Neue Dinge kommen selten mitten aus dem Nichts; das ist bei Erfindungen genau so wie bei wissenschaftlichen Theorien. Wer als “der Erfinder” gilt, ist oft Zufall bzw. hängt von den historischen Umständen und den Vermarktungsfähigkeiten ab. Statt Bell könnte man genauso gut Reis als Erfinder des Telefons bezeichnen oder Gustav Weißkopf als den Erfinder des Motorflugs anstatt der Gebrüder Wright. Natürlich gilt das nicht immer. Zum Beispiel kursierten verschiedene grundlegende Ideen zu Evolutionstheorie oder Relativitätstheorie schon lange bevor Charles Darwin und Albert Einstein ihre entsprechenden Arbeiten veröffentlichten. Aber vor Darwin und Einstein gab es eben niemand, der alle Puzzlesteine vernünftig zusammengefügen konnte. Vor Einstein gab es niemanden, der die Sache mit der Relativität konsequent zu Ende gedacht und sich vor allem getraut hat, das Prinzip beinhart physikalisch umzusetzen. Gleiches gilt für Darwins Idee über die Evolution. James Watt hat die Dampfmaschine nicht erfunden aber sich so intensiv Gedanken über die dahinter stehende Physik gemacht, dass er die Dinger entscheidend verbessern und damit überall auf der Welt verbreiten konnte.
Dass es “den Erfinder” des Fernsehens nicht gibt, zeigt uns, wie komplex die Technik und die Wissenschaft ist, die dahinter steckt. Es mussten so viele verschiedene Konzepte zusammenkommen (dazu zählt übrigens auch die spezielle Relativitätstheorie von Einstein; hätte man bei den Röhrengeräten die relativistische Massezunahme der Elektronen nicht berücksichtigt, gäbe es kein scharfes Bild) und so viele technische Innovationen zusammengefügt werden, dass es höchst erstaunlich wäre, wenn eine einzige Person das alles im Alleingang erledigt. Der “einsame Bastler” (seltsamerweise ist es nie eine einsame Bastlerin) der in seiner Garage das nächste große Ding zusammenschraubt, das die Welt revolutioniert, mag ein romantisches Klischee sein. Und wenn es überhaupt irgendwann in der Geschichte mal gestimmt hat, hat es schon lange nichts mehr mit der Realität zu tun. Wissenschaft ist ein großes Gemeinschaftsprojekt und nichts für Einzelgänger.
So geht es weiter
Morgen sitze ich wieder auf dem Fahrrad und begebe mich auf das letzte Stück meiner Reise. Es geht noch weiter nach Norden zum Tagesziel in Glückstadt.
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