Ich habe gestern schon erzählt, dass ich gerade in Stockholm bin. Dort findet ein Workshop für Wissenschaftsautoren statt. Es steht dabei nicht so sehr das Schreiben von Büchern und Texten im Vordergrund, sondern die Wissenschaft. Verschiedene Wissenschaftler berichten über die Gebiete der Astronomie, in denen derzeit besonders viel passiert.
Der erste von ihnen war John Barrow von der Universität Cambridge, der heute Vormittag über das expandierende Universum, die kosmologische Konstante und die dunkle Energie gesprochen hat. Barrow ist nicht nur Wissenschaftler, sondern hat selbst auch Bücher geschrieben, zum Beispiel “Das Buch der Universen” oder “Einmal Unendlichkeit und zurück: Was wir über das Zeitlose und Endlose wissen”.
Über das Universum, das sich ausdehnt und die kosmologische Konstante habe ich hier im Blog auch schon geschrieben und ich werde daher die allgemeine Einleitung zu diesen Themenbereichen, die Barrow gegeben hat, nicht nochmal wiederholen. Die diversen allgemeinen Bemerkungen von Barrow, die danach folgten, waren auch viel interessanter.
Wenn man über den Urknall und das expandierende Universum in der Öffentlichkeit spricht, dann gibt es eine Reihe von Fragen, die mit Sicherheit gestellt werden. Zum Beispiel: Wenn das All expandiert, warum dehnt sich das Sonnensystem nicht aus? Oder die Erde?
Ja, wenn es ansonsten keine Kräfte im Universum geben würde, dann müsste sich alles ausdehnen. Aber das ist ja nicht der Fall. Da gibt es die elektromagnetischen und chemischen Kräfte, die die normale Materie verbinden; all die Moleküle aus denen alles besteht beispielsweise. Oder es gibt die Kernkräfte, die die Atome selbst zusammenhalten. Und die Gravitationskraft, die dafür sorgt, dass sich alle Materie gegenseitig anzieht. All das sind attraktive Kräfte, also Kräfte, deren Effekt sich in einer anziehenden Kraft äußert. Die Expansion aber ist eine abstoßende Kraft. Und was nun konkret passiert, hängt von der Stärke der Kräfte ab. Unsere Milchstraße ist eine Million mal dichter als das Hintergrunduniversum. Die Gravitation dieser ganzen Masse hält die Galaxis zusammen. Gleiches gilt für die Kräfte, die die Erde oder uns Menschen zusammenhalten. Sie sind stark genug und wir expandieren nicht. Erst auf sehr, sehr großen Skalen wird die Expansion des Alls wirksam. Als Analogie zum expandieren All wird ja oft ein Teig voller Rosinen gewählt. Dieser Teig geht auf und alle Rosinen entfernen sich voneinander. Damit das Bild (halbwegs) stimmt, müssen die Rosinen aber keine Sterne oder Galaxien sein, sondern große Galaxienhaufen. Nur sie entfernen sich voneinander.
Ebenso häufig hört man die Frage: Wohin expandiert das Universum? Und wo ist der Mittelpunkt? Dieser Frage liegt die Vorstellung zu Grunde, der Urknall wäre so etwas wie eine Explosion gewesen (und die Bezeichnung “Urknall” bzw. “Big Bang” fördert dieses Missverständnis leider noch). Klar, eine Explosion geht von einem bestimmten Punkt aus und dehnt sich in einem Medium aus. Aber so darf man sich den Urknall nicht vorstellen. Das Universum hat kein Zentrum und keinen Rand. Oder anders gesagt: Da der Raum sich ausdehnt, war früher alles näher beieinander. Und beim Urknall war jeder Ort dort, wo sich auch jeder andere Ort befand. Alle Orte waren ein Ort und dann strebten alle Orte auseinander. Man kann also auch sagen, dass JEDER Punkt im Universum der Mittelpunkt ist. Und was den Rand angeht: Das hängt davon ab, ob das All endlich oder unendlich ist. Ist es unendlich, ist es klar: Es gibt keinen Rand und keinen Mittelpunkt und ganz allgemein keinen speziellen Ort (weswegen diese Idee ja im 16. Jahrhundert von der Kirche so stark verfolgt wurde, die natürlich der Meinung war, die Erde sei das gottgeschaffene Zentrum des Universums). Und selbst ein endliches Universum hat nur dann eine Grenze, wenn es flach ist. Aber ein gekrümmtes Universum ist eine ganz andere Sache. Und die allgemeine Relativitätstheorie sagt uns, dass das Universum gekrümmt sein kann. Als Analogie kann man sich den üblichen Luftballon vorstellen. Unser Universum entspricht hier der Oberfläche des Ballons. Diese Fläche ist endlich, hat aber trotzdem keine Grenze.
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