Ich habe schon lange nicht mehr über Astrologie geschrieben. Warum auch? Es passiert ja nichts Neues. Astrologie ist Unsinn und keine Wissenschaft. Ginge es um Astronomie, könnte ich jeden Tag ein paar Dutzend Artikel über interessante neue Forschungsergebnisse schreiben. Die Wissenschaft findet Tag für Tag ein wenig mehr über unsere Welt heraus. Die Astrologie liefert keine neue Erkenntnisse. Und das merkt man selten so gut, wie nach großen Katastrophen. Immer wenn auf der Welt irgendetwas Dramatisches passiert, sind die Astrologen sofort zur Stelle. Natürlich erst hinterher und dann erklären sie uns, warum es ganz klar und eindeutig ist, dass es passiert ist. Dieses “Wissen” wollen sie aus der Stellung der Planeten bekommen haben. Die Bewegung der Himmelskörper ist etwas, das die Astronomen ziemlich gut verstehen. Wir können sehr exakt vorhersagen, wie sich die Planeten bewegen und wie sie zu bestimmten Zeiten am Himmel zu sehen sind. Zum Beispiel am 15. April 2013 um 14:50 Ortszeit als in Boston Bomben explodierten und Menschen umbrachten. Trotzdem und so wie bei allen anderen großen Katastrophen hat es wieder einmal kein Astrologe geschafft, schon vorher das im Horoskop zu sehen, was nun nachher alle angeblich so klar und eindeutig sehen können. Das hält die Astrologen aber nicht ab, wieder einmal die Katastrophen für ihre Zwecke zu nutzen und zu “demonstrieren”, was die Astrologie kann. Angeblich kann, denn man sieht an diesen Beispielen sehr schön, warum die Astrologie nicht funktioniert.
Man braucht nur kurz im Internet zu suchen und findet sofort jede Menge “Erklärungen”. Die “Astrologie-Zeitung” (WebCite) meint zu wissen, dass eine “Sonne-Mars-Konjunktion” der “Auslöser” für den Anschlag ist. Und man schreibt dort:
“Hätte man mit diesem Hintergrundwissen nun den Veranstaltern empfohlen, den diesjährigen Marathon abzusagen? Zumindest hätte man wohl versucht, den Zeitpunkt zu verlegen, um die aggressive Grundtendenz abzuschwächen. Ein Beginn nach der Exaktheit der mundanen Sonne-Mars Konjunktion, sowie nach dem Transitquadrat von Neptun auf Mond, wäre angeraten gewesen. Aber ohne Vertrauen in das astrologische Zeitmodell wäre diesem Rat trotzdem niemand gefolgt.”
Ja. Nicht die Astrologen sind schuld, sondern die bösen Leute, denen das Vertrauen in das “astrologische Zeitmodell” fehlt. Ich habe einen Vorschlag, liebe Astrologen: Sagt doch das nächste Mal vorher Bescheid! Dann wird vermutlich auch niemand auf euch hören. Aber danach könnt ihr dann sagen: “Wir haben es vorhergesagt! Hättet ihr mal auf uns gehört!”. Und wenn ihr dann das nächste Mal eine Warnung habt, dann hört man euch vielleicht aufmerksamer zu. Und wenn auch diese Vorhersage stimmt, dann wird das Vertrauen in das “astrologische Zeitmodell” immer größer werden. Man vertraut der Astrologie deswegen nicht, weil ihr immer nur hinterher wisst, was ihr vorher angeblich vorhersagen hättet können! Leistet doch einmal das, was ihr behauptet zu können. Dann klappt es auch mit dem Vertrauen!
Der Allround-Esoteriker Alexander Gottwald (WebCite) meint dagegen, ganz andere Gründe für den Anschlag gefunden zu haben:
“Im Horoskop des Ereignisses von Boston finden sich viele Hinweise darauf, dass es sich um eine Art Dienst am Tod (Jungfrau AC Konjunktion Orcus) , ein Ritual der Opferung von Menschen in der Öffentlichkeit (Mond-Vesta-Konjunktion im 10. Haus), eine öffentliche Täuschung (Neptun am DC im 7. Haus), sowie einen Angriff der internationelen Kabale der Herrschenden auf die eigene Bevölkerung (Sonne in 9 als Herrscher von Löwe in 12) und eine Unterdrückung der vitalen Impulse der Menschen durch ein satanisches Ritual (Saturn im Skorpion im 3. Haus und das im 1 1/2 Quadrat zu Mond-Vesta s.o.) handelt.”
Es war also kein echter terroristischer Anschlag, sondern ein satanisches Ritual irgendeiner verschwörerischen Gruppe, die in Wahrheit die Macht auf der Welt ausübt oder so irgendwie. Und wieder fragt man sich: Wieso wird das erst nachher enthüllt? Wenn doch alles so eindeutig im Horoskop zu sehen ist, wieso merkt man das nicht früher? Die Astrologie existiert doch schon so lange und ist angeblich so mächtig und kann so viel. Da kann es doch nicht so schwer sein, wenigstens einmal so ein Ereignis im voraus zu veröffentlichen. Man kann sicher ein paar Computerprogramme schreiben, die anhand der ja bekannten Planetenpositionen nach “gefährlichen” Konstellationen suchen? Ok, das kostet wahrscheinlich viel Zeit und Mühe. Aber man stelle sich nur vor, was man damit für die Astrologie leisten könnte! Dumme Leute wie ich, die andauernd über Astrologie meckern, müssten sich eingestehen, dass sie sich geirrt hätten! Die Astrologie könnte endlich ihren rechtmäßigen Platz unter den Wissenschaften einnehmen! Astrologen würden nicht mehr in die Esoterikecke gestellt und ausgelacht! Und Menschenleben könnte man auch noch retten…
Aber dazu müsste man sich erstmal einig sein, was die Dinge am Himmel zu bedeuten haben. Die Astrologin des “astro-salon” meint zum Beispiel (WebCite), die Zwillinge wären schuld am Anschlag.
“Im Horoskop des Anschlages vom 11. September 2001 und dem Horoskop des Boston-Marathon-Anschlags suche ich die Wiederholung. Die Wiederholung liegt auf 15° Zwillinge. Im Horoskop vom 11. September stand Saturn auf 15 ° Zwillinge und diesmal ist es Jupiter.”
Hier sieht man nochmal sehr schön, was ich in meinem früheren Artikel ausführlich erklärt habe: Astrologie ist völlig beliebig und hat keine konsistente logische Grundlage. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, wie die Planeten im Horoskop angeordnet sein können. Dieser in Konjunktion zu jenem, jener in Opposition zu diesem und alle können in irgendwelchen Häusern und irgendwelchen Beziehungen zu irgendwelchen Sternbildern stehen. Alles ist möglich und deswegen kann man auch alles finden. Hinterher natürlich. Ein Horoskop, mit all seinen verschiedenen Möglichkeiten und den unklaren Definitionen hat das Potential, alles vorherzusagen. Und ist damit gleichzeitig wertlos. Denn man braucht eine Methode, um zu wissen, welche der unzähligen Informationen die im Horoskop stecken relevant sind und welche nicht. Und das weiß man immer erst hinterher. Wenn etwas schon passiert ist, dann fällt es leicht, auf das Horoskop zu blicken und sich von all den Möglichkeiten genau die heraus zu suchen, die zu dem passen, was man erklären will. Genau das tun die Astrologen und genau deswegen ist es für sie nicht möglich, ein Ereignis wie den Anschlag von Boston vorherzusagen. Sie mussten erst wissen, dass der Anschlag stattgefunden hat um zu wissen, was sie im Horoskop finden wollen.
Die Astrologie leidet (neben vielen anderen Dingen) an einem Mangel an Statistik. Ich habe das in diesem Artikel sehr ausführlich anhand der Vorhersage von Erdbeben beschrieben. Das ist ja auch etwas, das Astrologen gerne tun; nachdem das Erdbeben stattgefunden hat natürlich. Das große Beben von Haiti im Jahr 2010 hat das deutlich gezeigt. Wenn die Astrologin des astro-salon meint, es würde auf einen Anschlag deuten, wenn ein Planet auf “15° Zwilling” steht, dann reicht es nicht aus, zwei Fälle zu betrachten (vor allem nicht, wenn man die These erst hinterher formuliert). Man müsste nachsehen, wie oft ein Planet in genau dieser Position steht. Man muss nachsehen, wie oft zu diesen Zeitpunkten ein Anschlag stattgefunden hat. Und wie oft nicht. Astrologen picken sich die Ereignisse und Konstellationen heraus, die zu dem passen, was sie erklären wollen. Den ganzen Rest ignorieren sie. Mit dieser “Methode” kann man wunderbar nachträglich alles mögliche “erklären” und die Astrologie kann es besonders gut. Sie bietet ja eine Vielzahl an Möglichkeiten, unter denen man wählen kann. Irgendwas wird sich schon finden, dass auf die aktuelle Situation passt. Aber vorhersagen kann man damit nichts. Dazu müsste man eine Idee haben, was wirklich passiert. Man müsste ein konsistentes Modell der Bedeutungen und Interpretationen haben und das hat man nicht.
Beim astro-salon waren es Jupiter, Saturn und 15° Zwilling, die passend für eine “Erklärung” gefunden wurden. In einem englischsprachigen “Astroblog” ((WebCite) sind es dagegen Saturn, Pluto und Uranus:
“Essentially, Saturn linked to Pluto in any sign combination has much destructive, transformational potential. Deaths and extreme life changing events are accentuated when this energy combination prevails, The desire for control & retaliation is pronounced.”
Bei “Stellar Insights Astrology (WebCite) ist dagegen Neptun schuld:
“Neptune setting about 6 minutes after explosions at the finish line of todays Boston Marathon suggests some kind of terrorism- but it’s not exactly clear what kind of terrorism.”
Und bei den “Planet Waves” (WebCite) sind auch noch der Mond und der Asteroid Vesta beteiligt (was übrigens wieder auf einen vorgetäuschten Anschlag hindeutet).
Ich könnte noch weiter im Internet herum suchen und noch jede Menge weitere astrologische “Analysen” präsentieren, die genau “erklären”, warum der Anschlag von Boston ganz eindeutig am 15. April 2013 um 14:50 stattfinden musste. Vermutlich werden mich einige Kritiker nun darauf hinweisen wollen, dass diese und die von mir zitierten Astrologen alle nicht seriös sind. Falls ja, dann würde ich mir sehr freuen, wenn mir endlich jemand erklären kann, wie man seriöse Astrologen erkennt…
Astrologie funktioniert nicht. Astrologie basiert auf der Bewegung der Himmelskörper. Die Astronomen wissen darüber schon lange Bescheid. Wir können die Bewegung der Planet äußerst exakt vorhersagen, so exakt, dass wir Raumsonden punktgenau zu fremden Planeten schicken können, die noch ganz woanders waren, als die Rakete von der Erde gestartet wurde. Es ist absolut kein Problem, die Position der Planeten für die nächsten 100 Jahre zu bestimmen. Dazu braucht man nicht mal Astronom zu sein; für sowas gibt es leicht zu bedienende Computerprogramme. Trotzdem hat es noch kein Astrologe geschafft, irgendeines der Ereignisse konkret vorherzusagen, die sie danach immer so schnell “erklären” können (von wertlosen “Vorhersagen” der Form: “In Asien wird es 2013 eine Naturkatastrophe geben” mal abgesehen). Das Horoskop aber ändert sich ja nicht. Die exakte Position der Planeten für den 15. April 2013 war am 15. März 2013 genauso bekannt wie am 15. April 2012 oder am 15. April 2002. Zu jedem dieser Zeitpunkte hätte man genau das gleiche Horoskop ausdrucken können, das jetzt alle Astrologen vor sich liegen haben und “analysieren”. Aber vor dem 15. April 2013 hätte kein Astrologe darin irgendetwas über einen Anschlag in Boston herauslesen können. Im Horoskop findet sich immer nur das, was der Astrologe finden möchte. Und das ist immer nur das, was der Astrologe schon vorher weiß.
Die widerliche astrologische Leichenfledderei die immer einsetzt, wenn irgendwo Katastrophen passieren, wird leider so schnell nicht aufhören. Aber es wäre schön, wenn die Menschen irgendwann mal merken würden, dass all das Gerede von Konjunktionen, Häusern und Aszendenten nichts erklärt und noch keine einzige Katastrophe auf dieser Welt verhindert hat.
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