn mitten in Deutschland ein Vulkan ausbrechen würde? Dieses Szenario beschreibt der Geologe Ulrich Schreiber in seinem Roman “Die Flucht der Ameisen”.
Bei Naturkatastrophen in Deutschland denken wir vermutlich an Sturmfluten im Norden. Oder an Überschwemmungen entlang der Flüsse. Aber vermutlich nicht an Erdbeben und Vulkanausbrüche. In Deutschland ist tektonisch nicht viel los. Sollte man meinen…
Ulrich Schreiber ist Professor für Geologie an der Universität Essen und sein Roman spielt im Rheintal. Hauptfigur ist Geologie-Professor Gerhard Böhm aus Köln, der die Gegend um Koblenz durchstreift um dort eine geologische Störung zu untersuchen. Dabei findet er nicht nur jede Menge Ameisenhaufen, die sich seltsamerweise direkt entlang der Störungslinie befinden. Sondern entdeckt auch, dass die Störung direkt durch den Laacher See verläuft. Dieser See ist kein normaler See, sondern Resultat eines gewaltigen Vulkanausbruchs, der vor circa 12000 Jahren stattgefunden hat. Der Krater des Vulkans wurde bei der Eruption weggesprengt; die ganze Gegend fiel in sich zusammen und das große Loch, das dabei entstand füllte sich später mit Wasser und bildete den See. In der Vulkaneifel findet man noch einige andere ehemalige Vulkane und immer wieder Hinweise auf vulkanische Tätigkeit.
Böhm will die Sache genauer erforschen, vor allem die Geschichte mit den Ameisen. Seine These lautet, dass sich die Insekten dort ansiedeln, wo vulkanische Gase durch winzige Schlote an die Oberfläche gelangen, weil es hier auch im Winter schön warm ist. Seine Untersuchungen zeigen, dass die Haufen sogar sehr warm sind, besonders bei der Störung in der Nähe des ehemaligen Vulkans. Sein Forschungsantrag zum Thema wird aber nicht bewilligt…
Dann aber, kurz nach Mitternacht in der Silvesternacht, bricht direkt neben dem Rhein, bei der Gemeinde Brohl, tatsächlich die “Hohe Buche” aus, einer der schlummernden Vulkane. Der Schock ist groß, die Folgen sind aber erstmal nicht ganz so schlimm. Es sterben nur wenige Menschen die vom pyroklastischen Strom aus Asche und Feuer erwischt werden. Die Frage die sich jetzt alle stellen, lautet nun: War das schon alles, oder kommt da noch mehr?
Böhm ist der Meinung, dass es noch viel schlimmer werden könnte. Wenn es sich nicht um einen einmaligen Ausbruch handelt, sondern um einen Vulkan so wie auf Hawaii, aus dem auch mal für längere Zeit Lava fließt, dann gelangt die Lava irgendwann in den Rhein. Dort bildet sie einen Damm, staut das Wasser auf und setzt die ganze Gegend unter Wasser. Und da das Wasser im Rheintal erst abfließen kann, wenn es auf 200 Meter gestiegen ist, würde das bedeuten, dass alle Städte bis nach Straßburg unter Wasser stehen würden. Koblenz, Wiesbaden, Mainz, Frankfurt, Darmstadt, Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe – alle würden im Laufe einiger Monate überflutet werden.
Und da man kaum ein Buch schreiben würde, in dem nichts passiert, kann man sich natürlich denken, wie sich die Dinge entwickeln…
“Die Flucht der Ameisen” ist ein ziemlich cooles Buch. Die Handlung ist von Anfang an packend (ich hab das Buch in einem Rutsch durchgelesen) und man lernt dabei jede Menge über Geologie und Vulkanismus (vielleicht sind manche Erläuterungen im Buch sogar ein klein wenig zu ausführlich für einen Roman). Das besondere an der Geschichte ist aber natürlich ihre potentielle Realität. Kann so etwas wirklich passieren? Die Vulkane in der Eifel existieren; man weiß auch, dass die Gegend aus tektonischer Sicht nicht völlig tot ist. Beim “Eifel-Plume Projekt” hat man die Magmablasen unter der Eifel genau vermessen und theoretisch ist es durchaus möglich, dass einer der Vulkane dort wieder ausbricht. Ob es dann aber so dramatisch wird wie im Buch beschrieben, bleibt zweifelhaft, wie auch der Autor selbst im Nachwort erklärt. Wenn ein Vulkan ausbricht und wenn er genau dort ausbricht, wo Lava den Rhein stauen könnte… dann muss es immer noch genau die richtige Art von Lava sein, damit sich so ein Damm bilden kann. Und ob die Vulkane in der Eifel diese Art der Lava produzieren können, ist nicht gesichert.
Im Gegensatz zu Neapel muss man sich in Deutschland fürs Erste keine allzu großen Sorgen machen. “Die Flucht der Ameisen” ist eine faszinierende und gut geschriebene “Was wäre wenn”-Geschichte mit vielen netten Elementen (die Alltagsprobleme der Wissenschaftler sind gut geschildert und das schwimmende Atomkraftwerk hat mir auch sehr gut gefallen – nur die Liebesgeschichte wirkte etwas gewollt und passte nicht ganz rein) aber definitiv keine Vorhersage irgendeiner nahenden Katastrophe. Ich kann das Buch nur empfehlen – am besten in Verbindung eines Besuchs der Region selbst. Dort kann man sich den Vulkanismus live ansehen und eine Tour durch Geopark Vulkanland Eifel steht schon lange auf meiner Liste! Ich hoffe, dass ich es diesen Sommer endlich schaffen werde. “Die Flucht der Ameisen” werde ich dann sicher im Reisegepäck haben…
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