Gestern habe ich über die Mondmission der chinesischen Raumfahrtagentur geschrieben und spekuliert, ob es in Zukunft Länder wie China oder Indien sind, die (bemannte) Flüge zu anderen Himmelskörper durchführen werden, da Europa, Russland und die USA wenig Ambitionen in diese Richtung zeigen. Aber was die wissenschaftlichen Forschungsmissionen angeht, haben auch die klassischen Raumfahrtnationen großes geplant. Eine besonders großartige Mission wird am 19. Dezember 2013 gestartet. Da schickt die Europäische Weltraumagentur ESA ihr Weltraumteleskop GAIA ins All. GAIA wird die Positionen von Sternen messen. Das klingt zuerst einmal wenig aufregend. Aber GAIA wird die komplette Astronomie revolutionieren.
Die Positionsbestimmung von Sternen, also die astronomische Disziplin der Astrometrie, gehört zu den ältesten Aufgaben von Forschern. Vor der Existenz der modernen Astrophysik, die im Wesentlichen erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand und es uns heute erlaubt, die Natur, die Physik und die Entwicklung von Himmelskörper zu verstehen blieb den Astronomen auch nicht viel anderes übrig. Sie konnten damals fast nichts anderes tun, als Sternenkataloge zu erstellen. Sie versuchten, möglichst viele Sterne möglichst genau zu beobachten und ihre Position am Himmel zu bestimmen.
Heute, wo wir über die Natur schwarzer Löcher forschen oder die Bedingungen auf fremden Planeten; wo wir mit Raumsonden nach Leben auf dem Mars suchen und das letzte Licht des Urknalls beobachten erscheinen Sternkataloge ein klein wenig langweilig und unsexy. Aber deswegen sind die Kataloge nicht unwichtig geworden. Sie bilden das Fundament der astronomischen Forschung und ohne sie ist die gesamte moderne Astronomie nicht praktikabel. Wenn man nicht weiß, wie weit ein Stern entfernt ist, weiß man auch nicht, wie groß er tatsächlich ist; wie heiß er ist, und so weiter. Und angesichts der fundamentalen Bedeutung die eine genaue Bestimmung dieser Parameter für die Forschung hat ist es eigentlich erstaunlich, wie wenig Daten wir bisher gesammelt haben.
Die derzeit genauesten und umfangreichsten Sternenkatalogen basieren auf den Messungen des Hipparcos-Satelliten, der 1989 ins Weltraum geflogen ist. Die Geschichte von Hipparcos und der Sternkarte die er erstellt hat, ist spannend wie ein Krimi und ich habe sie hier ausführlich beschrieben. Am Ende der ganzen Arbeit stand ein Katalog, der knapp eine Million Sterne umfasste und ihre Parameter einigermaßen genau beschrieb.
Eine Million. Das klingt viel – aber angesichts der Tatsache, dass es allein in unserer Milchstraße ungefähr 200 Milliarden Sterne gibt, ist es enorm wenig. Das sind nur 0,0005 Prozent aller Sterne unserer Heimatgalaxie und wenn wir aus diesen Daten zwar sehr viel gelernt haben, wissen wir auch, dass wir daraus keine umfassenden Erkenntnisse ableiten können. Die aber soll nun GAIA bringen.
GAIA hat zwei Teleskope mit rechteckigen Spiegeln die 145 mal 50 Zentimeter groß sind. Das ist wenig im Vergleich mit anderen Großteleskopen auf der Erde aber ganz ordentlich für ein Weltraumteleskop (vergleichbar mit dem Spiegel des Kepler-Teleskops, das in den letzten Jahren die Exoplanetenforschung revolutioniert hat). Zusätzlich ist GAIA mit einer ganzen Batterie von CCD-Detektoren ausgestattet, die das vom Teleskop aufgefangene Licht registrieren, speichern und die Bilder zur Erde senden können. Allein 62 Detektoren sind dafür da, die Position von Sternen so genau wie möglich zu bestimmen. 14 Detektoren werden für die Photometrie eingesetzt und ermöglichen die Bestimmung von Helligkeit und Farbe der Sterne. Und 12 Detektoren zeichnen die Spektren der Sterne auf, aus denen sich die Geschwindigkeit ablesen lässt, mit denen sie sich bewegen.
All diese Messungen werden mit bisher unerreichter Genauigkeit durchgeführt werden können. Die Position eines Sterns wird GAIA bis auf 25 Mikrobogensekunden genau bestimmen können; bei schwächer leuchtenden Sternen sind es immer noch 300 Mikrobogensekunden. Und selbst das ist noch genauer als die genauesten Messungen von Hipparcos die bei 500 Mikrobogensekunden lagen. Das besondere an GAIA ist aber nicht nur die Genauigkeit, sondern vor allem die Menge. Das Weltraumteleskop wird eine Milliarde Sterne vermessen!
Ein Katalog der aus einer Milliarde Sternen besteht ist zwar immer noch weit davon entfernt, komplett zu sein. Aber anstatt 5 Zehntausendstel von einem Prozent der Sterne der Milchstraße wird GAIAs Katalog immerhin ein halbes Prozent aller Sterne umfassen. Und wir werden nicht nur die Positionen kennen, sondern auch die Helligkeit, die Entfernung und die Geschwindigkeit mit der sich die Sterne bewegen. Daraus kann man dann ein dreidimensionales Modell unserer Milchstraße in einer Genauigkeit basteln, die bisher unerreichbar war. Was genau wir aus diesen Daten lernen werden, ist noch unklar. Aber wir werden definitiv etwas Neues lernen! GAIA wird die Erforschung der Entstehung und Entwicklung unserer Milchstraße revolutionieren. Natürlich werden auch alle anderen astronomischen Disziplinen von dem neuen Katalog profitieren. Und GAIA wird auch andere Dinge entdecken, denn wenn man eine Milliarde Sterne beobachtet, dann finden sich in Daten auch jede Menge andere Himmelsobjekte die rein zufällig mit im Bild sind.
Man schätzt, dass GAIA während der fünfjährigen Missionsdauer ungefähr eine Million neuer Kometen und Asteroiden in unserem Sonnensystem entdecken wird. Die genauen Positionsmessungen der Sterne werden genau zeigen, welche von ihnen aufgrund der Anwesenheit von Planeten ein klein wenig hin und her schwanken und man rechnet mit der Entdeckung von knapp 30.000 Exoplaneten. Dazu nochmal ein paar zehntausend brauner Zwerge und Supernovae. Die Bedeutung von GAIA für die gesamte moderne Astronomie kann man kaum überschätzen…
Der Start der Mission ist für den 19. Dezember 2013 um 10:12 MEZ angesetzt. Das Teleskop wird mit einer Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana ins All geschickt. Wenn alles klappt und GAIA erfolgreich ausgesetzt worden ist, wird sich das Teleskop von der Erde entfernen. Es wird nicht um die Erde kreisen sondern sich auf den Weg zum Lagrange-Punkt L2 machen. Der liegt circa 1,6 Millionen von der Erde entfernt auf der Verbindungslinie zwischen Erde und Sonne. L2 befindet sich aber auf der sonnenabgewandten Seite der Erde und von dort aus ist ein dauerhafter ungestörter Blick ins All möglich.
Ich kann es kaum mehr erwarten, bis GAIA sicher am Beobachtungsort angekommen ist (was ungefähr einen Monat nach dem Start der Fall sein wird). Es wäre äußerst tragisch, wenn beim Start etwas schief gehen würde. Ich hoffe, den Start live vom Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt aus beobachten zu können und wenn nichts mehr dazwischen kommt, werde ich dann natürlich auch hier im Blog live von dort berichten. Bis es soweit ist, empfehle ich euch den Blog der GAIA-Mission bei der ESA wo ihr immer aktuelle Informationen und informative Hintergrundgeschichten findet bzw. die GAIA-Seite der ESA (und wer der Mission bei Facebook folgen will, kann das ebenfalls tun).
Kommentare (41)