Astronomie ist wichtig! Gut, es ist keine große Überraschung wenn ich das sage. Immerhin bin ich selbst Astronom und verdienen meinen Lebensunterhalt damit, in dem ich Menschen etwas über Astronomie erzähle. Aber das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass Astronomie wichtig ist. Das mag manche vielleicht überraschen. Physik ist wichtig, denn die erfindet neue Dinge die man dann im Laden kaufen kann. Biologie ist wichtig, denn die findet raus wie man Krankheiten heilen kann. Aber Astronomie? Astronomen schauen sich doch nur Sterne an, die wahnsinnig weit von der Erde entfernt sind und machen sich Gedanken über Dinge die vor ein paar Milliarden Jahren passiert sind oder in ein paar Milliarden Jahren passieren. Was für einen Einfluss soll denn die Astronomie auf unser ganz alltägliches Leben haben? Diese Antwort auf diese Frage liefert Marissa Rosenberg von der Universität Leiden vom Projekt Universe Awareness (dass das schöne Motto “Inspiriert jedes Kind mit der Schönheit unseres Universums” hat) gemeinsam mit ihren Kollegen in dem kürzlich erschienenen Artikel “Why is Astronomy Important?”.
In ihrer Arbeit listen Rosenberg und ihre Kollegen auf, wo Forschung und Technik die ursprünglich für die Astronomie entwickelt worden sind, heute überall in ganz anderen Gebieten eingesetzt wird. Dazu gehören zum Beispiel:
- CCD-Chips, die heute überall in Digitalkameras eingesetzt werden.
- Programmiersprachen wie Forth oder IDL die für astronomische Anwendungen entwickelt wurden, werden heute in der Industrie verwendet.
- (Kommerzielle) Satelliten nutzen astronomische Techniken, um aus Beobachtungen der Sterne ihre Position zu bestimmen.
- Sonnenkollektoren nutzen Materialien die zum Bau von Großteleskopen entwickelt worden sind.
- Die Technik der Apertursynthese wurde ursprünglich für die Radioastronomie entwickelt; wird heute aber in der medizinischen Bildgebung (MRI-Scan, Computertomografie, etc) angewendet.
- Sensoren die zur Teleskopsteuerung entwickelt wurden, werden zur Temperaturüberwachung in Brutkästen für Babys eingesetzt.
- Eine Technik zur Verbesserung der Bildqualität von radioastronomischen Aufnahmen aus dem Jahr 1977 wird heute überall in WLAN-Netzwerken verwendet.
- Die gaschromatische Analyse von Gepäckstücken auf Flughäfen, bei denen nach Sprengstoff und Drogen gesucht wird, stammt von einer Marsmission.
Rosenberg und ihre Kollegen liefern noch viel mehr Beispiele (ihr könnte den Artikel übrigens auch gleich hier auf der Homepage der Internationalen Astronomischen Union lesen). Und wenn es zwar sehr informativ ist (die Sache mit dem WLAN wusste ich zum Beispiel noch nicht) bin ich mir doch nicht sicher, ob das tatsächlich die richtigen Argumente sind, um die Bedeutung der Astronomie zu vermitteln.
Die diversen Techniken und Geräte aus der Astronomie die heute in allen möglichen anderen Bereichen eingesetzt werden, demonstrieren ja eigentlich nur, dass Grundlagenforschung funktioniert. Astronomie ist so gut wie immer Grundlagenforschung. Aber trotzdem passiert das, was immer passiert wenn man mehr über die Welt herausfindet: Am Ende entstehen daraus neue und ganz konkrete Technologien die uns auch ganz konkret im Alltag beeinflussen. Das ist in der Astronomie nicht anders als in der biologischen, chemischen oder physikalischen Grundlagenforschung. Je mehr wir wissen, desto mehr können wir machen. Ob dieses Wissen nun aus der Biologie, der Physik oder der Astronomie kommt ist dabei zweitrangig.
Das Besondere an der Astronomie liegt in einem ganz anderen Bereich. Der wird im Artikel von Rosenberg und ihren Kollegen zwar auch angesprochen, aber nur kurz am Ende. Im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsgebieten scheint die Astronomie uns Menschen auf eine ganz spezielle Art zu faszinieren. Sie scheint ein menschliches Grundbedürfnis anzusprechen; den Wunsch, unsere Rolle im Universum zu verstehen; den Wunsch, zu erfahren, was da draußen existiert. Und natürlich auch den Wunsch zu erfahren, wo eigentlich alles her kommt und wie alles zu Ende gehen wird. Es geht um die Frage nach unserem Weltbild und darauf hat die Astronomie im Laufe der vergangenen Jahrtausende einen enormen Einfluss gehabt. Es erscheint uns heute selbstverständlich, dass Kosmologen und Astronomen über den Urknall Bescheid wissen und uns erklären können, wie sich das Universum in den 13,8 Milliarden Jahren seit seiner Geburt entwickelt hat. Aber noch in den 1990er Jahren war nicht klar, ob das Urknallmodell tatsächlich brauchbar ist, das Universum zu beschreiben – erst die Ergebnisse des COBE-Satelliten brachten hier die nötigen Daten und den wissenschaftlichen Durchbruch. Und es ist noch keine 100 Jahre her, dass wir darüber diskutiert haben, ob es noch andere Galaxien gibt oder unsere Milchstraße alles ist, was existiert. In den Jahrhunderten davor haben wir herausgefunden, dass unsere Sonne ein ganz normaler Stern ist; unsere Erde ein ganz normaler Planet und weder Sonne noch Erde der Mittelpunkt des Universums.
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