Ich bin in den letzten Jahren sehr selten ins Kabarett gegangen. Vermutlich genau so sehr aus allgemeiner Faulheit wie aus dem Mangel an wirklich lustigen Kabarettisten in Deutschland (die hier ja auch alle pseudolustige “Comedians” sind). Aber wenn Martin Puntigam ein neues Programm herausbringt dessen Titel “Supererde” lautet und bei dem es um den Flug zu einem anderen Planeten geht, dann muss ich mir das natürlich ansehen. Das habe ich gestern gemacht und es war wunderbar!
Martin Puntigam werden die meisten Leserinnen und Leser ja wahrscheinlich als Teil der Gruppe “Science Busters” kennen, über die ich hier im Blog schon sehr oft geschrieben habe (zum Beispiel hier, hier oder hier). Aber Martin Puntigam hat schon lange vor den Science Busters seine eigenen Solo-Programme gespielt und macht das glücklicherweise immer noch. Im Gegensatz zum Rest der österreichischen Kabarettistenszene hat die Wissenschaft in Puntigams Programmen immer schon eine Rolle gespielt und seit er bei den Science Bustern aktiv ist, ist diese Rolle nicht kleiner geworden. “Supererde” ist aber trotzdem kein Wissenschaftsprogramm und hat nichts mit dem zu tun, was man bei den Science Bustern sehen kann. “Supererde” ist intelligentes, lustiges und stellenweise auch tragisches Theater und das auch noch mit extrasolaren Planeten. Was will man mehr?
Ich weiß jetzt gar nicht, wie man ein Kabarett-Programm vernünftig rezensiert… Die Handlung des Stücks will ich nach Möglichkeit nicht verraten. Nur so viel: Martin Puntigam spielt einen Moderator im Kinderfernsehen, der gerade eine Pilotfolge für seine neue Sendung “Supererde” dreht. Die Gespräche des Moderators mit dem Plüschalien “Eli” über Planeten und das zukünftige Schicksal der Sonne werden aber durch einen Telefonanruf seines Sohns unterbrochen und driften in die eigene Lebensgeschichte ab. Und die steht im krassen Gegensatz zur lustigen Welt des Kinderfernsehens: Gescheiterte Ehe, Drogensucht (“Nirgends wird so viel gekokst wie im Musikantenstandl und im Kinderfernsehen”), Auftritte bei Kindergeburtstagen und Rehabilitation in der örtlichen Pfarre. Erst ein reicher Gönner reisst das tragisch gescheiterte Leben des Fernsehmoderators herum; nur um es danach noch tragischer und noch fundamentaler scheitern zu lassen. Aber zum Glück gibt es ja die “Supererde” – ein neu entdeckter Planet in nur 4 Lichtjahren Entfernung, der frisch und lebensfreundlich die Ankunft der ersten Menschen erwartet. Dort kann man sein Leben nochmal völlig neu beginnen und das Scheitern hinter sich lassen. Und die reiche Elite der Menschheit plant schon den Flug dorthin….
Wie schon gesagt: Es ist kein wissenschaftliches Programm aber es ist ein Programm, in dem Wissenschaft immer wieder eine Rolle spielt. Und da Martin Puntigam im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen auch tatsächlich Ahnung von Wissenschaft hat, sind die diversen Anspielungen und Details auch alle erfreulich korrekt. Egal ob es nun um die Zukunft der Sonne geht, genetische Erkenntnisse über die Entstehung des Menschen, die Bedeutung von Darmbakterien bei der Besiedlung neuer Welten oder Kunstfleischburger. Und selbst den Ausfall der Weltraumteleskope Kepler und CoRoT hat Puntigam in sein Programm eingebaut (der arme Pöbel soll ja nicht zu viel Informationen über die zweite Erde bekommen, so lange die reiche Elite sie noch nicht in Besitz genommen hat…).
Ob die von Martin Puntigam vorgeschlagene Taktik zur Organisation eines 400 Jahre langen Raumflugs mit anschließender Neubevölkerung eines kompletten Planeten auch wirklich so funktioniert, ist zweifelhaft. Aber sehr viel unrealistischer als die diversen derzeit kursierenden Pläne zur Besiedelung des Mars ist sie auch nicht… aber dafür sehr viel lustiger, interessanter und mit deutlich mehr dramaturgischen Potential! Und wenn irgendwer das Weltall erobert, dann sollten es definitiv die Österreicher sein! Immerhin zitiert Puntigam ja auch ausführlich den ehemaligen Bundespräsidenten und UN-Generalsekretär Kurt Waldheim und seine Botschaft an die Außerirdischen, die mit den Voyager-Sonden ins All geschickt wurde.
Ich kann den Besuch von “Supererde” nur empfehlen. Ich als Astronom hab mich natürlich auf die astronomischen Details konzentriert. Aber auch ohne die ganzen wissenschaftlichen Anspielungen ist es ein sehr intelligentes und unterhaltsames Theaterstück. Kein plumpes Witzeerzählen, wie es ja mittlerweile bei den “Comedians” üblich geworden ist, sondern eine Geschichte über die man nicht nur lachen, sondern auch nachdenken kann – und das liegt nicht nur am wissenschaftlichen Anspruch. Doris Glaser von Ö1 beschreibt das so:
„Puntigam hat nämlich in sein Ein-Personen-Stück “Supererde” alle relevanten Themen – oder besser gesagt Problemzonen – unserer Zeit ganz schlüssig und unangestrengt mit hinein verpackt. Veränderte Rollenbilder von Mann und Frau, Nutzen und Gefahren des Internets, Drogenkonsum, die Medienbranche im Würgegriff der Wirtschaft, die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, der Umgang mit Flüchtlingen, die Rolle der Kirche, der Angriff auf die Freiheit durch neue Überwachungssysteme. Und sogar über Haustiere macht er sich seine Gedanken.“
Seht euch “Supererde” an, wenn ihr die Möglichkeit habt! Das geht nicht nur in Österreich, sondern demnächst auch in Deutschland. Von 12. bis 15. März und von 19. bis 22. März wird Martin Puntigam mit “Supererde” in der Lach- und Schiessgesellschaft in München auftreten und am 11. und 12. April im Gostner Hoftheater in Nürnberg. Ihr werdet den Besuch mit Sicherheit nicht bereuen!
P.S. Das Titellied der fiktiven Kinderfernsehserie “Supererde” könnt ihr übrigens in diesem Video einer Tanzprobe hören.
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