Man kann. Und man sollte es eigentlich können, ohne Probleme mit der Glaubwürdigkeit zu bekommen. Aber in der Realität ist es schwer die Rollen zu trennen. Und viele Menschen erwarten wohl leider tatsächlich, dass ein Journalist immer und überall objektiv zu sein hat. Ich merke so etwas ähnliches hier bei meiner Arbeit im Blog. Immer wenn ich Artikel schreibe, die nicht direkt mit Astronomie zu tun haben, wird mir gerne mal vorgeworfen, ich solle doch gefälligst bei dem bleiben was ich gelernt habe und mich nicht zur Politik, zur Literatur, zu Geisteswissenschaften oder Pseudowissenschaften oder sonst irgend welchen Themen äußern, die nichts mit Astronomie zu tun haben.
Das ist natürlich absurd. Ja, ich bin Astronom. Aber ich habe auch zu nicht-astronomischen Themen eine Meinung. Und diese Meinung möchte ich auch gerne sagen. Aber natürlich beanspruche ich für meine Meinung in diesem Fall keine fachliche Autorität! Und ich denke genau hier liegt das Missverständnis. Die Menschen, die mich kritisieren, wenn ich z.B. über Politik schreibe, sind anscheinend der Meinung, ich würde mich fälschlicherweise als “Experte” für Politik sehen, nur weil ich eben auch tatsächlich Experte für Astronomie bin. Aber das ist natürlich nicht so. Ich bin Experte für Astronomie. Ich bin kein Experte für Politik. Aber ich bin ein Mensch mit einer politischen Meinung. Ich bin ein Experte für Astronomie, der so wie jeder andere Mensch auch, eine Meinung zu allen möglichen Dingen hat. Und diese Meinung auch öffentlich sage. Nur weil ich außerdem auch öffentlich als Astronomie-Experte auftrete, folgt daraus nicht, dass jede meiner öffentlichen Aussage als “Experte” erfolgt.
Genauso muss ein Journalist theoretisch die Möglichkeit haben, eine private Meinung öffentlich zu machen, ohne dabei in die Rolle des Journalisten gedrängt zu werden. Ein Journalist ist jemand, der objektive Texte zu bestimmten Themen verfasst, aber so wie jeder andere Mensch eine subjektive Meinung zu jedem Thema hat. Und es sollte eigentlich möglich sein, in beiden Rollen aufzutreten. Wenn eigenwach also fragt:
“Nun stellt sich die Frage, was mir wichtiger ist: Mein Ruf als (idealerweise) neutrale Berichterstatterin, oder der Drang, mir als Mensch mit Meinung und Haltung durch den Blog eine Plattform zu geben?”
dann lautet die Antwort idealerweise: Beides ist gleich wichtig und eine Entscheidung sollte nicht nötig sein. Aber leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Natürlich kann man das ganze abschwächen und unter Pseudonym bloggen, so wie “eigenwach” das tut. Dann stellt sich die Frage, die “eigenwach” stellt auch gar nicht – denn wenn niemand weiß, wer sie wirklich ist, kann sie im realen Leben auch nicht mit ihrer anonymen Bloggerei in Verbindung gebracht werden.
Ich selbst bin nur ab und zu Journalist und hatte mit der Doppelrolle als Blogger/Journalist bis jetzt noch nie Probleme. Ich kenne auch einige andere bloggende Journalisten. Vielleicht lesen sie ja mit: Wie ist das bei euch? Macht ihr euch über sowas Gedanken? Ist es wirklich ein Problem, wenn man neben der eigentlichen journalistischen Arbeit auch noch privat seine Meinung öffentlich macht?
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