Die Frage nach der Entstehung des Lebens gehört zu den fundamentalen Fragen, auf die wir immer noch keine Antwort haben. Wir wissen zwar mittlerweile sehr gut, wie sich das Leben auf der Erde im Laufe der Zeit verändert und entwickelt hat. Aber wie es ursprünglich entstanden ist, wissen wir nicht. Und so lange niemand eine Zeitmaschine erfindet, werden wir es wohl auch nie wissen. Aber wir können vielleicht irgendwann genau nachvollziehen, wie Leben entstehen kann. Oder das Leben auf der Erde mit Leben auf anderen Himmelskörpern vergleichen und daraus etwas über die Ursprünge lernen…
Die Entstehung des Lebens auf der Erde wird seit langer Zeit untersucht. Berühmt geworden ist das 1953 durchgeführte Miller-Urey-Experiment. Stanley Miller und Harold Urey haben im Labor die “Ursuppe” angerührt und darin die ersten Bausteine des Lebens entdeckt. Wissenschaftlich exakter ausgedrückt haben sie eine Gasmischung erzeugt, von der sie dachten, dass sie der ursprünglichen Atmosphäre der Erde vor einigen Milliarden Jahren entsprach. Die bestand aus Wasser, Methan, Ammoniak, Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dieser Mischung wurde Energie in Form von elektrische Entladungen zugeführt, die Gewitterblitze simulieren sollten. Und dann haben Miller und Urey nachgesehen, wie sich die Gase chemisch veränderten und verbanden und entdeckten jede Menge komplexe organische Moleküle. Genau die Bausteine, aus denen später die ersten Lebewesen entstehen konnten (zum Beispiel auf Vulkaninseln).
Seit den 1950er Jahren hat sich unser Verständnis der frühen Erde natürlich ein wenig verändert und wir haben immer mehr dazu gelernt. Aber die grundlegenden Aussagen von Miller und Urey sind immer noch korrekt: Nimmt man die chemischen Stoffe, die auf der frühen Erde vorhanden waren und gibt Energie dazu, bekommt man die komplexen Bausteine, aus denen später Leben entstehen kann. Und was auf der Erde ganz offensichtlich funktioniert hat, kann vielleicht auch anderswo funktionieren. Zum Beispiel auf dem Saturnmond Titan. Dieser Mond hat eine dichte Atmosphäre und wir wissen, dass es auf seiner Oberfläche Flüssigkeiten gibt. Kein Wasser natürlich, dafür ist es beim fernen Saturn viel zu kalt. Aber Kohlenwasserstoffe wie Ethan und Methan, die dort Seen und Flüsse bilden; Wolken und Regen und im wesentlich den gleichen Platz einnehmen, der bei uns vom Wasser eingenommen wird: Die Kohlenwasserstoffe fließen über die Oberfläche; verdunsten und regnen wieder ab.
Was auf dem Titan passiert wissen wir vergleichsweise gut, seit dort 2005 die Raumsonde Huygens gelandet ist und Bilder von der Oberfläche gemacht hat. Und die Raumsonde Cassini fliegt dort ebenfalls noch herum und macht immer wieder beeindruckende Bilder. Bei vielen Wissenschaftler gilt der Titan neben dem Jupitermond Europa mit seinen unterirdischen Ozeanen und dem Mars als bester Kandidat für die Suche nach extraterrestrischem Leben. Aber kann Leben in so einer fremden Welt überhaupt funktionieren? Das war eine knifflige Frage, denn das einzige Leben das wir bis jetzt kennen ist das auf der Erde und das braucht flüssiges Wasser. Die Astrobiologen haben sich aber intensiv Gedanken über diese Frage gemacht und jetzt erste Ergebnisse erhalten.
Wissenschaftler aus Washington und Wien haben das Miller-Urey-Experiment wiederholt und diesmal dabei auch den Titan berücksichtigt (“Simulations of Prebiotic Chemistry under Post-Impact Conditions on Titan”). Zuerst haben sie das klassische Experiment unter den Bedingungen der frühen Erde nachvollzogen und die Ergebnisse aus den 1950er Jahren reproduziert. Die richtige Mischung aus Gasen mit ein bisschen Energie liefert die Bausteine des Lebens. Danach haben sie das Experiment modifiziert und die Atmosphäre des Titans simuliert. Und nachdem dort eine elektrische Entladung für ausreichend Energie gesorgt hatte, fand man zwei Tage später ebenfalls viele organische Moleküle, aus denen Leben entstehen kann. Einige waren mit denen aus dem klassischen Experiment identisch; andere waren neu und traten nur bei der Titan-Simulation auf.
Das ist vielversprechend; ändert aber nichts daran, dass es auf dem Titan immer noch verdammt kalt ist. Selbst wenn die Bausteine für die Entstehung von Leben vorhanden ist, wird es bei minus 180 Grad und ohne flüssiges Wasser problematisch. Aber das muss kein unüberwindbares Hindernis sein. Was wäre, haben sich die Astrobiologen gefragt, wenn ein Asteroid auf Titan einschlägt? Das wird sicherlich immer wieder mal vorkommen und so ein Himmelskörper könnte die Kruste aus gefrorenen Kohlenwasserstoffen durchschlagen und eine Mischung aus flüssigem Wasser und Ammoniak an die Oberfläche bringen. Man weiß zwar nicht sicher, ob es unter der Eisdecke des Titan solche unterirdischen Gewässer gibt, aber es deutet vieles darauf hin. Simulationen zeigen, dass nach einem ausreichend großen Einschlag die Kruste bis zu 10.000 Jahre offen bleiben. Elektrische Entladungen in der Atmosphäre (die nach einem Impakt verstärk auftreten) könnten dann die chemischen Prozesse in Gang setzen, die man im Labor beobachtet hat.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob die paar tausend Jahre ausreichen, um Leben entstehen zu lassen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass wir heute Leben auf dem Titan finden würden. Aber die Experimente haben gezeigt, dass auch andere primordiale Atmosphären prinzipiell in der Lage sind, komplexe Moleküle hervorzubringen. Die Wissenschaftler sind optimistisch und wollen nun auch andere Monde untersuchen, die vielleicht ein bisschen wärmer sind und bessere Bedingungen für die Entwicklung von Leben bieten. Es ist noch ein weiter Weg, bis wir die Entstehung des Lebens verstanden haben. Aber immerhin sind wir unterwegs und nicht mehr nur auf reine Spekulationen angewiesen. Es mag nur der erste Schritt gewesen sein – aber es ist ein wichtiger Schritt!
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