Michael Scholz, Chef der Bücherei in Rödental, hat ja schon letztes Jahr eine tolle Bildergeschichte mit meinem Buch “Krawumm” in der Hauptrolle gebastelt. Diesmal gibt es keine Fotos, dafür aber einen äußerst lesenswerten Gastbeitrag von Michael über Kaspar Hauser, das mysteriöse Findelkind aus dem 19. Jahrhundert. Viel Spaß damit!
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1. Vorbemerkung
Es ist nun 185 Jahre her, seit auf dem Unschlittplatz in Nürnberg ein junger Mann stand, kaum fähig sich zu artikulieren, einen Zettel in der Hand. Niemand konnte ahnen, welche Geheimnisse um den jungen Mann gewoben wurden und vor allem ahnte niemand, dass sein Schicksal selbst heute noch Menschen interessieren würde. In diesen fast 200 Jahren, seit die Ereignisse in der ehemals freien Reichsstadt ihren Anfang genommen hatten, wurden mehr als 2.000 Bücher und über 15.000 Artikel über ihn verfasst. Kaspar Hauser war der Name des „rätselhaften Findlings“. Es gab zahlreiche Theorien über seine Abstammung, wovon einige selbst den deutschen Hochadel der damaligen Zeit beteiligten.
2. Das Leben Kaspar Hausers nach seiner Auffindung
Aber fangen wir am Anfang an. Es war der 26. Mai 1828, der Pfingstmontag jenes Jahres und damit Feiertag, als der Schuhmachermeister Georg Leonhard Weichmann auf dem Unschlittplatz in Nürnberg den etwa 16-jährigen Kaspar Hauser stehen sieht. Diesen Namen kennt er natürlich nicht und auch in der kurzen Unterhaltung, die die beiden führen, taucht er nicht auf. Der Junge gab an, aus Regensburg zu kommen und in die Neue Torstraße zu wollen. Er gab Weichmann einen Brief, der an den Rittmeister der 4. Eskadron im 6. Chevauxlegers-Regiment adressiert war. Der Namen des Offiziers war allerdings nicht vermerkt. Der bekannteste Satz, den der Junge sagte war „A söchtener Reuter möchte ich wern, wie mei Votter aner gwen is“. Weichmann brachte Hauser zur Wohnung von Rittmeister Friedrich von Wessenig, dem Rittmeister, an den der Brief gerichtet war.
Wessenig ließ den Jungen zur Gendarmerie verbringen, wo er befragt wurde. Als Namen schrieb er „Kaspar Hauser“. Zwar war sein Wortschatz sehr eingeschränkt, aber er konnte Gebete aufsagen, etwas lesen und wusste, was Geld ist. Auch die Papiere, die er bei sich trug wurden hier nun genauer gelesen. Im ersten Brief heißt es, dass der Knabe dem unbekannten Schreiber im Oktober 1812 „gelegt“ wurde und der ihm dann aufgezogen habe und ihm auch etwas lesen und schreiben „und das Christentum“ gelehrt habe. Da der Knabe nun ein Reiter werden wollte, habe man ihn weggebracht. Als Adresse trug der Brief die Angabe „Von der Bäierischen Gränz dass Orte ist unbenannt“.
Das zweite Schreiben stammte angeblich von der Mutter des Findlings und darin wurde angegeben, dass der Junge Kaspar heiße und am 30. April 1812 geboren sei. Als Vater wurde ein Chevauxleger des 6. Regiments angegeben, der aber bereits tot sei. Bemerkenswert war daran, dass in dem zweiten Brief der Dialektausdruck „Schwolische“ benutzt wurde, eine Dialekt-Verballhornung von „Chevauxleger“, die in den meisten fränkischen Dialekten nicht verwendet wird. Nach einem Schriftvergleich ging man aber davon aus, dass beide Zettel von derselben Person geschrieben worden waren.
Kaspar Hauser wurde ins Gefängnis „Luginsland“ verbracht, wo der Gefängniswärter Andreas Hiltel sich um ihn kümmerte. Hauser erhielt nun auch Sprach-Unterricht, wobei noch anzumerken ist, dass er seine altbaierische Dialekt-Färbung beibehielt, obschon er sich nun in einer fränkischen Umgebung aufhielt. Auch ärztlich wurde er untersucht, wobei festgehalten wurde, dass seine Muskeln unter- und seine Sinne überentwickelt seien. Auch eine Impfnarbe wurde festgestellt.
Bürgermeister Jakob Friedrich Binder führte viele Gespräche mit Kaspar, die er in einer öffentlichen Bekanntmachung vom 7. Juli 1828 veröffentlichte. Darin wurde erstmals angegeben, dass der Junge bisher in einer sitzenden Stellung in einem fast gänzlich dunklen Raum gelebt habe. Weiter heißt es, dass er während des Schlafes mit Brot und Wasser versorgt worden sei und ihm auch im Schlaf die Haare und Nägel geschnitten wurden. Die nötige Tiefe des Schlafes wurde mit Opium-Gaben erklärt. Anzeichen für einen derartig umfangreichen Opium-Mißbrauch gab es allerdings zu keiner Zeit.
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