“Leben im All entdeckt!” – so steht es heute dick und fett auf der Titelseite der BILD-Zeitung. Und “Es könnte die Wissenschaftssensation des Jahres werden.” führt der Artikel weiter aus. Nun, wenn man tatsächlich außerirdisches Leben entdeckt hätte, dann wäre das nicht die Wissenschaftssensation des Jahres. Es wäre die bedeutendste wissenschaftliche Entdeckung in der Geschichte der Menschheit. Allerdings ist die Sensation leider nicht so sensationell wie die Schlagzeilen vermuten lassen. Das, was man da angeblich entdeckt hat, hat mit außerirdischen Leben vermutlich nicht viel zu tun.
Die Geschichte um die es geht, ist nicht wirklich neu. Professor Milton Wainwright von der britischen Universität Sheffield hat die Entdeckung von außerirdischem Leben verkündet. Keine intelligenten Aliens in Raumschiffen oder so etwas in der Art. Man hat einen Ballon in die Stratosphäre (ungefähr 22 bis 27 Kilometer über dem Erdboden) geschickt und dort Luftproben genommen. Darin wollen Wainwright und seine Kollegen Kieselalgen entdeckt haben. Diese Lebewesen sollen ihrer Meinung nach aus dem Weltall stammen.
Eine starke Behauptung, die starke Belege benötigt. Nur die gibt es leider nicht. Die entsprechende Facharbeit dazu (“Isolation of a Diatom Frustule Fragment from the Lower Stratosphere (22-27Km)-Evidence for a Cosmic Origin”) wurde im “Journal of Cosmology” veröffentlicht. Das klingt zwar wie eine seriöse Fachzeitschrift, ist aber eine Publikation mit zweifelhaftem Ruf, in der immer wieder Artikel veröffentlicht werden, die nicht den wissenschaftlichen Standards entsprechen (und deren Umgang mit Kritik alles andere als professionell ist). Ko-Autor der Arbeit ist Chandra Wickramasinghe, der in der Vergangenheit schon einige Male ähnliche Behauptungen aufgestellt hat: Immer wieder will er außerirdische Bakterien und Kieselagen entdeckt haben; das letzte Mal in einem angeblichen Meteoriten. Ich habe damals ausführlich darüber berichtet und erklärt, warum die Ergebnisse nicht sehr vertrauenswürdig sind. Die gleiche Kritik kann man auch an der neuen Arbeit üben.
Wickramasinghe geht von einer These aus, die vor langer Zeit vom berühmten Astronomen Fred Hoyle entwickelt wurde: Leben existiert nicht nur auf Planeten, sondern direkt im Weltall. Der kosmische Staub zwischen den Planeten und Sternen ist voll mit gefriergetrockneten Bakterien und anderen Kleinstlebewesen. Ab und zu gelangen diese Lebewesen auf einen passenden Planeten und setzen dort das Leben in Gang. Hoyle und Wickramasinghe waren zum Beispiel der Meinung, dass viele Seuchen und Epidemien der Vergangenheit durch Meteoriteneinschläge ausgelöst wurden, die außerirdische Krankheitserreger auf die Erde brachten. Für diese Thesen konnten sie allerdings nie ausreichende Belege bringen. Und leider kann das Wickramasinghe auch im aktuellen Fall nicht. Die von Milton Wainwright, Wickramasinghe und ihren Kollegen gefundenen organischen Überreste sehen definitiv so aus wie Kieselalgen – in der Hinsicht haben sie sich nicht geirrt. Aber Kieselalgen sind enorm weit verbreitet; man findet sie auf der Erde überall und sie können durchaus auch hoch in die Luft gewirbelt werden – zum Beispiel durch Vulkanausbrüche. Die britischen Forscher sagen nun, dass es in den letzten drei Jahren keinen ausreichend starken Vulkanausbruch gab und in der Zwischenzeit alle Kieselalgen längst wieder zu Boden gesunken sein müssen. Diese Behauptung begründen sie mit einer Arbeit aus dem Jahr 1968, die sich mit der Fallgeschwindigkeit von Aerosolen in der Atmosphäre beschäftigt. Abgesehen davon, dass dieser Artikel schon ein wenig alt ist, ist das dort verwendete Modell nicht wirklich geeignet, das zu beschreiben, was Wainwright beschreiben möchte. Wie auch Astronomie-Blogger Phil Plait erklärt, wird dort der Fall von sphärischen Objekten durch eine stabile, unbewegte Atmosphäre beschrieben auf die keine andere Kraft wirkt als die Gravitation. Die Realität sieht natürlich anders aus; hier gibt es Turbulenzen, Windströmungen und so weiter (was man aber 1968 ohne Computereinsatz vermutlich nicht simulieren konnte).
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