Glaubt man dem Wetterbericht, dann wird es morgen endlich wieder wärmer und das Tauwetter beginnt. Und bis zum meteorologischen Frühlingsbeginn am 1. März dauert es auch nicht mehr so lange. Zeit, sich ein paar Gedanken über den Garten zu machen, und das, was darin wachsen soll.
In meiner aktuellen Wohnung habe ich leider weder einen Garten, noch einen Balkon und nicht einmal Fensterbretter, auf denen Blumentöpfe Platz haben. Aber früher habe ich jede Menge Zeug angebaut. Nicht unbedingt bunte Blumen (dafür sind die zwei Generationen an Floristen in meiner Familie zuständig). Bei mir war es eher experimentelle Gärtnerei. Ich wollte nicht einfach nur irgendwelche Pflanzen kaufen und gießen, sondern selbst sehen, was alles wachsen kann und wie das abläuft. Ich habe immer direkt mit den Samen begonnen und einige interessante Pflanzen wachsen sehen. Senf zum Beispiel – das sind lustige Pflanzen! Und aus meinem einen Senfkorn wuchs immerhin eine Pflanze, die groß genug war, um ausreichend neue Körner für etwa einen Teelöffel selbstgemachten Senf zu liefern! Ich hab auch “Unkraut” wachsen lassen, einfach nur um zu sehen, was daraus eigentlich wird, wenn man es in Ruhe lässt (oft überraschend schöne Pflanzen). Ich hab viel gelernt (zum Beispiel das Rosmarin verdammt mühsam ist, wenn man ihn direkt aus den Samen wachsen lassen will). Und genau darum ging es. Ich war nicht so sehr daran interessiert, mit den Pflanzen meine Wohnung aufzuhübschen. Es ging mir auch nicht so sehr darum, große Ernten einzufahren (obwohl ich mich immer gefreut habe, wenn irgendwas essbares gewachsen ist). Ich fand es einfach nur spannend, zu sehen, wie Pflanzen funktionieren und wie das ganze Zeug wächst, das man normalerweise nur fertig verarbeitet aus dem Supermarkt kennt.
Ich denke, dass man sich ruhig öfter mit diesem Thema beschäftigen könnte. Jeder Mensch muss essen, aber die wenigsten wissen, wo das Essen her kommt. Dabei ist das nicht nur äußerst interessant (ich empfehle dazu zum Beispiel das Buch “Der Mensch ist, was er isst: Wie unser Essen die Welt veränderte” von Tom Standage) sondern auch wichtig. Ich bin jetzt kein großartiger Globalisierungsgegner. Wenn fundamentale Prozesse wie die Nahrungsproduktion und Verarbeitung irgendwo weit weg geschehen und wir nur das Endprodukt im Supermarkt zu sehen bekommen, dann muss das nicht zwingend schlecht sein. Aber es ergeben sich jede Menge Möglichkeiten für Missbrauch, Verschwendung, Ausbeutung, Umweltverschmutzung und andere unangenehme Dinge. Wir Konsumenten sind immer weiter von der Nahrung getrennt, die wir zu uns nehmen – und daran ändert sich auch nichts, wenn wir uns durch Produkte mit “Bio”-Logo ein gutes Gewissen erkaufen wollen. Es wäre wichtiger, sich damit zu beschäftigen, wie Nahrung ensteht und was wie, wo und warum wächst. In Thüringen gibt es immerhin in der Grundschule ein eigenes Fach “Schulgarten” (neben dem verpflichtenden Astronomieunterricht ein weiteres Überbleibsel des DDR-Schulsystems). Aber man könnte noch viel mehr machen.
Ein schönes Projekt dieser Art wurde in England durchgeführt. Im der kleinen Stadt Todmorden haben Bürger das Projekt Incredible Edible umgesetzt. Sie haben die Grünflächen ihrer Stadt genutzt, um dort Obst und Gemüse anzubauen. Verschiedenste Sorten und überall (unter anderem auch auf dem Friedhof). Und damit den Menschen ihre Nahrung wieder ein wenig näher gebracht. Man kann nun auf speziellen Wegen durch die Stadt spazieren und unterwegs lernen, sehen und kosten, was da alles so wächst:
Eine gute Idee, die schon erfolgreich in andere Gegenden exportiert wurde.
Was in Todmorden gemacht wird, ist eine spezielle Form der “Guerillagärtnerei”. Dabei “besetzen” Menschen die vielen ungenutzten Grünflächen überall in den Städten und pflanzen auf Verkehrsinseln, Grünstreifen und brachliegenden Flächen verschiedenste Nutz- und Zierpflanzen an. Die Idee stammt vom Briten Richard Reynolds, der seinem Motto
“Let’s fight the filth with forks and flowers!”
folgend, das Buch “Guerilla Gardening: Ein botanisches Manifest” geschrieben hat und damit eine mittlerweile weltweite Bewegung angestoßen hat.
Ich fordere hier natürlich ganz explizit niemanden dazu auf, guerillagärtnerisch tätig zu werden. Denn auch wenn sich die meisten Gemeinden darüber freuen, wenn sich Menschen freiwillig der Stadtverschönerung widmen, ist die Bepflanzung ohne Zustimmung der Grundstückseigentümer offiziell eine Straftat und kann als Sachbeschädigung geahndet werden. Aber ihr könnt ja trotzdem in Zukunft mal ein bisschen bewusster durch die Stadt gehen und nach Plätzen suchen, die mit ein paar Pflanzen viel schöner aussehen würden. Und dann stellt ihr euch diese Pflanzen halt einfach nur vor. (Aber hey – sollten euch beim Spazierengehen gehen zufällig ein paar Samen aus der Tasche fallen… tja – dann wäre es doch viel zu mühsam, die alle wieder aufzusammeln)
Man kann aber auch ganz ohne Garten und Balkon Obst und Gemüse anbauen. Man braucht dazu nicht einmal Erde. Britta Riley aus New York wollte ihr eigenes Essen anbauen – hatte aber leider kein großes Haus auf dem Land sondern nur ein kleines Appartement in New York. Also dachte sie darüber nach, wie man das Problem lösen könnte und entwickelte die Windowfarms:
Ein interessantes Projekt, das ich dieses Jahr vielleicht auch einmal ausprobieren werde. Fenster hat meine Wohnung ja zumindest!
Aber nicht nur die Fenster von Privatwohnungen sollen in Zukunft zu Mini-Bauernhöfen werden. Beim Urban Farming will man die Flachdächer der Häuser in den Städten in landwirtschaftlich nutzbare Gärten und Anbauflächen umwandeln.
Ich weiß nicht, wie die Zukunft tatsächlich aussehen wird. Vielleicht leben wir in ein paar Jahrzehnten tatsächlich in “essbaren Landschaften” und alle Menschen wissen über ihr Essen Bescheid. Vielleicht bleibt auch alles so wie es ist und wir bekommen unser Essen weiterhin von “irgendwo”. Aber ich weiß, dass der Schnee bald schmelzen wird. Und dann kann jeder selbst entscheiden, ob es sich lohnt, vielleicht doch mal den einen oder anderen Samen in die Erde zu stecken. Einfach nur, um zu schauen, was dann passiert…
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