In diesem Artikel folgt auf eine ausführliche Einleitung von mir ein Gastbeitrag von Elisabeth Guggenberger
Ich habe im September 1995 mit meinem Studium am Institut für Astronomie der Universität Wien begonnen und die Universitätssternwarte erst fast 10 Jahre später, im März 2005 verlassen als ich meine Stelle an der Uni Jena angetreten habe. Ich habe viel Zeit an der Sternwarte in Wien verbracht und bin sehr froh darüber. Nicht nur, weil ich dort viel gelernt und viele Freunde gefunden habe, sondern auch, weil die Unisternwarte eine wunderschöner Arbeitsplatz ist. Die Universitätssternwarte wurde 1883 eröffnet und war damals so wie heute das größte baulich geschlossene Sternwartengebäude der Welt. Nur das Teleskop ist nicht mehr das größte der Welt (es gehört aber immer noch zu den 10 größten Linsenfernrohren die es gibt). Das Gebäude ist wunderbar und kein Vergleich zu den üblichen Uni-Zweckbauten, in denen mal sein Leben als Student oder Wissenschaftler anderswo meistens verbringen muss. Besonders toll ist aber der Park, der die Sternwarte umgibt.
Die meisten Sternwarten sind von Bäumen umgeben. Sie halten die Luft halbwegs ruhig, staubfrei und regulieren die Temperatur. Denn unruhige Luft behindert die Beobachtung massiv (Astronomen nennen das “Seeing”) und das will man vermeiden. Der “Park” der Sternwarte ist allerdings kein normaler Park. Er ist im wesentlichen ein Urwald. Es gibt zwei große Wege, die von den Eingangstoren zu den Hauptgebäuden führen, aber der Rest des 5,8 Hektar großen Gebiets ist in den letzten 130 Jahren kaum angerührt worden. Wenn ein Baum umgefallen ist, blieb er liegen. Wenn das Gras gewachsen ist, dann wuchs es eben. Der Park war eine wunderbare Wildnis, in der man Tiere und Pflanzen finden konnte, die es anderswo in Österreich kaum und in einer Großstadt wie Wien schon gar nicht gibt. Das Gelände war für die Öffentlichkeit gesperrt und die Uni-Mitarbeiter waren ebenfalls angehalten, die Hauptwege nicht zu verlassen. Der Park war als “Naturdenkmal” geschützt.
Vor einiger Zeit aber hat es sich die österreichische Kronen Zeitung (das Pendant zur deutschen BILD-Zeitung und genauso so skrupellos und eklig) in den Kopf gesetzt, dass dieser Park auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen muss. Warum, das weiß keiner so genau. Wenig mehr als 100 Meter vom Sternwartepark liegt der riesengroße Türkenschanzpark mit Restaurants, Wiesen, Spielplätzen, nem See und all dem anderen Kram, den man sich in einem Erholungspark wünscht. Und wer die Wildnis im Sternwartepark sehen wollte, konnte das im Rahmen von Führungen und Besuchen auch bisher immer schon tun.
Leider sind die Politiker in Österreich geneigt, immer das zu tun was die Kronenzeitung will und haben beschlossen, dass der Park trotzdem öffentlich werden soll. Letztes Jahr wurde aber noch versichert, dass dafür keine Bäume gefällt oder das Naturdenkmal sonst wie beschädigt wurde. Vor ein paar Tagen tauchten dann aber unangekündigt ein paar Waldarbeiter im Sternwartepark auf und fingen an, Bäume zu fällen. Es wurde Unterholz entfernt, Büsche zurück geschnitten und neue Wege angelegt. Anscheinend will man nun anstatt des Urwalds nun doch einen konventionellen Park haben (und die Gastronomen haben schon Bescheid gesagt, dass sie im Sternwartepark gerne ein Restaurant o.Ä. eröffnen wollen)…
Ich arbeite zwar nicht mehr an der Sternwarte in Wien, finde es aber doch ziemlich traurig, dass so ein wunderschönes Stück Natur aus undurchsichtigen politischen Gründen einfach so ruiniert wird. Abgesehen von der Kronen Zeitung wollte niemand die Öffnung haben. Die Anrainer rund um die Sternwarte protestieren genauso gegen den unangekündigten Kahlschlag wie die Uni-Mitarbeiter.
Wer mehr Informationen zu dem ganzen Thema will, kann sich bei Facebook die Seite der Bürgerinitiative “Rettet den Sternwartepark” ansehen, einen aktuellen Artikel im “Standard” lesen oder die ganze Geschichte hier nachlesen und sich jede Menge Fotos dazu ansehen.
Ich selbst verfolge die Vorgänge nur aus der Ferne, die Astronomin Elisabeth Guggenberger ist allerdings vor Ort und hat einen Gastbeitrag verfasst, in dem sie aus ihrer Sicht schildert, was derzeit im Wiener Sternwartepark passiert.
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(Hoffentlich kein) Nachruf an den Sternwartepark
Gastbeitrag von Elisabeth Guggenberger
Ich kann es kaum in Worte fassen wie mir momentan das Herz blutet.
Seit etwa 10 Jahren kenne ich jetzt den Sternwartepark in Wien Währing, erst aus meiner Studienzeit am Institut für Astronomie, jetzt als das Areal das meinen Arbeitsplatz umgibt. Obwohl ich zwar wusste, dass mir dieser Ort etwas besonderes ist, war mir nicht klar wie schlimm es werden würde und wie sehr es mir in der Seele weh tut wenn ich jetzt die Motorsägen höre und das splitternde Holz.
Als Naturdenkmal 713 steht (oder stand?) dieses Areal unter einem besonderen Schutz. Die alten Bäume durften dort vermodern, der Wald war ungestört, in das Ökosystem war seit etwa 130 Jahren - denn etwa so lange gibt es die Sternwarte samt dem umgebenden Areal schon – kaum eingegriffen worden. In diesem kleinen Stück echter Wildnis mitten in Wien lebten Dachse, Füchse, verschiedenste Vögel (deutlich mehr verschiedene Spechtarten als ich benennen kann), und sogar ein Waldkauz!
Meistens wenn ich abends mal länger im Büro blieb, konnte ich nach Einbruch der Dunkelheit draußen vor meinem Fenster den Kauz rufen hören, wie als Erinnerung dass ich es zu spät habe werden lassen. Manchmal konnte ich ihn über mir fliegen sehen wenn ich mich endlich auf den Heimweg machte. Und manchmal wenn es länger dauerte, oder nach einer Nacht am Teleskop, begegnete ich am Heimweg auf dem kaum beleuchteten Weglein dem Dachs.
Das Areal war hinter verschlossenen Mauern. Auch Mitarbeiter durften es nur auf wenigen gekennzeichneten Wegen durchqueren. Und damit sind wir auch schon bei den Problemen.
Vor etwa einem Jahr begann eine Kampagne der Kronenzeitung zur Öffnung des Parkes. Das weckte in vielen Freunden des Sternwarteparks von Anfang an große Sorge. Nicht, weil wir es den Leuten nicht gönnen würden, sich an der ursprünglichen Wildnis zu erfreuen, ganz und gar nicht. Ich würde mir vielmehr sogar wünschen, wenn die Leute in der Stadt sich mehr für Natur interessieren würden, und ich bin sehr dafür, dass man sich dieses Areal ansehen sollte!
Nun ist es aber so, dass wir leider in einer sicherheitsfanatischen Gesellschaft leben, in der uns nicht einmal mehr die Freiheit gegeben ist, in Eigenverantwortlichkeit neben einem morschen Baum vorbeizugehen. Alles muss heute Normen entsprechen und auf Sicherheit geprüft sein. Unter diesem Gesichtspunkt war eines völlig klar: nämlich dass man den Sternwartepark in seinem ursprünglichen, naturnahen Zustand nicht öffnen kann. Zu viele hohle Bäume könnten beim nächsten Sturm umfallen, so viele Äste auf die Wege stürzen. Es regte sich die Sorge, dass es durch Maßnahmen für die Sicherheit der Besucher zu massiven Veränderungen kommen könnte, die das Landschaftsbild und das Ökosystem zerstören. Dass der Urwald umgewandelt werden könnte in einen banalen Landschaftsgarten mit gepflegten Wegen und genormten Baumabständen, zu einem Park wie es sie zu hunderten schon in Wien gibt. Übrigens nicht nur irgendwo in Wien, sondern exakt 130 m neben dem Sternwartepark. Das habe ich gerade selbst noch mal im Stadtplan nachgemessen. Dort liegt nämlich der sogenannte Türkenschanzpark mit seinen Liegewiesen, Teichen, Volleyballplätzen, Spielplätzen, Skateparks, und seinen – sage und schreibe – 150.000 Quadratmetern Fläche. Der Sternwartepark hat nur ein Drittel dieser Größe.
Auch eignet sich der Sternwartepark ja gar nicht für solche Dinge wie zum in der Sonne liegen, denn das Areal ist zum größten Teil dicht bewaldet. Mir reichlich Unterholz wie es die Wildtiere als Versteck und als Behausung lieben, aber wie es die Menschen zum Spazieren gehen gar nicht lieben.
Für die Anrainer geschieht diese Öffnung des Parks also nicht. Wenn die ins Grüne wollten, mussten sie entweder nur einen Schritt vor ihre Villa in ihr Anwesen setzen (ja richtig, der Sternwartepark liegt in einem Villenviertel) oder sie gingen die zwei Minuten zum Türkenschanzpark .
Als sich der Widerstand gegen die Öffnung formierte, waren es aus diesem Grund sogar die Anrainer, die den Verein “Rettet des Sternwartepark” gründeten, den Verein der sich für den Erhalt des Naturdenkmals in seinem ursprünglichen Zustand einsetzte und jeden Eingriff ablehnte! Und wer sich für den Sternwartepark im Speziellen interessierte, hat ihn bei ohnedies immer schon bei den regelmäßig abgehaltenen Führungen besichtigen können oder konnte während der Uni-Öffnungszeiten einfach hineingehen, so wie es Mitarbeiter, Studenten, Lieferanten etc ja auch taten.
Von offizieller Seite wurde die Sorgen jedenfalls immer wieder beschwichtigt: “Die Grünflächen sollen in einem ursprünglichen, naturnahen Zustand bleiben, also nicht umgestaltet werden”, sagt BIG-Pressesprecher Ernst Eichinger zur Tageszeitung Standard, und “Die Anlage bleibt im naturnahen Zustand erhalten, es wird keine Asphaltierungen oder Rodungen geben”. Heißt es auf der offiziellen Homepage der Stadtregierung.
Also verstummte nach und nach der Protest. Bis vor wenigen Tagen jedenfalls, als ohne jede Ankündigung die Forstarbeiter kamen. Seither wird jetzt, mitten in der Hauptbrutzeit der Vögel, geschlägert und gefällt. Das Röhren der Motorsägen begleitet seither den Büroalltag, hin und wieder unterbrochen vom Splittern der stürzenden Bäume. Große Maschinen fahren durch den Wald, zerkleinern Baumstämme, transportieren Totholz ab. Auf Anfrage teilte man uns mit, dass 46 Bäume gefällt werden weil sie zu nahe an den Wegen stünden. Eine Sicherheitsmaßnahme natürlich. Auch die Kronenzeitung – in die Defensive gedrängt (das erlebt man selten!) – schreibt beschwichtigend, gar nichts wäre zerstört worden, es wären ja eh nur Baumleichen gefällt worden.
Nun muss man aber wissen, warum denn das Sternwarteareal eigentlich Naturdenkmal ist. Was unterscheidet denn diesen Wald von anderen, so dass er einen Schutzstatus bekommen hat, und andere nicht? Auch das kann man auf der Homepage der Stadt Wien nachlesen:
Landschaftsschutzgebiet Währing Parkanlagen (Teil C)
Schutzziel:
Erhaltung und Förderung naturnaher Strukturen im Rahmen der historischen Parkanlage des Türkenschanzparks, die Erhaltung von Altholz und Hohlbäumen im Bereich des Naturdenkmales “Sternwartepark”.
Die Erhaltung von Altholz und Hohlbäumen also. Und genau diese beiden Dinge werden jetzt umgeschnitten, zerlegt und mit schweren Maschinen hinausgeschafft. Ironischerweise passiert das, obwohl auch die Österreichischen Bundesforste seit einigen Jahren für den Erhalt von Totholz mobil machen (siehe Presseaussendung ”Kein Leben ohne Totholz”) und obwohl wir in Wien derzeit zum ersten Mal eine rot-grüne Koalition in der Stadtregierung haben, sodass man hätte meinen könnte, die Wiener Natur wäre in guten Händen.
Man kann diesen Faden natürlich auch weiterspinnen, wenn man möchte. Was ist denn, wenn jetzt alles, was die Besonderheit des Areals ausmacht und einen Schutz rechtfertigt, erfolgreich beseitigt wird? Was würde passieren, wenn dann jemand den Status als Naturdenkmal in Frage stellt und ein Gutachten einfordert? Wie weit ist es von hier noch bis zu einer Umwidmung des Areals? Lecken sich schon potentielle Interessenten die Lippen? Ich bin ja eigentlich keine Freundin von Verschwörungstheorien, aber momentan schlägt sich wohl die Zerstörung aufs Gemüt, die ich seit Tagen unfreiwillig mit ansehen muss.
Ich hoffe jedenfalls, dass die Maßnahmen die jetzt gesetzt wurden kein fataler Schritt weg vom Biotop und hin zum begehrten Baugrund waren, und dass dieser Artikel kein Nachruf an das Wiener Naturdenkmal 713 sein wird, sondern das bleibt was er jetzt ist: ein Hilferuf um weiteren Wahnsinn zu stoppen.
Und der Waldkauz? Es ist 20:30, ich bin lang im Büro geblieben. Eigentlich ist Käuzchenzeit, aber vor meinem Fenster ist es still wie in einem Grab.
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