Ich gelte ja als Teil der “skeptischen Bewegung”, obwohl ich kein Mitglied in irgendeiner “Skeptikerorganisation” bin. Das ist durchaus Absicht (dazu später mehr). Und in letzter Zeit habe ich mir immer öfter Gedanken über bestimmte Aktionen der organisierten Skeptiker gemacht. Ein Artikel von Hayley Stevens hat mich nun dazu motiviert, diese Gedanken auch einmal aufzuschreiben. Zuerst empfehle ich euch aber, den Artikel von Hayley zu lesen – macht es wirklich, es lohnt sich: “Taking out the garbage: on approaching Skeptical Activism”.
Es fällt mir schwer, das in Worte zu fassen, was mich bewegt beziehungsweise was mich an einigen Aspekten des organisierten Skeptikertums stört. Mir war es von Anfang an wichtig – und ist es noch – bei meiner Arbeit auch über Pseudowissenschaft, Esoterik und verwandte Themen zu sprechen. Wenn man Wissenschaft vermitteln will, dann muss man sich meiner Meinung nach auch zwangsläufig damit beschäftigen, was keine Wissenschaft ist, aber so tut als wäre es Wissenschaft oder in den Augen der Öffentlichkeit oft mit Wissenschaft verwechselt wird. Astrologie ist da zum Beispiel ein klassischer Fall aus meinem Arbeitsgebiet; genau so wie die diversen astronomisch motivierten Weltuntergangstheorien, die ebenfalls alle behaupten, aus wissenschaftlichen Untersuchungen zu resultieren.
Ich halte es für sehr wichtig, solche Themen auch öffentlich anzusprechen, wie ich das kürzlich zum Beispiel im Fall der Astrologie-Veranstaltung im Technischen Museum der Stadt Wien oder bei der angeblich von Astronomen entdeckten weltzerstörenden Säurewolke gemacht habe. Diese Art der Information ist wichtig und richtig und je mehr Menschen sich damit beschäftigen, desto besser.
Aber ich bezweifle, ob es nötig ist, sich dafür extra in speziellen Vereinen und Gruppen zu organisieren. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass dadurch in den Augen der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entsteht. Jedesmal wenn Skeptikergruppen öffentlich auftreten – zum Beispiel wie kürzlich bei der homöopathischen Überdosis-Aktion – dann schaffen sie damit natürlich Aufmerksamkeit für ihre Sache und das ist an sich keine schlechte Idee. Aber ich bin mir nicht sicher, ob damit auch die Menschen erreicht werden, die eigentlich erreicht werden sollen.
Das sind, in diesem Fall, natürlich nicht die Homöopathen selbst, die sich von so einer Aktion natürlich weder beeindrucken und schon gar nicht umstimmen lassen. Zielgruppe sollten die Menschen sein, die sich bisher über Homöopathie noch kaum Gedanken gemacht haben; vielleicht auch nicht mal so genau wissen, was da eigentlich dahinter steckt und darüber aufgeklärt werden sollen, dass es sich bei den Globuli eben nicht um echte Medizin handelt, sondern um wirkungslose Zuckerkugeln die auf abergläubischen und esoterischen Prinzipien basieren. Aber erreicht man diese Menschen wirklich?
Oder verstärkt man durch den Aktivismus in den Augen der Öffentlichkeit nur das Bild zweier einander gegenüberstehender extremer Gruppen. Auf der einen Seite sind die “Esoterikspinner” und auf der anderen stehen die “Skeptiker, die gegen alles sind”. Je öfter Skeptiker organisiert in der Öffentlichkeit gegen Esoterik und Pseudowissenschaft auftreten, desto mehr sieht es so aus, als sei “skeptisch sein” etwas, das irgendwie besonders und außergewöhnlich ist; etwas, das nur wenige Menschen machen (wollen) und sich deswegen in Vereinen zusammenschließen um das dort zu tun. Aus Sicht der Menschen, die man eigentlich erreichen will, ergibt sich das Bild von zwei extremen Gruppierungen die einander unversöhnlich gegenüberstehen, mit den “normalen” Menschen in der Mitte. Die Situation lässt sich vielleicht mit zwei rivalisierenden Fußball-Ultrafangruppen vergleichen, die einander im Stadium aggressive Sprechchöre an den Kopf werfen und die breite Masse der restlichen Fans will eigentlich nur das Spiel sehen und ist froh weder mit den einen noch mit den anderen etwas zu tun zu haben.
Dabei ist die Realität ja völlig anders. “Skeptisch sein” oder “vernünftig denken” ist nichts, wozu ein Verein nötig wäre. Es ist einfach eine Art, die Welt zu betrachten und eine Art, die eigentlich der Normalfall sein sollte. Es geht darum, rational über Dinge nachzudenken; nicht gleich immer auf den ersten Eindruck zu vertrauen; sich nicht verarschen zu lassen und auch seine eigene Wahrnehmung und die eigenen Motive zu hinterfragen. Es ist eine Art, die Welt zu betrachten, die vermutlich die meisten Menschen für sinnvoll halten. Es ist eben nur schwer, sie konsequent umzusetzen und deswegen lohnt es sich, sich immer wieder damit zu beschäftigen.
Die Organisation in speziellen skeptischen Vereinen oder “anti-esoterischen” Gruppen hilft dabei aber meiner Meinung nach hauptsächlich den Skeptikern selbst. Egal welchen Beschäftigungen oder Hobbys man nachgeht: Es ist immer schön, wenn man gleichgesinnte Menschen trifft und sich gemeinsam mit den Dingen beschäftigt, die man gerne tut. Genau aus diesen Gründen gibt es Sportvereine, Modellbauvereine, Tanzgruppen, Literaturzirkel, Hackerspaces, und so weiter. Und wenn sich Menschen, die gerne über Esoterik und Pseudowissenschaft diskutieren in Vereinen und Gruppen zusammenschließen, dann gibt es daran natürlich nichts auszusetzen. Aber aus meiner Sicht ist eben “vernünftig denken” kein Hobby und wenn der skeptische Aktivismus quasi zum Vereinssport wird, ist das meiner Meinung nach eher kontraproduktiv.
Vielleicht liegt mein Problem mit dem Aktivismus auch daran, dass ich mich nie sonderlich viel mit den “klassischen” Skeptikerthemen beschäftigt habe. Ich war nie sehr an Geistern, Hexen, dem Yeti, dem Monster von Loch Ness, UFOs, Bigfoot, Gedankenlesen, PSI-Kram und ähnlichen Dingen interessiert. Ich wollte den Menschen immer einfach nur erzählen, wie faszinierend die echte Welt sein kann; wie spannend die echte Wissenschaft ist und wie lohnend es sein kann, mehr über das Universum heraus zu finden, in dem wir leben. Und genau diese Motivation treibt ja auch die Esoteriker und Pseudowissenschaftler an! Sie wollen die Welt ebenfalls verstehen, erklären und anderen davon erzählen – sie haben nur irgendwo unterwegs eine andere Abzweigung genommen. Darüber spricht ja auch Carl Sagan im ersten Kapitel seines Buchs “Der Drache in meiner Garage”, als er von der Begegnung mit einem Taxifahrer berichtet, der Anhänger diverser pseudowissenschaftlicher und esoterischer Thesen war:
“Mr. “Buckley” – well-spoken, intelligent, curious – had heard virtually nothing of modern science. He had a natural appetite for the wonders of the universe. He wanted to know about science. It’s just that all the science had gotten filtered out before it reached him. Our cultural motifs, our educational system, our communications media have failed this man. What the society permitted to trickle through was mainly pretense and confusion. It had never taught him how to distinguish real science from the cheap imitation. He knew nothing about how science works.”
Die letzten beiden Sätze fassen meine Motivation ziemlich gut zusammen: Viele Menschen können echte Wissenschaft von der billigen Imitation der Pseudowissenschaft nicht unterscheiden, meist ohne eigenes Verschulden. Sie wissen nicht, was Wissenschaft ist und wie sie arbeitet. Diese Menschen sind genau so daran interessiert die Welt zu verstehen wie alle anderen. Und irgendein Aktivismus hilft ihnen dabei nicht weiter, sondern bestärkt sie höchstens noch in den Vorurteilen über Wissenschaft, die sie sich im Laufe der Zeit angeeignet haben.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht (oder gleich wieder irgendwo irgendwelche Verschwörungstheorien entstehen): Ich habe keinen Streit mit Gruppen wie der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaft (GWUP); ich schreibe diesen Artikel hier nicht, weil ich mich dort mit irgendwem gezofft hätte; mich an irgendwem für irgendwas “rächen” will oder die Leute dort für doof und unfähig halte. Die Leute, die ich dort persönlich kenne, sind alle sehr nett und sehr engagiert. Ich denke, die GWUP leistet gute Arbeit, wenn es um das Bereitstellen von Informationen und Kontakte zu den Medien geht – ich bin halt nur nicht davon überzeugt, dass skeptischer Aktivismus viel mehr bewirkt als Spaß und verstärkten Zusammenhalt innerhalb der organisierten Skeptikergruppen.
Genausowenig bringt es etwas, einzelne Leute persönlich aktiv und aggressiv anzugreifen, wie das Hayley Stevens in ihrem Blog beschrieben hat und wie das an den Rändern der skeptischen Szene (zB in diversen Facebook-Gruppen) auch hier immer wieder mal vorkommt. Sich über konkrete Homöopathen, Esoteriker und Pseudowissenschaftler öffentlich lustig zu machen, mag spaßig sein und hilfreich, wenn man Frust abbauen will. Genau so wie ausufernden “Diskussionen” (die man besser einfach “Streit” nennen sollte) zwischen Skeptikern und Esoterikern in Internetforen, sozialen Medien und Kommentarspalten. Aber in Sachen Aufklärung hilft es nicht weiter.
Ich halte es weiterhin für sehr wichtig, esoterische und pseudowissenschaftliche Themen nicht einfach zu ignorieren. Man muss sich damit beschäftigen, wenn man Wissenschaft vermitteln will und ich werde mich so wie bis jetzt auch weiterhin damit beschäftigen und in meinem Blog und anderswo über Astrologie u.ä. sprechen. Und je mehr Menschen das ebenfalls tun, um so besser. Aber meiner Meinung nach muss man sehr aufpassen, dass der “Skeptizismus” nicht zum Selbstzweck wird! Es geht nicht darum, möglichst oft und viel und gemeinsam mit anderen Menschen öffentlich “skeptisch zu sein”.
Kritik an Esoterik und Pseudowissenschaft ist gut und wichtig; öffentlicher Streit mit Esoterikern und Pseudowissenschaftlern bringt dagegen nichts. Ich halte es für das Beste, möglichst vielen Menschen von der Faszination der realen Welt zu erzählen. Das echte Universum ist so viel schöner, beeindruckender und geheimnisvoller als alles, was sich irgendein Esoteriker ausdenken kann. Mit ihren scheinbar einfachen Antworten auf komplizierte Fragen verstellt die Esoterik die Sicht auf die Vielfalt und Schönheit der Welt in der wir leben. Die beste Strategie um dem entgegen zu wirken ist es, diese Vielfalt und Schönheit sichtbar und für möglichst viele Menschen verständlich zu machen. Dann merkt man nämlich sehr schnell, wie langweilig die Welt der Esoterik und Pseudowissenschaft in Wahrheit ist. Ganz ohne Aktivismus…
P.S. Und bevor sich jemand die Mühe macht und nun alte Artikel von mir aus dem Archiv kramen muss: Ja, ich weiß, dass ich früher auch selbst auf Aktionen wie die Homöopathie-Überdosis hingewiesen habe. Ich habe vermutlich selbst alles das schon mal gemacht, was ich in diesem Artikel hier kritisiere. Aber man muss ja nicht für immer und ewig der selben Meinung sein. Man lernt im Leben – hoffentlich! – immer dazu und verändert sich. Ich schließe nicht mal aus, dass sich meine Meinung in Zukunft nicht wieder ändert wenn man mir ausreichend gute Argumente dafür liefert, dass skeptischer Aktivismus doch eine gute Sache ist…
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