Solche Probleme mit dem Zufall umzugehen, treffen wir ständig. Und sie können durchaus relevante Auswirkungen haben. Wenn es zum Beispiel um Managementaufgaben geht, dann neigen wir wie die Ausbilder der Luftwaffe dazu, den Manager für Misserfolge zu bestrafen, für die er eigentlich nichts kann (und gleichzeitig für Erfolge zu loben für die sie nichts können). Zum Beispiel die Filmproduzentin Sherry Lansing, die 1992 Präsidentin von Paramount Pictures wurde. Sie hatte viele große Erfolge (Titanic, Forrest Gump, Braveheart, …). Und dann lief es ne Zeit lang schlechter und Lansing wurde rausgeworfen. Aber der Erfolg an der Kinokasse hängt eben nicht nur vom Film selbst ab, sondern auch von vielen zufälligen Faktoren. Selbst wenn man zwei absolut identische Filme veröffentlicht, dann wird es einen “besseren” geben. Wenn die Marketingkampagnen identisch sind, hängt es vom Zufall ab, welchen Film ein bestimmter Zuseher sieht. Auch wenn rein von der Wahrscheinlichkeit eine Chance von 50 Prozent besteht, dass ein Zuseher in zB “Star Wars Episode A” geht und nicht in “Star Wars Episode 1” werden sich die Leute trotzdem nicht abwechselnd für “A” und “1” entscheiden. Wir glauben zwar, dass Zufall so funktioniert (und sind deswegen weder in der Lage echte Zufallsreihen von Zahlen zu erkennen noch sie zu erzeugen) aber in der Realität wird es immer wieder Phasen geben, wo “A” mehr Zuseher hat als “1” oder umgekehrt. Man kann das sogar ausrechnen: Hat man 20.000 Leute, die sich für einen der Filme entscheiden müssen (was 20.000 zufälligen Münzwürfen entspricht) dann ist es 88 Mal wahrscheinlicher, dass die ganze Zeit immer ein konkreter Film mehr Zuseher hat als dass die Zahlen ständig hin und her wechseln. Der eine Film würde also wesentlich erfolgreicher erscheinen als der andere und das obwohl beide identisch sind.
Genau so gibt es eben auch immer wieder Phasen, in denen die Filme eines Studios erfolgreicher sind und Phasen, in denen sie es nicht sind. Direkt nach Sherry Lansings Abgang folgte zum Beispiel wieder eine gute Phase. Und obwohl das auch noch alles Filme waren, für deren Produktion Lansing verantwortlich war, hatte sie nichts mehr davon. Und alles nur, weil wir nicht in der Lage sind, den Zufall zu verstehen und “Glückssträhnen” (oder “Pechsträhnen) nicht als das erkennen was sie sind: zufällig auftretende Häufungen. Das gibt es ja beim Sport genau so. Natürlich gibt es dort Sportler die besser sind als andere. Und im Durchschnitt werden die zum Beispiel mehr Tore in einer Saison schießen oder mehr Spiele gewinnen. Aber trotzdem kann es immer wieder konkrete Sportler in einer konkreten Saison geben, die aus verschiedenen zufälligen Gründen (persönliche Befindlichkeiten u.ä) kurzfristig deutlich über- bzw. unterdurchschnittlich performen. Könnte ein Baseballspieler einen Ball immer perfekt treffen, dann würde er immer einen Homerun schlagen. Aber da sind eben Wind und Wetter, da ist man aus welchen Gründen auch immer mal konzentrierter oder unkonzentrierter – und so weiter. All diese zufälligen Einflüsse führen dazu, dass der Schlag eben nicht immer perfekt ist sondern mal mehr und mal weniger Homeruns gelingen. Und doch messen wir all diesen Sportstatistiken eine enorm große Bedeutung zu. Und in der Wirtschaft, wo die Ergebnisse oft ebenso vom Zufall dominiert sind wie im Sport, ist es genau so.
Am Ende des ersten Kapitels schreibt Mlodinow:
“When we look at extraordinary accomplishments in sports – or elsewhere – we should keep in mind that extraordinary events can happen without extraordinary causes.”
Das ist eine wichtige Aussage und eine, die unserem “Hausverstand” komplett widerspricht: Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, dann muss es dafür doch auch eine außergewöhnliche Ursache geben! Besondere und spektakuläre Dinge können doch nicht “einfach so” passieren? Doch, können sie. Das liegt am Zufall – und wie der funktiniert ist das Thema des nächsten Kapitels.
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