Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Wenn Gott würfelt: oder Wie der Zufall unser Leben bestimmt” (im Original: “The Drunkard’s Walk: How Randomness Rules Our Lives”) von Leonard Mlodinow. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienen Artikel findet man hier.
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Im ersten Kapitel des Buchs erklärt Mlodinow, wie stark uns zufällige Phänomene beeinflussen, auch wenn wir das vielleicht gar nicht bemerken. Wir Menschen scheinen nicht dazu gemacht, in Wahrscheinlichkeiten zu denken oder die Existenz des Zufalls zu akzeptieren. Wir geben den Dingen immer einen Sinn, und wenn sie keinen zu scheinen haben, dann suchen wir so lange, bis wir einen finden – selbst wenn der gar nicht vorhanden ist.
Mlodinow beschreibt dazu ein Spiel: Man zeigt uns eine Abfolge von Karten, die entweder grün oder rot sein können. Die roten und grünen Karten erscheinen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit, aber ohne bestimmtes Muster. In jeder beliebigen Abfolge von Karten ist die Wahrscheinlichkeit für eine rote Karte zum Beispiel doppelt so hoch wie die für eine grüne Karte. Wir sollen nun eine Abfolge von Karten betrachten und dann die Farbe der nächsten Karte vorhersagen. Wir könnten nun darauf achten, welche Farbe häufiger vorkommt und immer diese Farbe wählen. Wenn die grüne Karte in 75 Prozent der Fälle erscheint, dann haben wir eine Chance von 75 Prozent das wir richtig liegen, wenn wir “grün” wählen. Wir Menschen aber suchen nach Mustern. Wenn wir das Muster kennen, dann können wir in 100 Prozent der Fälle richtig liegen! Da die Karten aber zufällig erscheinen gibt es kein Muster, das wir erkennen können. Und trotzdem entscheiden wir Menschen uns bei diesem Versuch immer für die Mustersuche und liegen mit unseren Vorhersagen öfter daneben als es bei der ersten Taktik der Fall wäre (der sich übrigens Tiere bei ähnlichen Versuchen bedienen).
Wir können mit Wahrscheinlichkeiten nicht intuitiv umgehen. Das zeigt auch eine weitere Geschichte von Mlodinow, die vom Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahneman handelt. Der Psychologe sollte vor Ausbildern der israelischen Luftwaffe einen Vortrag halten und erklärte dabei, dass diverse Experimente mit Tieren zeigten, dass es besser sei, positives Verhalten zu belohnen als negatives zu bestrafen. Dem widersprachen die Ausbilder vehement: Wenn sie die Rekruten nach einem schlechten Flug ordentlich zur Sau machten, flogen sie danach besser während Lob nach einem guten Flug zu schlechteren Leistungen führte.
Kahneman konnte das Paradoxon auflösen. Jeder Rekrut hat ein gewisses Fähigkeitslevel und die Ausbildung konnte diesen Level im Laufe der Zeit langsam erhöhen. Dabei spielten aber viele komplexe Faktoren eine Rolle und die Änderung kam nicht von einem Tag auf den anderen. Beim Vergleich von Tag zu Tag spielte die individuelle Tagesform eine wichtige Rolle und die hing im wesentlichen vom Zufall ab: Was gab es zum Frühstück; was lief am Tag davor im Fernsehen; gab es Streit mit dem Partner, und so weiter. Ob ein Pilot an einem bestimmten Tag einen für seine Verhältnisse besonders guten oder besonders schlechten Flug ablieferte, hing also vom Zufall ab. Wenn aber ein Pilot zufällig eine besonders schlechte Leistung geliefert hatte, dann wäre es unwahrscheinlich das er am nächsten Tag zufällig noch schlechter ist. Viel wahrscheinlicher ist es, dass er sich wieder seinem natürlichen Niveau annähert und eine bessere Leistung liefert. Genau so ist es mit einem besonders guten Tag: Es ist viel wahrscheinlicher, dass danach wieder ein mittelmäßiger, also “normaler” Tag folgt. Der Ausbilder, der sich dessen nicht bewusst ist, sieht nun aber nur, wie die Piloten mit besonders guten Leistungen danach wieder schlechter werden und die Piloten mit schlechten Leistungen besser und schließt daraus das es besser ist zu strafen als zu loben.
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