Wenn ich einen beliebigen Ort aufsuchen könnte, dann würde ich mich wohl für das Zentrum der Milchstraße entscheiden. Dort muss es wirklich ziemlich beeindruckend sein. Viel mehr Sterne und viel näher bei einander als hier bei uns in den Randbezirken der Galaxis; dichte Sternhaufen überall; dazwischen große Gas- und Staubwolken und in der Mitte das mächtige supermassereiche schwarze Loch, vier Millionen Mal schwerer als unsere Sonne!
Dieses schwarze Loch ist nicht mehr aktiv. Das bedeutet, dass nur noch langsam wächst; dass nur noch wenig Material auf das Loch fällt. In jungen Galaxien gibt es mehr Staub und Gas im Zentrum und das Loch frisst ständig. Das Loch in unserer Milchstraße ist ruhig, nur ab und zu gönnt es sich einen Happen. Das ist gut, denn die Tischmanieren des Lochs sind nicht so besonders. Beim Verschlucken des Materials sabbert es jede Menge Röntgenstrahlung… Ne, ich glaube, die Metapher mit dem Essen funktioniert irgendwann nicht mehr.
Was tatsächlich passiert, ist folgendes: Material kann nicht einfach auf gerader Linie in das Loch fallen. Das liegt an der Drehimpulserhaltung. Material bewegt sich um das Loch herum. Das Loch umgibt sich mit einer sogenannten “Akkretionsscheibe”, einer Scheibe aus Gas und Staub. Und das Zeug aus der Scheibe kann dann spiralförmig ins Loch fallen. Bei der Bewegung des Materials durch das starke Magnetfeld des Lochs, entsteht jede Menge Strahlung. Die Umgebung eines aktiven schwarzen Lochs, auf das ständig Material fällt, strahlt also sehr hell und intensiv. So hell, dass man die aktiven Löcher auch noch in großer Entfernung sehen kann (so einen aktiven Galaxienkern nennen die Astronomen “Quasar”).
Das Loch in unserer Milchstraße ist schon alt und es existiert nicht mehr genug Material in seiner Nähe, damit es dauerhaft aktiv sein kann. Aber ein bisschen Zeug gibt es natürlich trotzdem. Es ist aber schwer, dieses Zeug zu sehen. Denn große Gas- und Staubwolken versperren uns den Blick auf das Zentrum der Milchstraße. Man braucht Infrarot-Teleskope, um durch den Staub zu sehen.
Aber wir haben Infrarot-Teleskope. Und das haben sie gesehen:
Man sieht einen “gelben” Ring (er ist nicht wirklich gelb, es handelt sich ja um eine Infrarotaufnahme, die künstlich eingefärbt wurde und nicht um das Licht, das wir mit unseren Augen sehen können). Dieser Ring ist genau die Scheibe aus Gas und Staub, die das schwarze Loch umgibt! Dieser “circumnuclear ring (CNR)” durchmisst etwa 9 Lichtjahre und im Bild sehen wir seine innere Öffnung. Wir sehen außerdem eine helle, T-förmige (oder y-förmige, je nachdem) Struktur. Das ist Material, das ins schwarze Loch fällt – und das sitzt genau dort, wo sich die beiden Linien treffen. Staub und Gas aus dem circumnuclear ring fallen ins Loch, werden dabei stark aufgeheizt und strahlen hell.
Die Aufnahme wurde von SOFIA gemacht. Das steht für Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie und es handelt sich um ein Observatorium, das die NASA gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gebaut hat. Es ist aber kein normales Observatorium. Kann es auch nicht sein, denn es ist schwer, Infrarotlicht vom Erdboden aus zu sehen. Die Atmosphäre blockiert das meiste davon. Deswegen schickt man Teleskope wie zum Beispiel Herschel oder Spitzer ins All, damit sie dort ungestört beobachten können. SOFIA aber ist ein Stratosphären-Observatorium. Also nicht im All, sondern in der Stratosphäre. Es ist eine Sternwarte in einem Flugzeug!
In einer umgebauten Boeing 747 wurde ein Teleskop mit einem 2,5-Meter-Spiegel montiert. Natürlich nicht einfach so, es braucht eine sehr komplexe Montierung mit jeder Menge ausgeklügelter Software, um das Teleskop während des Flugs ausreichend ruhig zu halten. Aber wenn SOFIA dann in 12-14 Kilometer Höhe fliegt, befindet sich ein Großteil der dichten Atmosphäre unter ihr und der Blick ist frei für die Infrarotastronomie! Es mag zwar etwas umständlich und teuer sein, ein Teleskop in ein Flugzeug einzubauen. Aber überlegt mal, wie umständlich und teuer es ist, ein Teleskop mit einer Rakete ins All zu schicken! Und wenn es dort kaputt geht, ist es kaputt. SOFIA kann einfach laden und man kann am Boden alles in Ruhe reparieren.
Eine fliegende Sternwarte blickt durch interstellare Staubwolken und beobachtet, wie ein gigantisches schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße Materie verschluckt! Wissenschaft ist manchmal schon ziemlich cool…
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