Vor 10 Tagen hat im Technischen Museum der Stadt Wien der “Tag der Astrologie” stattgefunden. Ja, tatsächlich Astrologie, die esoterische Pseudowissenschaft und nicht Astronomie, die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Himmelskörpern. Ich habe im Vorfeld ausführlich darüber berichtet (hier und hier) und das Museum heftig dafür kritisiert, seine Räumlichkeiten für diesen unwissenschaftlichen Zweck zu vermieten. Mag sein, dass die Astrologen in der Wirtschaftskammer organisiert sind und diese Wirtschaftskammer für ihre PR-Veranstaltung genug Geld ausgeben kann und will um sich das Technische Museum mieten zu können. Aber ein Museum mit Bildungsauftrag sollte redlich genug sein, um nicht einfach jeden in ihr Haus zu lassen. Ein Museum mit Bildungsauftrag sollte vor allem nicht dazu beitragen, Esoterik wie die Astrologie aufzuwerten. Denn dann passiert nicht nur das, was sich die Astrologen wünschen. Die wollen von der Seriosität des Museums profitieren und sich in der Öffentlichkeit den Anschein von Wissenschaftlichkeit geben (ist ja auch gut fürs Geschäft). Der Transfer läuft aber auch in die andere Richtung: Wenn das Technische Museum den Pseudowissenschaften Raum gibt, verliert es Stück für Stück seine eigene Seriosität.
Die Astrologen jedenfalls waren naturgemäß begeistert, dass sie sich in einem wissenschaftlichen Rahmen präsentieren durften. Das kann man auch ihrer Pressemitteilung entnehmen, in der die Direktorin des Museums, Dr. Gabriele Zuna-Kratky, explizit dafür gelobt wird, die Astrologen in ihr Museum geladen zu haben:
“Ich freue mich, dass Dr. Zuna-Kratky damit den Dialog zwischen unterschiedlichen Branchen und Theorie und Praxis fördert – und nicht Missverständnisse”, so Flenreiss und fordert damit die kritische Wissenschaft auf, dem Vorbild der Direktorin zu folgen und dialogbereit zu sein.”
Ok. Herr Kommerzialrat Gerhard Flenreiss wünscht sich also, dass die Wissenschaftler mit ihm reden und Missverständnisse ausräumen. Der Aufforderung wollte ich gerne nachkommen und habe ihm deswegen eine Email geschrieben. Ich hatte gehofft, vielleicht von ihm zwei Fragen beantwortet zu bekommen, die in der Diskussion mit Astrologen immer wieder für Verwirrung und Missverständnisse sorgen.
Da ist einmal die Sache mit der Seriosität. Kritisiert man konkrete Astrologen, bekommt man von deren Kollegen oft zu hören, dass das ja keine “seriösen” Astrologen seien. Es wird einem erklärt, dass Zeitungshoroskope nicht seriös sind oder Astrologen, die konkrete Vorhersagen machen. Die Zeitungsastrologen widersprechen dem natürlich und halten sich selbst durchaus für seriös. Ich frage mich daher schon länger, wie man einen seriösen Astrologen erkennt, habe bis jetzt aber noch keine befriedigende Antwort darauf gefunden.
Dabei sollte es doch im Sinne der in der Wirtschaftskammer organisierten Astrologen sein, hier Klarheit zu schaffen. Astrologie ist ein Dienstleistungsgewerbe und man will sich sicherlich von den schwarzen Schafen abgrenzen. Das wird so auch explizit in der Pressemitteilung gesagt:
“Die Wiener Astrologen haben zudem Ethikrichtlinien festgelegt, die die Professionalität der Branche streng festlegen. Denn: Im Gegensatz zur Astrologie-Praxis in den Medien, die häufig
nur auf Unterhaltung ausgerichtet ist, wollen die gewerblichen Astrologen durch eine professionelle Arbeit überzeugen.”
Diese Ethikrichtlinien habe ich mir angesehen, aber so wirklich klar sehe ich darin keine Unterscheidung zwischen “Unterhaltungsastrologie” und “professioneller Arbeit”. Zusammenfassend scheinen sie nur zu sagen, dass ein ethischer korrekt handelnder Astrologie nett zu seinen Kunden ist und nicht vorhersagt, dass irgendwas “Gut” oder “Schlecht” ist…
Das zweite missverständliche Thema in der Diskussion mit Astrologen ist die Sache mit den Vorhersagen. Klassischerweise verbindet man mit der Astrologie ja vor allem die Prophezeiung der Zukunft. Astrologen sagen einem, was in der Zukunft steht. Die Zukunft steht in den Sternen. Und das Horoskop sagt mir, was passieren wird. Wann ich den Traummann oder die Traumfrau treffen werde. Wann ein Erdbeben passiert. Wann der Börsenkurs steigt oder fällt. Und so weiter. Diese “prophetische Kraft” wird zumindest dann immer sehr häufig angeführt, wenn es darum geht, vergangene Ereignisse zu erklären. Da führen die Astrologen immer sehr ausführlich aus, warum die Ereignisse exakt aus dem Horoskop abgelesen werden können. Andererseits hört man von Astrologen aber auch sehr oft, dass man die Zukunft eben nicht vorhersagen kann. Dass die Sterne unser Schicksal nicht bestimmen und wir in unserem Handeln völlig frei sind. Und dass die Astrologie nur die “Zeitqualität” vorhersagen kann. Auch das wird in der Pressemitteilung so erklärt:
“Astrologie ist ein wertvolles Kulturgut, eine differenzierte Typologie und eine bewährte Methode zur Bewertung der Zeitqualität.”
Was genau diese “Zeitqualität” ist und inwiefern sich eine “Bewertung der Zeitqualität” von einer Vorhersage der Zukunft unterscheidet, wurde leider nicht genau ausgeführt.
Ich wollte das Angebot von Kommerzialrat Gerhard Flenreiss auf jeden Fall annehmen und habe ihm am 21. März eine Email geschickt (er war ja in der Pressemitteilung auch als Ansprechpartner für Rückfragen angegeben). Leider hatte er dann aber anscheinend doch keine Zeit, dialogbereit sein – zumindest jedenfalls nicht mir gegenüber, denn ich habe bis heute keine Antwort bekommen. In der Hoffnung, dass vielleicht noch andere Astrologen hier vorbeikommen und mitlesen, möchte ich den Text der Email hier im Blog noch einmal wiederholen:
Sehr geehrter Herr KommR Flenreiss,
Ich habe ihre Aussendung zum Astrologentag 2014 (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20140319_OTS0220/anmelderekord-beim-wiener-astrologentag-2014) gelesen, in der sie die Kritik an der Veranstaltung kritisieren. Ich bin Journalist und Wissenschaftsautor und gehöre zu genau den Leuten, die diese Veranstaltung kritisiert haben. In ihrer Aussendung schreiben sie, dass sie in der Wirtschaftskammer darauf achten, nur “professionelle Astrologie” zu betreiben.
Ich möchte noch einen Artikel zu den Nachwirkungen des Astrologentags schreiben und habe dazu noch eine Frage bei der ich hoffe, dass sie mir weiterhelfen können.Bei Gesprächen mit Astrologen habe ich schon öfter zu hören bekommen, dass man zwischen “trivialer” Astrologie und “seriöser” Astrologie unterscheiden muss und die übliche Kritik an der Astrologie auf die seriöse Ausübung dieser Tätigkeit nicht zutrifft.
Mich würde nun interessieren, wie genau sie die professionelle von der trivialen Astrologie abgrenzen? Wie kann man zum Beispiel als potentieller Kunde herausfinden, ob der Astrologe den man aufsuchen möchte, professionell ist? Worin genau unterscheidet sich die Arbeit eines professionellen Astrologen von der unseriösen Astrologie? Sie sagen außerdem, die Astrologie sei eine “bewährte Methode zur Bewertung der Zeitqualität”. Könnten sie kurz erklären, was genau die professionelle Astrologie unter dem Begriff “Zeitqualität” versteht und wieso die Astrologie in der Lage ist, hier eine Bewertung vorzunehmen?Für eine Antwort, die ich auch veröffentlich darf, wäre ich ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Florian Freistetter
Der Astrologie-Tag selbst scheint auf aus Sicht der Astrologen auf jeden Fall ein Erfolg gewesen zu sein. In der Mediathek des österreichischen Fernsehens kann man sich (zumindest momentan noch) einen kurzen Bericht darüber ansehen. Auch darin sind einige sehr interessante Aussagen enthalten. Zum Beispiel von Peter Fraiss, der sagt:
“Was für viele schwer zu begreifen ist, ist das man mit der Astrologie tatsächlich feststellen kann, welche Talente zum Beispiel in einem Menschen drinnen sind und darauf warten, entfaltet zu werden.”
Ja, das ist für viele wohl wahrscheinlich wirklich schwer zu begreifen, da es einerseits keine seriösen und nachvollziehbaren Belege für solche Behauptungen gibt und andererseits sich die Astrologen eben ein wenig schwer tun, genau zu erklären, was sie da eigentlich tun bzw. das gar nicht erklären wollen. Was für mich persönlich ebenfalls schwer zu verstehen ist, ist die Frage warum jemand ohne medizinische Ausbildung sich als “psychologischer Astrologe” betätigen darf. Psychologische Krankheiten sind Krankheiten und um sie zu heilen, braucht es entsprechendes Wissen über die Abläufe im menschlichen Körper und Geist und eine entsprechende Ausbildung. Wenn man ohne medizinische Ausbildung nicht als Arzt praktizieren darf, wieso darf man dann als Astrologe die psychischen Probleme der Menschen “behandeln” (und das kommt leider sehr oft vor)?
Auch Astrologin Regina Binder kommt im Beitrag kurz zu Wort. Sie hatte ja im Vorfeld der Veranstaltung die Kritiker mit der Inquisition verglichen:
“KURIER-Astrologin Regina Binder fühlt sich an die Inquisition zurückerinnert und assoziiert ihre Berufsgruppe mit „Hexen, die brennen müssen“.”
und sich zumindest aus meiner Sicht damit jeglicher vernünftigen Diskussion entzogen. Wer seine Kritiker indirekt mit Mördern vergleicht, stellt sich damit außerhalb jedes seriösen Diskurses. Im Fernsehbericht spricht sie wieder die Sache mit der Zeitqualität an:
“Eigentlich geht es darum, dem Gegenüber zu erklären, was die Zeit für einen bereit hält.”
Dass die Sterne aber anscheinend doch ganz konkret das Schicksal der Menschen bestimmen und nicht nur die “Zeitqualität”, erklärt kurz danach die “Ernährungsberaterin” Gabriele Brigitte Scheucher:
“Der Steinbock möchte das Wiener Schnitzel immer so mit Kartoffelsalat. Der Wassermann ist der extravagante, der isst es einmal so, einmal so, einmal vielleicht mit Ketchup.”
Mich würde ja jetzt interessieren, ob es sich bei solchen Aussagen aus Sicht der Astrologen der Wiener Wirtschaftskammer um “seriöse” Astrologie handelt oder nicht. Einen klaren Verstoß gegen die Ethikrichtlinien kann ich darin eigentlich nicht erkennen.
Ich fürchte ja fast, dass ich auch diesmal ohne Antworten auf meine Fragen bleiben werde. Vermutlich denkt man sich bei den Astrologen, dass ein Gespräch mit Kritikern nicht unbedingt sein muss, wo es doch genug Menschen gibt, die bereitwillig an die Astrologie glauben…
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