Als ich letzte Woche einen Vortrag in Eberswalde gehalten habe, gab es danach vom Publikum noch jede Menge Fragen zu allen möglichen Themen aus der Astronomie. Ein Zuhörer wollte wissen, was denn passiert, wenn jemand eine neue wissenschaftliche Theorie hat, die der Urknall-Theorie widerspricht: Kann man sowas veröffentlichen oder wird das alles von den Astronomen gnadenlos unterdrückt? Nun, es gibt kaum etwas, was Kosmologen so gern haben, wie Alternativen zum Urknall! Entsprechende Artikel werden ständig veröffentlicht und sie können gar nicht außergewöhnlich und seltsam genug sein. Solange man bei der Arbeit die wissenschaftliche Methode nicht vergisst und sich Gedanken darüber macht, wie die neue These in bestehende und bestätigte Theorien eingefügt werden kann, haben die Kosmologen kein Problem mit “absurden” Behauptungen. Zum Beispiel der, dass unser Universum nur der Überrest eines explodierten fünfdimensionalen Sterns ist…
Nach allem was wir bisher über unser Universum wissen, entstand es vor 13,8 Milliarden Jahren. Seitdem expandiert es und wird das auch immer weiter tun. WAS allerdings genau in dem Moment passiert ist, als das Universum entstand, wissen wir nicht. Zu diesem Zeitpunkt war das Universum in einem so extrem dichten und heißen Zustand, dass er von keiner unserer Theorien und keinem Modell beschrieben werden kann. Natürlich gibt es diverse Hypothesen und Spekulationen, die versuchen, die Frage nach dem “davor” zu beantworten. Razieh Pourhasan von der Universität Waterloo in Kanada und seine Kollegen haben eine besonders originelle Antwort gefunden. Sie sind der Meinung, dass unser Universum nur das ist, was nach der Epxlosion eines höherdimensionalen Sterns übrig geblieben ist. In ihrer kürzlich veröffentlichten Arbeit beschreiben sie ein Szenario, bei dem das Universum nur ein Objekt in einem höherdimensionalen Raum ist. Das ist an sich keine neue Idee. Schon seit längerem gibt es verschiedene Hypothesen über so ein “Brane-Universum”. Die M-Theorie (die moderne Form der Stringtheorie) sagt voraus, dass Branen mit unterschiedlichen Dimensionen einen höherdimensionalen Raum bevölkern und unser Universum nur eine 3-Bran, also ein dreidimensionales Objekt, unter vielen ist.
Pourhasan und seine Kollegen haben eine andere Idee. Sie gehen von einem Über-Universum mit 5 Dimensionen aus, in dem sich dann auch fünfdimensionale Sterne bilden können. Wenn so ein Stern dann kollabiert, bildet er ein fünfdimensionales schwarzes Loch. Die dreidimensionalen schwarzen Löcher in unserem Universum sind von einer zweidimensionalen Grenzfläche umgeben, dem sogenannten “Ereignishorizont”. Je massereicher ein schwarzes Loch ist, desto größer ist diese Grenzfläche und wenn sich die Masse eines schwarzen Lochs erhöht, dann dehnt sich auch der Ereignishorizont aus. Bei diesem fünfdimensionalen schwarzen Loch soll es genau sein: Die Grenzfläche ist in diesem Fall dreidimensional; eine sogenannte “Hypersphäre” (quasi das dreidimensionale Gegenstück zur zweidimensionalen Oberfläche einer Kugel). Auch sie dehnt sich im Laufe der Zeit aus und wir Menschen können diese Ausdehnung beobachten, weil wir in dieser Hypersphäre wohnen. Unser Universum ist nichts anderes als die Grenzfläche des fünfdimensionalen schwarzen Lochs!
Das klingt extrem spekulativ und ist es auch. Pourhasan und seine Kollegen erwähnen in ihrer Arbeit ein paar der Probleme die diese These mit sich bringt. Man kann mit ihr zwar ein paar Eigenschaften des Universums erklären (zum Beispiel warum es so gleichförmig und seine Geometrie so flach ist), viele andere Dinge aber nicht. Die aktuell favorisierte Version der Urknall-Hypothese ist aber nicht nur in der Lage, die gleichen Dinge zu erklären, sie macht auch verschiedene beobachtbare Vorhersagen die von Beobachtungen äußerst gut bestätigt werden. Die These vom “Hyperloch” tut das nicht sondern weicht viel stärker von den Beobachtungen ab. Abgesehen davon findet man im Artikel von Pourhasan und seinen Kollegen auch keine Aussagen darüber, wo dieser fünfdimensionalen Stern herkommen soll. Das Wort “Stern” wird in der Arbeit immer nur unter Anführungszeichen verwendet und es nicht (zumindest mir) nicht klar, ob da tatsächlich ein Stern gemeint ist, der so funktioniert wie die Sterne hier bei uns. Gibt es dann auch fünfdimensionalen Wasserstoff der dort zu fünfdimensionalem Helium fusioniert wird? Wie soll das im Detail funktionieren? Vermutlich ist aber eher einfach nur ein Objekt gemeint, dass eben unter seiner Gravitationskraft kollabiert und sich dann analog zu einem schwarzen Loch verhält.
Aber das macht die Sache auch nicht wirklich besser. Wenn man den bisher unerklärten Urknall durch den Kollaps eines fünfdimensionalen Irgendwas ersetzt ohne zu erklären, wo das Ding herkommt und warum es zum schwarzen “Hyperloch” wird, ist nicht viel gewonnen. Da kann man auch gleich beim Urknall selbst bleiben…
Trotzdem sind Arbeiten dieser Art durchaus relevant. Wenn wir irgendwann mehr über den Anfang des Universums rausfinden wollen, dann müssen wir kreativ bleiben. Es muss Leute geben, die immer wieder immer neue Hypothesen entwickeln und sich überlegen wie man sie testen und beobachten kann. Irgendwann sind wir vielleicht einmal so weit und stoßen auf etwas, dass tatsächlich zu den Beobachtungen passt und neue Erkenntnisse bringt! Aber das fundamentale Problem des Anfangs wird sich auch so nicht lösen lassen. Denn alles, was wir als Ursache für den Urknall identifizieren können, muss selbst eine Ursache haben. Und wenn wir etwas einfach als “benötigt keine Ursache” definieren, dann können wir das auch gleich mit dem Urknall selbst machen und müssen die Sache nicht noch mit ein paar kausalen Zusatzebenen verkomplizieren. Aber vielleicht werden wir dieses Problem auch nie lösen. Unser menschliches Gehirn scheint weder mit einem Anfang ohne Ursache zufrieden zu sein, noch mit einem ewigen Universum ohne Anfang. Und eine Alternative ist uns bis jetzt noch nicht eingefallen…
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