Ich habe letzte Woche schon angekündigt, dass heute die Raumsonde Rosetta aufgeweckt wird. Das eigentliche Ziel der Mission, der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, wird zwar erst im November 2014 erreicht werden und ich werde im Laufe des Jahres sicher noch oft über Rosetta schreiben. Aber heute ist ein absolut kritischer Moment für Rosetta, denn nach mehr als zwei Jahren “Winterschlaf” wird die Sonde nun wieder aktiviert. Und es wäre enorm schade, wenn das nicht klappen würde. Denn Rosetta ist eine sehr coole Weltraummission!
Was ist Rosetta?
Rosetta ist eine Raumsonde der Europäischen Weltraumagentur ESA. Sie wurde am 2. März 2004 an Bord einer Ariane-5-Rakete ins Weltall geschickt und hat sich auf den weiten Weg hinaus ins Sonnensystem gemacht. Die Sonde flog dreimal an der Erde vorbei (2005, 2007, 2009) und einmal am Mars (2009) um die passende Bahn zu erreichen die sie schließlich im Jahr 2014 an ihr Ziel bringen soll. Dieses Video zeigt den Weg von Rosetta:
Was macht Rosetta?
Rosetta soll den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko erforschen. Bis jetzt haben wir kaum Kometen aus der Nähe beobachtet. Wir kennen nur die beeindruckenden Bilder, die wir von der Erde aus sehen können; die großen leuchtenden Gebilde mit langem Schweif. Aber das ist nicht der Komet selbst; das ist nur jede Menge Staub und Eis, dass der Komet ins All schleudert und an dem Sonnenlicht reflektiert wird. Der Komet selbst lässt sich nur schwer beobachten und genau das soll Rosetta machen. Aber nicht nur das! Rosetta hat auch die kleine Landeeinheit Philae mit dabei, die auf der Oberfläche des Kometen landen soll!
Warum ist Rosetta so lange unterwegs?
Im August 2015 kommt der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko der Erdbahn sehr nahe. An seinem sonnennächsten Punkt ist er 1,29 Astronomische Einheiten (AE) von der Sonne entfernt, also fast so weit weg wie die Erde mit 1 AE. Warum hat man nicht einfach bis 2015 gewartet um die Sonde auf kurzem Weg direkt von der Erde zum Kometen zu schicken? Das hätte man machen können – aber man lernt mehr, wenn man den langen Weg nimmt. Rosetta trifft den Kometen weit hinter der Bahn des Mars, wenn er noch knapp 4,5 AE von der Sonne entfernt ist. Der große Abstand ist wichtig, denn dort draußen ist die Sonnenstrahlung noch nicht so stark und der Komet ist kalt. Kalt genug, damit das in ihm vorhandene Eis gefroren bleibt und nicht auftaut und sich in Gas verwandelt. Wenn das passiert, dann bricht das Gas aus der Oberfläche des Kometen hervor und entkommt ins All. Dabei reißt es jede Menge Staub und Gestein mit sich und so entstehen die große Hülle und der lange Schweif eines Kometen. Aber das passiert erst ein Stückchen näher an der Sonne. Wenn Rosetta den Kometen erreicht, ist er vermutlich noch ein kalter Klumpen aus Gestein und Eis. Rosetta wird den Kometen umkreisen und sich gemeinsam mit ihm der Sonne nähern. Die Raumsonde kann also live dabei zusehen, wie der Komet seine Staubhülle und seinen Schweif entwickelt und das hat bisher noch niemand direkt vor Ort beobachtet! Aber um das sehen zu können, musste Rosetta so einen langen Weg nehmen.
Was werden Rosetta und Philae untersuchen?
Philae wird probieren auf dem Kometen selbst zu landen. Das ist gar nicht so einfach, da dort fast keine Schwerkraft existiert und die Gefahr besteht, dass die Landeeinheit einfach abprallt. Sie wird deswegen mit einem Anker (der übrigens in Österreich gebaut wurde) fest gemacht. Wenn alles klappt, dann kann Philae das Material an der Oberfläche des Kometen untersuchen und verschiedene chemische und physikalische Analysen durchführen. Philae wird zum Beispiel nachsehen, ob sich im Eis des Kometen Aminosäuren befinden. Und auch die räumliche Struktur der gefundenen Moleküle untersuchen. Auf der Erde haben alle Aminosäuren eine ganz bestimmte Form (man nennt diesen Effekt Homochiralität) und man will wissen, ob das mit den Aminosäuren auf Kometen genau so ist. Denn es kann durchaus sein, dass viele der grundlegenden Bausteinen aus denen sich das Leben auf der Erde entwickelt hat, früher einmal durch Kometeneinschläge zu uns gebracht wurden. Oder vielleicht auch nicht. Um das heraus zu finden braucht man mehr Daten und genau die soll Philae sammeln. Philae wird auch die Isotopenzusammensetzung des Kometeneis untersuchen um zu bestimmen, wie gut es mit der Zusammensetzung des Wassers auf der Erde übereinstimmt. Denn ein großer Teil des irdischen Wassers stammt von Kometen- und Asteroideneinschlägen und dank Philae werden wir hoffentlich bald genauer wissen, wie viel das genau ist.
Und Rosetta selbst wird natürlich auch nicht nur langweilig herum sitzen! Schon auf dem Weg zum Kometen ist sie an zwei Asteroiden vorbei gekommen und hat dort tolle und wissenschaftlich äußerst wertvolle Bilder gemacht (siehe hier und hier). Und auch 67P/Tschurjumow-Gerasimenko wird ausführlich kartografiert werden. Aber natürlich gibt es nicht nur Fotos: Die Sonde wird mit einem Spektrometer nach Edelgasen suchen um herauszufinden, wie heiß es vor 4,5 Milliarden Jahren war, als die Kometen entstanden sind. Eine ganze Batterie von Spektrometern und Kameras wird genau darauf achten, was passiert wenn sich der Komet der Sonne nähert und immer wärmer wird. Sie werden schauen, welche Elemente und Gase aus der aufgeheizten Oberfläche hervor brechen und kann so auf die Zusammensetzung im Inneren des Kometen schließen. Die Zusammensetzung des Staubs im Schweif wird gemessen werden und ein Mikroskop wird Bilder einzelner Staubkörner machen. Andere Instrumente werden die Wechselwirkung zwischen Kometenschweif und Sonnenwind messen.
Dieses Video gibt nochmal einen schönen Überblick über die Mission:
Rosetta und Philae werden den Kometen so genau untersuchen wie noch nie ein Komet untersucht worden ist. Wenn die Mission vorbei ist, werden wir diese Himmelskörper viel besser verstehen als vorher. Aber nicht nur das: Wir werden auch die Planeten besser verstehen. Denn die Kometen haben die Planeten zu dem gemacht, was sie heute sind. Die kleinen Himmelskörper waren (zusammen mit den Asteroiden) das Baumaterial, aus dem all die großen Objekte entstanden sind. Und auch später noch haben sie die Entwicklung beeinflusst; haben Wasser auf die Oberfläche der Himmelskörper transportiert und vielleicht sogar die Grundbausteine des Lebens. Kometen sind der Schlüssel zum Verständnis der Entwicklung eines Planetensystems! Und Rosetta wird uns diesen Schlüssel zugänglich machen – wenn die Sonde heute aufwacht…
Warum muss Rosetta aufwachen?
Weil sie schläft.
Ok, warum schläft Rosetta?
Rosetta ist eine extrem lange Mission die sehr viel vorhat. Um die Instrumente zu schonen und um Energie (und Kosten) zu sparen wurde die Sonde nach dem Vorbeiflug am Asteroid Lutetia im August 2010 in Hibernation versetzt. Alle elektrischen Systeme sind ausgeschaltet und erst heute wird sie nach zweieinhalb Jahren wieder geweckt. Seit 8 Juni 2011 bestand überhaupt kein Kontakt mehr mit der Sonde. Und die ESA wird die Sonde heute auch nicht aktivieren. Auf Rosetta tickt quasi ein Wecker, der genau heute um 11 Uhr MEZ (10 Uhr UTC) “klingelt”. Dann sollte Rosetta aufwachen, sich ein bisschen räkeln, die relevanten Systeme hochfahren und ein “Ich bin wieder munter!”-Signal zurück zur Erde schicken. Das wird knapp 6 Stunden dauern (44 Minuten und 53 Sekunden beträgt allein schon die Signallaufzeit von Rosetta bis zur Erde) und wenn alles klappt, dann werden wird irgendwann zwischen 18 und 19 Uhr Bescheid wissen. Dieses Video zeigt den Prozess:
Und wenn Rosetta nicht aufwacht?
Dann hoffen wir zuerst einmal alle, dass sie einfach nur faul war und die “Snooze”-Taste gedrückt hat! Wenn das erste Wecksignal nicht funktioniert, dann ist die Sonde programmiert, es sechs Stunden später nochmal zu probieren. Aber es kann natürlich auch sein, dass die Sonde gar nicht mehr aufwacht. So weit hinaus ins All zu fliegen ist alles andere als Routine. Da kann viel schief gehen und es kann viel kaputt gehen. Die Sonde hatte schon vorher ein paar – nicht so schlimme – technische Probleme. Eines der vier Gyroskope die die Sonde stabilisieren ist zum Beispiel schon ausgefallen und ein anderes zeigt Verschleißerscheinungen. Immerhin ist Rosetta schon fast 10 Jahre lang unterwegs! Natürlich gehen alle davon aus, dass sie wie geplant ihr Ziel erreicht. Aber so weit von der Erde entfernt muss man mit allem rechnen…
Wie erfahre ich, ob Rosetta aufgewacht ist?
Ihr könnt der Sonde bei Twitter folgen. Unter @ESA_Rosetta wird sofort Bescheid gegeben, wenn die Sonde aufgewacht ist. Außerdem wird es den ganzen Tag eine Live-Übertragung vom europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt geben. Um 10:15 geht es los; mit Vorträgen von Wissenschaftler und ESA-Mitarbeitern. Ihr könnt direkt beim ESA-Web-TV zusehen oder ihr benutzt gleich diesen Player hier:
Kann ich irgendwie helfen?
Nein; zumindest nicht wirklich. Entweder Rosetta wacht von selbst auf oder nicht. Aber man kann zumindest die Mitarbeiter der ESA moralisch unterstützen. Bis heute um 18:30 MEZ läuft noch der “Wake Up, Rosetta!”-Wettbewerb. Jeder ist aufgerufen, ein kleines Video mit einem Weckruf für Rosetta zu basteln. Man kann dann noch bis 24. Januar darüber abstimmen und die Sieger werden im November zur ESA eingeladen um live mit dabei zu sein, wenn Philae auf dem Kometen landet. Ich habe gestern schon meinen Beitrag eingereicht:
Wenn ihr wollt, könnt ihr hier dafür stimmen – oder aber ihr reicht noch schnell selbst etwas ein!
Ich bin jedenfalls enorm gespannt und drücke die Daumen, damit Rosetta rechtzeitig aufwacht. Es wäre enorm schade, wenn diese Mission nicht mehr weitergeführt werden könnte. Es gibt noch so viel zu lernen…
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