In den Zukunftsplänen der Raumfahrtagenturen wird derzeit viel von Asteroiden geredet. Die NASA plant beispielsweise, einen Asteroiden einzufangen und zur Erde zu bringen. Und private Firmen haben vor in großem Stil Asteroidenbergbau zu betreiben. Ein Flug zu einem Asteroiden mag auf den ersten Blick nicht so aufregend klingen wie eine Mission zum Mond oder zum Mars. Aber die Kleinkörper im Sonnensystem sind trotzdem lohnende Ziele. Die erdnahen Asteroide können viel leichte erreicht werden als zum Beispiel der Mars; es ist viel leichter dort zu landen und wenn man irgendwann tatsächlich ernsthafte bemannte Raumfahrt betreiben will, dann kommt man um die Asteroiden nicht herum.
Das Problem mit der Raumfahrt ist die Gravitation. Alles was wir im All brauchen müssen wir derzeit von der Erde dorthin transportieren. Und das ist teuer, kompliziert und aufwendig, da unsere Raketen Unmengen an Treibstoff benötigen, um auch nur kleine Mengen an Material in einen Orbit zu bringen. Das macht größere Unternehmungen – zum Beispiel den Bau einer Raumstation, die diesen Namen auch verdient oder die Konstruktion eines Solar-Kraftwerks im All – völlig illusorisch. Wir könnte einen Weltraumlift bauen – der würde das Problem lösen. Aber das ist derzeit leider ebenfalls illusorisch (eher aus politischen Gründen; technisch ist man schon fast so weit so ein Ding wirklich bauen zu können). Die einzige Alternative besteht darin, sich die Rohstoffe direkt im All zu besorgen. Und da kommen die Asteroiden ins Spiel.
Sie enthalten so gut wie alles, was man im All braucht. Vor allem Eis, das Trinkwasser liefert oder, aufgespalten in Wasserstoff und Sauerstoff, Atemluft und Treibstoff. Man kann die übrigen Rohstoffe der Asteroiden nutzen um alles mögliche daraus zu bauen – oder den Asteroiden einfach nur aushöhlen und wahlweise als Raumstation oder Raumschiff benutzen.
So weit sind die Pläne natürlich noch nicht gediehen. Aber für den Anfang reicht es auch schon, wenn wir so einen Asteroiden mal aus der Nähe und in Ruhe untersuchen können. Dabei lernen wir nicht nur etwas über die Entstehung der Planeten (die Asteroiden sind ja der übrig gebliebene “Bauschutt”) sondern verstehen auch besser, wie man für die Erde eventuell gefährliche Asteroiden abwehren kann.
Es wäre also praktisch, wenn man einen Asteroiden einfangen kann. Rein theoretisch ist das kein Problem. Man muss “nur” seine Bahn so verändern, dass er um die Erde kreist, dann kann er von uns dort in Ruhe untersucht werden. Entsprechende theoretische Berechnungen sind nicht schwer. Die Praxis ist natürlich eine andere Sache. Irgendwie muss man die Dinger ja bewegen…
Es gibt zwei Möglichkeiten, um etwas durchs All zu steuern. Hat man beliebig viel Treibstoff zur Verfügung, dann ist die Sache recht einfach. Man richtet das vordere Ende seines Raumschiffs/Asteroiden in die Richtung in die man fliegen will, und gibt Gas! Aber das ist praktisch nicht umsetzbar, weil man kaum genug Treibstoff ins All bringen kann um den Antrieb dauerhaft zu betreiben. Man muss also die Gravitation der Sonne die Arbeit erledigen lassen. Sich selbst überlassen folgen Himmelskörper (in erster Näherung) den Bahnen, die ihnen die Keplerschen Gesetze vorgeben. Will man einen Asteroiden in Richtung der Erde bringen, dann muss man seine Bahn so verändern, dass sie an der Erde vorbei führt. Und das bedeutet, dass man seine Geschwindigkeit ändern muss. Man muss dann nur so lange “Gas geben”, bis die veränderte Geschwindigkeit genau der entspricht, die die Keplergesetze für die gewünschte Bahn fordern. Dann kann man den Antrieb abstellen und wieder die Gravitationskraft der Sonne übernehmen lassen.
Drei Wissenschaftler von der schottischen University of Strathclyde haben sich die bisher bekannten erdnahen Asteroiden mal ganz genau angesehen und überprüft, welche davon wir mit der heutigen Technik bewegen könnten. Die Ergebnisse kann man in ihrem Artikel “Easily Retrievable Objects among the NEO Population” nachlesen. Sie gehen dabei davon aus, dass wir die Geschwindigkeit maximal um einen Faktor von 500 Meter pro Sekunde verändern können und das wir die Asteroiden in eine Bahn um die Lagrange-Punkte L1 oder L2 des Erde-Sonne-Systems bringen wollen. Das sind zwei der insgesamt fünf Lagrange-Punkte an denen sich alle wirkenden Kräfte von Sonne und Erde genau aufheben. Auf diesen “Parkplätzen” im All haben wir auch schon einige Raumsonden platziert – zum Beispiel das Sonnenobservatorium SOHO oder das Mikrowellenteleskop Planck. Dort platzierte Asteroiden wären für uns gut erreichbar (man müsste ihre Bahn allerdings ständig korrigieren, da die Punkte L1, L2 und L3 nicht stabil sind und die Objekte sich ohne Korrektur schnell von ihnen entfernen; nur L4 und L5 sind dauerhaft stabil – aber schlechter zu erreichen).
Sie fanden insgesamt 12 Asteroiden, die alle Kriterien erfüllen. Die meisten von ihnen sind nur wenige Meter groß; der größte ist 2000 SG344 mit einem Durchmesser der zwischen 20 und 65 Metern liegt. Diese neue Gruppe von Himmelskörpern wird “Easily Retrievable Objects (EROs)” genannt. Asteroiden einzufangen ist also nicht nur theoretisch und praktisch möglich. Es gibt sogar schon mindestens 12 Objekte, die nur darauf warten, von uns geschnappt und zur Erde transportiert zu werden (es werden natürlich in Wahrheit viel mehr sein, aber von den kleinen Asteroiden kennen wir bis jetzt nur sehr wenige). Ob das auch tatsächlich passieren wird, ist eine andere Sache. Die NASA hat schon jede Menge Missionen geplant und wieder gestrichen. Und die Pläne der privaten Firmen sind für meinen Geschmäck viel zu spektakulär und zu wenig von konkreten Fakten untermauert um sie ernst nehmen zu können. Aber wer weiß… WENN wir die Raumfahrt weiter führen wollen und wenn wir sie besser und effizienter machen wollen als sie heute ist, dann bleibt uns keine andere Wahl als irgendwann auch einmal die Asteroiden zu besuchen!
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