Der 1. Januar im Jahr 4713 v.Chr. war ein Donnerstag. Damals war vermutlich in den meisten Teilen der Welt noch nicht allzu viel los. In Sachsen-Anhalt waren vielleicht schon ein paar Touristen nach Goseck unterwegs, denn das dortige Sonnenobservatorium existierte immerhin schon seit knapp 200 Jahren und es war Zeit genug, damit sich rumsprechen konnte, was für interessante Dinge man dort anstellte. In anderen Teilen der Welt domestizierte man Wasserbüffel, erfand das Rad und entdeckte, wie man Bier braut. In China überlegte man sich, dass man ja auch mal Reis anbauen könnte und in Mexiko fand man heraus, dass auch Mais recht nützlich und schmackhaft sein kann. Und um 12 Uhr Mittags am 1. Januar im Jahr 4713 vor Christus begann ein wichtiger astronomischer Kalenderzyklus. Es war der erste Tag des “Julianischen Datums”, das auch heute noch von allen Astronomen verwendet wird.
Komplizierte Kalender
Damals wurde kein Prophet oder Erlöser geboren. Kein König ist gestorben, kein Held hat eine Schlacht gewonnen und auch sonst hat niemand irgendwas von Bedeutung gemacht (zumindest nichts, von dem wir heute noch wissen). Der 1. Januar 4713 v.Chr. wurde erst im 16. Jahrhundert interessant für die Wissenschaftler. Die mussten sich mit genau den gleichen Dingen herumärgern, die auch schon die Erbauer des Sonnenobservatoriums von Goseck beschäftigt haben: Wie behält man den Überblick über die Zeit?
Bald ist ja wieder Ostern und wer sich einmal mit dem Problem der Berechnung des korrekten Osterdatums beschäftigt hat, der weiß: Kalenderrechnung ist, um das mal ganz direkt zu sagen, ein ziemlich nerviger Kram! Wer möchte, kann ja mal ausprobieren, spontan zu berechnen, wie viel Tage zwischen dem 17. Februar 1876 und dem 24. Juni 1965 liegen… Und wenn man dann noch anfängt und zurück geht zu Zeiten, als wir noch den julianischen Kalender und nicht den gregorianischen Kalender verwendet haben oder die ganzen Kalender, die davor benutzt wurden, dann wird es richtig kompliziert. Heute kann man Computer programmieren, die diese Aufgabe erledigen (und hoffen, keine der ganzen Schaltregeln und Kalenderumstellungen dabei zu übersehen). Aber früher musste man das alles per Hand rechnen. Und besonders die Astronomen hatten ihren Ärger mit dem Kalender. Einerseits waren sie dafür zuständig, den Kalender erst zu berechnen. Andererseits mussten sie auch damit rechnen. Man beobachtet zum Beispiel einen Stern; beobachtet ihn ein paar Wochen später nochmal und dann wieder ein paar Monate danach und am Ende will man die Daten auswerten und muss wissen, wie viele Tage genau zwischen den Beobachtungen lagen.
Und egal welches Kalendersystem man sich ausdenkt: Es wird nicht einfach werden. Das Universum hat uns mit einem Planeten bedacht, dessen Umlaufzeit um die Sonne kein ganzzahlig Vielfaches seiner Rotationsdauer um die eigene Achse ist. Wir könnten uns zwar simple System ausdenken, in denen eine Woche 10 Tage hat und ein Monat 10 Wochen oder sowas in der Art. Aber wenn wir den Kalender an die wiederkehrenden Jahreszeiten koppeln wollen, dann bleibt das Problem bestehen, dass die Erde für einen kompletten Jahreszeitenzyklus, also einen Umlauf um die Sonne, nun mal eben 365 Tage und einen Vierteltag braucht. Ohne irgendwelche Schaltregeln die in Jahren mit unterschiedlichen Längen resultieren, geht es nicht (Es sei denn, wir würden die Rotation der Erde verändern oder sie an eine andere Stelle im Sonnensystem schieben).
Für unseren Alltag brauchen wir einen Kalender, der an den Zyklus der Jahreszeiten gekoppelt ist. Aber zumindest für wissenschaftliche Aufgaben könnten wir uns einen ausdenken, der ein bisschen einfacher zu bearbeiten ist. Das dachte sich auch der Gelehrte Joseph Justus Scaliger im 16. Jahrhundert. Scaliger war kein Naturwissenschaftler – zumindest nicht im modernen Sinn, denn moderne Naturwissenschaft gab es damals nicht. Aber er beschäftigte sich auch intensiv mit alter Geschichte und antiker Astronomie und Philosophie und hatte ein Interesse daran, den Überblick über den ganzen Kalenderkram zu bewahren. Daher suchte er nach einem System, mit dem sich der Wust an unterschiedlichen Kalenderdaten vereinheitlichen lässt.
Kommentare (43)