Es geht weiter mit dem Astrodicticum-Simplex-Buchclub. Wir lesen gemeinsam ein Buch und zwar “Die Vermessung des Universums” von Lisa Randall (Hinweis: Das hier ist keine komplette Rezension des Buches. Ich erwähne hier nur ein paar interessante Themen und gebe keinen vollständigen Überblick. Ich gehe davon aus, dass jeder der am Buchklub-Projekt mitmacht, das Buch auch selbst gelesen hat und über den Inhalt Bescheid weiß). Im ersten Teil haben wir über Sinn und Unsinn von langen Einleitungen diskutiert und über Randalls Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Im zweiten Teil haben wir gelesen, wie Randall Wissenschaft gegenüber Kunst und Religion abgrenzt. Mittlerweile sind wir bei den Kapiteln 5 und 6 angekommen und nun geht es mit der Teilchenphysik los. Lisa Randall gibt einen Überblick über die Entwicklung dessen, was wir bisher über die Mikrowelt herausgefunden haben.
In Kapitel 5 (“The Magical Mystery Tour”) erzählt Randall von der historischen Entwicklung der Teilchenphysik und zeigt uns, wie sich die Welt verändert, wenn wir immer kleinere und kleinere Skalen betrachten. Sie beginnt bei den alltäglichen menschlichen Größenordnungen von ein paar Metern und blickt dann immer tiefer in die Materie hinein. Sie nimmt dabei wieder das Thema aus den ersten Kapiteln auf und zeigt, das wir die Welt zwar durchaus auf einer bestimmten Skala verstehen können, die Dinge sich aber massiv ändern, wenn wir tiefer blicken. Die “feste” Materie, die wir mit der normalen Alltagsmechanik á la Newton beschreiben, verändert sich, wenn wir sie auf atomaren Skalen betrachten – denn jetzt ist da keine feste Materie mehr, sondern nur noch ein Atomkern, der von jeder Menge Nichts und ein paar Elektronen umgeben ist. Und so ändert sich das Bild immer wieder; bis hinab zu den Quarks und was immer danach kommen mag…
Eine Einführung in die (sub)atomare Welt dieser Art findet man in vielen populärwissenschaftlichen Büchern über dieses Thema und anders geht es ja auch nicht. Wissen dieser Art gehört nicht zum Allgemeinwissen und wenn man die aktuelle Teilchenphysik erklären will, muss man erst mal den Status Quo erklären. Wenn man regelmäßig populärwissenschaftliche Bücher liest, dann können diese Einleitungskapitel aber manchmal ein wenig langweilig werden (genau so wie die Kapitel über Relativitätstheorie und Quantenmechanik in Büchern über Kosmologie). Aber ich lese sie trotzdem gerne, denn oft findet man dort Gedanken auf eine ganz neue Art und Weise dargestellt an die man noch nicht gedacht hat bzw. Dinge viel besser erklärt, als man sie bisher erklärt bekommen hat. Bei Lisa Randall sind mir hier zwei solcher Dinge aufgefallen.
Einmal der Satz:
“One can’t help but think of quarks as all bound together in a sack with some tangible barrier from which they can not escape.”
Randall spricht hier von der Struktur des Protons und wie schwer es uns fällt, ein korrektes Bild zu dessen Beschreibung zu finden. Und es stimmt: Auch habe schon davon gesprochen, dass “ein Proton aus drei Quarks besteht” und wenn ich mir das vorstelle, dann sehe ich eine Kugel, in deren Inneren sich drei kleinere Kugel befinden. Aber so ist es natürlich nicht und das hat mir dieser Satz von Randall wieder sehr bewusst gemacht. Es gibt kein Proton, in dessen Inneren sich etwas befinden könnte. Es gibt drei aneinander gebundene Quarks, nicht mehr. Und diese Quarks sehen für uns aus einer gewissen Entfernung eben einfach nur aus wie ein einzelnes Objekt, das wir “Proton” genannt haben. Aber eigentlich gibt es dieses Proton nicht und es kann deswegen auch nicht aus irgendwas “bestehen”.
Und auch der zweite Punkt der mir aufgefallen ist, beschäftigt sich mit der Struktur dessen, was wir Proton nennen. Wenn wir uns unsere Proton-Kugel vorstellen mit den drei kleineren Quark-Kugeln darin, dann war es das meistens auch schon und auch die offiziellen Darstellungen dieser Art sehen meistens genau so aus:
Aber auch das ist irreführend. In so einem Proton (es ist verdammt schwer, das nicht so zu beschreiben, nicht wahr?) ist viel mehr los. Da sind nicht nur drei einsame Quarks. Diese drei Quarks sind die Valenz-Quarks also die, die die Ladung des Protons bestimmen. Ein Proton ist immer positiv geladen und die die beiden Up- und das eine Down-Quark liefern zusammen genau diese eine positive Ladung. Man könnte da jetzt nicht einfach noch ein Down-Quark dazu packen, denn dann würde sich die Ladung ändern. Aber man könnte ein Down-Quark UND ein Anti-Down-Quark hinzufügen. Das würde die Ladung nicht ändern; nur die Masse. Und wenn Teilchen und Anti-Teilchen sich gleich wieder vernichten, dann merkt auch die Masse des Protons nicht, dass da irgendwas war…
Solche Teilchenpaare, die kurz aufpoppen, gleich wieder verschwinden und die Ladung die nicht ändern, nennt man “Virtuelle Teilchen” und es gibt sie tatsächlich. Genauso wie die Gluonen. Das sind Teilchen, die die starke Kernkraft vermitteln, also die Kraft, die dafür sorgt dass die Quarks zusammenhalten. Die Gluonen sind das, was die Photonen für die elektromagnetische Kraft sind – mit einem Unterschied. Photonen sind elektrisch nicht geladen und unterliegen daher selbst NICHT der elektromagnetischen Kraft, die sie vermitteln. Die Gluonen tragen aber eine starke Ladung, beeinflussen sich also auch gegenseitig mit der starken Kernkraft und vermitteln sie nicht einfach nur. Deswegen ist es auch so schwer, die Quarks voneinander zu trennen.
In einem Proton gibt es also neben den Valenz-Quarks auch noch haufenweise virtuelle Quark-Paare und Gluonen. Das wird in vielen populärwissenschaftlichen Darstellungen vernachlässigt und es ist gut, dass Randall das so explizit und so früh erwähnt. Denn das muss man wissen, wenn man verstehen will, wie das mit dem Higgs-Teilchen funktioniert. Oder wie ein Teilchenbeschleuniger funktioniert.
Das ist das Thema von Kapitel 6 (“‘Seeing’ Is Believing”). Hier erklärt Randall, wie die Wissenschaftler die (sub)atomare Welt überhaupt beobachten können und was “beobachten” in diesem Zusammenhang heißt. Sie gibt einen kurzen Überblick über die verschiedenen frühen Experiment von Rutherford & Co und erklärt die grundlegenden Prinzipien beim Betrieb eines Teilchenbeschleunigers. Ich fand besonders den Teil interessant, in dem sie davon erzählt, wie man die Teilchen auswählt, die im Beschleuniger aufeinander treffen sollen. Da muss auch wieder auf die Ladung geachtet werden: Schmeißt man zum Beispiel ein Elektron auf ein Elektron, dann sind beide elektrisch negativ geladenen und aus dieser Kollision können nur wieder Teilchen entstehen, die zusammen selbst eine doppelt negative Ladung haben. Stoßen Elektron und Anti-Elektron (ein Positron) zusammen, dann haben die zusammen eine Ladung von genau 0. Und aus dieser Kollision können alle Arten von Teilchen entstehen, die zusammen ebenfalls eine neutrale Ladung haben. Und da das für jedes Teilchen-Anti-Teilchen-Paar zutrifft, kann man damit ALLE Teilchen erzeugen, wenn man nur genügend Energie rein steckt.
Warum also hat man sich beim LHC dafür entschieden, Protonen auf Protonen zu schießen? Und keine Elektronen/Positronen genommen oder Protonen-Anti-Protonen-Paare? Weil Anti-Protonen knifflig zu erzeugen sind und weil Elektronen viel leichter sind als Protonen und nicht so viel Rumms haben. Und weil es “Protonen” ja eigentlich nicht gibt, sondern nur Ansammlungen von Valenzquarks, Virtuellen Teilchen und Gluonen und DIE sind es, die miteinander kollidieren. Und da kann es sehr wohl vorkommen, dass ein Quark auf der einen Seite mit einem Antiquark auf der anderen Seite kollidiert. Oder zwei Gluonen, die elektrisch ja sowieso neutral sind.
Ich fand Kapitel 5 und 6 sehr interessant. Es ist zwar noch keine neue Forschung enthalten sondern nur eine Zusammenfassung dessen, was man schon lange kennt. Aber solche Zusammenfassungen sind 1) nötig und können 2) trotzdem wertvoll sein, weil man – vorausgesetzt es handelt sich um ein gutes Buch – immer noch das eine oder andere Detail findet, das man vorher nicht kannte und das zum Nachdenken anregt. Welche Details das in meinem Fall waren, habe ich hier ja schon erklärt. Aber mich würde natürlich interessieren, was euch in diesen beiden Kapiteln aufgefallen ist. Was habt ihr noch nicht gewusst und erst jetzt erfahren? Was hat euch zum Nachdenken angeregt?
Das nächste Mal treffen wir uns am 14. März. Da bin ich zwar auf der Buchmesse in Leipzig, hoffe aber trotzdem einen Artikel rechtzeitig vorbereiten zu können. Bis dahin können wir Kapitel 7 und 8 lesen. Falls euch die Lesegeschwindigkeit zu schnell (oder zu langsam) ist, sagt Bescheid – dann können wir das auch gerne modifizieren. Bis bald!
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