Der gestrige Tag wird vermutlich in die Geschichtsbücher eingehen – zumindest in diejenigen, die sich mit der Geschichte der Wissenschaft befassen. Gestern haben Forscher eine spektakuläre Entdeckung gemacht. Eine Entdeckung, die zwar nicht unerwartet gekommen ist, aber deswegen nicht weniger beeindruckend ist. Eine Entdeckung, die uns verrät, wie unser Universum entstanden ist und eine der seltsamsten kosmologischen Hypothesen der letzten Jahrzehnte bestätigt. Die Beobachtungsdaten der Wissenschaftler zeigen, dass unmittelbar nach dem Urknall die kosmologische Inflation stattgefunden hat. Und das hat weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis des gesamten Universums!
Ein neuer Blick auf das Universum
Ich habe gestern schon ausführlich über die wissenschafliche Hintergründe geschrieben und erklärt, was die Inflation ist, warum man diese These entwickelt hat, wie man sie beobachten könnte und wie man sie schließlich beobachtet hat. Ich werde das hier jetzt nicht alles noch mal wiederholen (wenn ihr den Artikel also noch nicht gelesen habt, dann holt das besser vorher nach), möchte aber ein bisschen konkreter auf die eigentliche Entdeckung und deren Bedeutung eingehen.
Die wissenschaftlichen Daten der dreijährigen Beobachtungskampagne am Südpolteleskop in der Antarktis wurden in der Facharbeit mit dem Titel “BICEP2 I: Detection Of B-mode Polarization at Degree Angular Scales“. Ich bin kein Kosmologe und behaupte nicht, dass ich jedes Detail in diesem Artikel verstehe. Aber ein paar interessante Sachen möchte ich doch aufgreifen.
Die besondere Entdeckung um die es hier geht ist ja die Beobachtung von primordialen B-Moden. Dabei geht es um die Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung. Diese Strahlung beobachten wir schon seit den 1960er Jahren, haben aber bisher nur ihre unterschiedliche Intensität gemessen. Aus diesen Messungen stammen Bilder dieser Art, die vermutlich jeder schon Mal gesehen hat:
Man sieht eine Darstellung des gesamten Himmels und die Farben geben an, wie hoch die Intensität der Hintergrundstrahlung ist. Die Variationen entsprechen Dichteschwankungen in der Verteilung der Materie, knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall. Wir sehen also in eine Zeit vor 13,8 Milliarden Jahren zurück, als das Universum gerade Mal 0,00003 Prozent seines heutigen Alters erreicht hat. Und weiter können wir auch nicht direkt zurück sehen, denn zu diesem Zeitpunkt war das All das erste Mal kühl genug, damit sich Strahlung überhaupt ausbreiten konnte. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist die älteste Strahlung im Universum und damit auch die älteste, die wir beobachten können.
Aber trotzdem ist es möglich, etwas über die Zeit davor zu erfahren! Dazu muss man nicht nur die Intensität des Lichts beobachten, sondern auch seine Polarisation. Also, simpel gesagt, nachsehen, wie die Lichtwellen ausgerichtet sind. Die Variationen in der Verteilung der Materie beeinflussen, wie das Licht sich ausbreitet und können auch seine Polarisation verändern. Das kann allerdings auf zwei grundlegend verschiedene Arten passieren. Beobachtet man die Ausrichtung der Polarisation in der Umgebung der Dichteschwankungen, dann kann man entweder ein spiegelsymmetrisches Muster bekommen oder ein wirbelförmiges Muster, das nicht spiegelsymmetrisch ist. Die beiden Fälle werden E-Moden und B-Moden genannt:
Verursacht werden die E- und B-Moden durch unterschiedliche Phänomene. E-Moden entstehen, wenn Licht an Atomen in einem Plasma gestreut wird und haben mit dem ganz frühen Universum nichts zu tun. Dafür aber die B-Moden und die hat man nun endlich beobachtet. Dieses Bild fasst die Ergebnisse der Beobachtung zusammen und wird vermutlich in Zukunft genau so ikonisch werden wie die Bilder der Intensitätsverteilung der Hintergrundstrahlung:
Man erkennt hier wunderbar, wie sich die Polarisation, angedeutet durch die Linien, wirbelförmig entwickelt (die Farben geben die Stärke des “Wirbels” im bzw. gegen den Uhrzeigersinn an), genau so wie es bei den B-Moden zu erwarten ist. Hier sehen wir übrigens nur einen Ausschnitt des gesamten Himmels, denn das Instrument mit dem die Daten gewonnen wurden, war vergleichsweise klein. Das Teleskop, das am Südpol die Mikrowellen aus dem All aufgefangen hat, hat nur einen Durchmesser von 30 Zentimetern und eben nur einen Ausschnitt des Himmels beobachtet. Das aber jahrelang und darum konnte man auch so genaue Daten sammeln.
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