Zuerst fand man lange nichts. Dann entdeckte man 1983 zumindest ein wenig Staub, der einen Stern umkreiste. Echte Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ließen aber immer noch auf sich warten. Bis 1991. Und dann entdeckte man sie dort, wo absolut niemand mit ihnen gerechnte hatte…
1932 spekulierte der Physiker Lew Landau, dass die erst kürzlich entdeckten Bestandteile des Atomkerns, die Neutronen auch den Kern eines Sterns bilden konnte. 1934 postulierten die Astronomen Walter Baade und Fritz Zwicky, dass eine Supernova-Explosion den Übergang zwischen einem gewöhnlichen Stern und einem der von Landau vorhergesagten “Neutronensterne” sein könnte.
Wenn ein Stern am Ende seines Lebens keinen Brennstoff mehr in seinem Kern zur Verfügung hat, dann kollabiert er. Wenn der Stern keine Strahlung mehr produziert, die nach außen drückt, dann gewinnt die Gravitation die Oberhand und er fällt unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Wie stark er komprimiert wird, hängt von seiner Masse ab. Leichte Sterne wie die Sonne werden “nur ” auf die Größe der Erde komprimiert (nachdem sie davor schon einen großen Teil ihrer äußeren Schichten abgestoßen haben). Schwerer Sterne dagegen kollabieren weiter. Der Kollaps stoppt erst, wenn der Kern des Sterns nur noch ungefähr 20 Kilometer durchmisst. Näher können die Atome nicht kommen. Sie wurden ja jetzt schon enorm stark zusammengedrückt. Die negativen Elektronen haben sich mit den positiven Protonen im Kern der Atome zu neutralen Neutronen verbunden. Der Kern besteht nur noch aus Neutronen; wiegt so viel wie ein ganzer Stern und ist dabei doch nur wenige Kilometer groß. Bei der großen Explosion, die folgt, wenn der Kollaps bei der Entstehung des Neutronensterns abrupt aufgehalten wird, wird der Rest des Sterns ins All geschleudert. Nach dieser Supernova bleibt nur der nackte Neutronenstern übrig.
Soweit die Theorie. Die Praxis kam 1967. Da dachte die Doktorandin Jocelyn Bell, dass sie außerirdische Lebewesen entdeckt hatte. Bell war eigentlich Radioastronomin (das Gebiet war damals noch sehr jung, Bell musste erstmal ein passendes Teleskop bauen) und auf der Suche nach fernen Galaxien. Sie fand aber seltsam regelmäßige Signale aus dem All. So regelmäßig, dass sie an künstliche Botschaften erinnerten. Aber es waren keine Aliens, sondern Neutronensterne. Die rotieren nämlich sehr schnell (so wie ein Eiskunstläufer auch schneller dreht, wenn er sich kompakter macht). Und entlang der Magnetfelder ihrer Pole senden sie Strahlung ins All. Sie sind also wie Leuchttürme und wenn die Erde zufällig im Lichtkegel eines Neutronensterns liegt, dann bekommen wir bei jeder Umdrehung ein Signal. Man nennt diese Neutronensterne auch Pulsare und die Geschichte ihrer Entdeckung habe ich hier ausführlich beschrieben.
So ein Pulsar kann sich in einer Sekunde ein paar hundert bis tausend Mal drehen. Und die Astronomen können diese schnellen Pulse gut messen. Normalerweise sind die Pulse enorm regelmäßig. Aber manchmal auch nicht. Zum Beispiel der Pulsar im Krebsnebel, wie man 1969 herausfand. Der “tickte” nicht ganz exakt. Aber er war auch noch jung; den Stern dort sahen wir erst im Jahr 1054 explodieren. Und junge Pulsare sind noch nicht ganz stabil, sie müssen sich erst “setzen” und sind noch nicht so verlässlich.
Aber 1991 entdeckte Andrew Lyne beim alten Pulsar PSR B1829-10 ebenfalls ein paar Unregelmäßigkeiten. Und zwar regelmäßige Unregelmäßigkeiten: mal kamen die Signale zu spät, mal kamen sie zu früh. Lyne fiel dafür eigentlich nur ein Grund ein. Der Pulsar musste tatsächlich wackeln. Mal wackelte er ein bisschen auf uns zu, mal wackelte er von uns weg und deswegen kamen die Signale zu früh bzw. zu spät an. Und was bringt den Pulsar zum Wackeln? Planeten! Wird der Pulsar von einem anderen Objekt umkreist, dann sorgt dessen Gravitationskraft für genau so ein Wackeln.
Lyne probierte aus den unregelmäßigen Ankunftszeiten der Pulsarsignale die Eigenschaften der ihn umkreisenden Objekte zu berechnen. Es musste sich um einen Planeten handeln, so schwer wie der Uranus und in einer Umlaufbahn, die der Bahn der Venus in unserem Sonnensystem entspricht. Am 25. Juli 1991 wurden die Ergebnisse in der Zeitschrift “Nature” veröffentlicht.
Die Astronomen waren skeptisch. Wie sollte ein Pulsar zu Planeten kommen? Bevor so ein Stern zu einem Neutronenstern wird, bläht er sich erstmal richtig auf. Er wird zu einem Überriesen und sollte eigentlich alle nahen Planeten verschlucken. Dann kommt die große Explosion. Durch den Masseverlust beim Stern würden die Planeten nicht mehr festgehalten und davon fliegen. Die Explosion zerstört das, was übrig ist. Darum findet man auch selten Doppelpulsare – die Begleiter überleben die Entstehung eines Pulsars selten.
Und noch etwas war komisch. Die Umlaufperiode des Pulsarplaneten betrug genau 6 Monate. Ein halbes Jahr. Und immer dann wenn bei extraterrestrischen Phänomenen solche Perioden wie bei der Erde auftreten, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um einen Messfehler handelt. Denn die Erde bewegt sich ja um die Sonne und diese Bewegung muss man immer korrekt in den Messungen und Berechnungen berücksichtigen. Ansonsten läuft man Gefahr, nicht die Bewegung fremder Planeten zu messen, sondern die Bewegung der Erde.
Im gleichen Jahr untersuchte auch Alex Wolcszan Pulsare. Der Pulsar PSR B1257+12 lies sich durch seine Modelle nicht korrekt beschreiben. Er pulste nicht so, wie er sollte. Auch Wolcszan vermutete als Grund einen Planeten. Er war sich aber nicht sicher; vielleicht waren ja auch die Positionsmessungen des Pulsars ungenau? Wolcszan beauftragte seinen Studenten Dale Frail mit neuen Messungen. Und während Frail noch beobachtete, publizierte Lyne die Entdeckung seines Planeten.
Natürlich war Wolcszan ein wenig verärgert. Hätte er nicht auf die neuen Daten gewartet, hätte er als erster publizieren können. Aber es hat sich gelohnt, auf die neuen Daten zu warten. Denn die zeigten, dass man gleich zwei Planeten brauchte, beide viermal schwerer als die Erde, um das Verhalten des Pulsars richtig zu erklären.
Wolcszan hatte auch eine Theorie für die Entstehung solcher Planeten. Sein Pulsar war ein Millisekundenpulsar. Also ein Pulsar, der sich besonders schnell dreht. Das tut er deswegen, weil er wiedergeboren wurde. Er hatte früher mal einen Partnerstern, der besonders nahe war und von diesem Stern kann Material auf den Pulsar fallen. Dadurch wird er noch dichter und dreht sich schneller. PSR B1257+12 ist aber alleine; der Begleiter wurde also zerstört. Und die Planeten können sich aus den Resten dieses Begleitsterns gebildet haben. Sie entstanden also erst, nachdem der Pulsar entstanden war.
Die Astronomen glaubten diesen Messungen eher, weil die Perioden der Planeten kein Vielfaches des Erdjahres waren. Und dann machte Lyne etwas, was er schon viel früher machen hätte sollen. Er überprüfte die Position seines Pulsars und stellte fest, das er einen Fehler gemacht hatte. Die Position war falsch und der Planet nur ein Messfehler. Aber immerhin hat er dieses Ergebnis nicht unter den Teppich gekehrt sondern auf der großen Konferenz der amerikanischen Astronomen mit den Worten “Wir schämen uns unendlich. Es tut uns sehr leid” verkündet.
Die Planeten von Wolcszan und Frail sahen dagegen immer plausibler aus. Neue Messungen im Jahr 1993 bestätigten ihre Existenz eindeutig. Außerdem war da noch ein dritter Planet (und 2002 fand man sogar noch einen vierten) und der war nur so groß wie der Mond! Heute stellt man sich die Entstehung so vor: Ein sogenannter “Black Widow Pulsar” zerstört bei seiner Entstehung einen Partnerstern. Aus der resultierenden Trümmerscheibe enstehen dann Planeten, genauso wie sie üblicherweise auch bei normalen Sternen enstehen.
Der erste extrasolare Planet umkreiste also einen toten Stern. Und auch wenn das interessant war, war es doch nicht das, was die Astronomen eigentlich gesucht hatten. Sie wollten normale Planeten bei normalen Sternen und keine Freaks wie die Pulsarplaneten. Und sie sind Freaks! Seit damals wurde nur ein weiterer Pulsar entdeckt, der Planeten hat. Pulsarplaneten sind also ein exotischer Sonderfall aber definitiv nicht das, was man sich vorgestellt hatte, als man sich auf die Suche nach fremden Welten machte. Aber nun dauert es wirklich nicht mehr lange. Die Entdeckung der ersten echten Exoplaneten steht kurz bevor. Und was man dabei fand, war fast noch seltsamer als die Pulsarplaneten. Aber dazu mehr im nächsten Teil.
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