Astronomen schauen zum Himmel. Sie müssen schauen, denn ihre Forschungsobjekte sind zu weit entfernt, um irgendetwas anderes zu tun. Zum Glück haben die Astronomen im Laufe der Zeit gelernt, sehr genau zu schauen und haben sehr kreative Wege gefunden, um aus dem Licht eine Vielzahl an Informationen herauszuholen. Sie können das Alter von Sternen bestimmen; ihre Zusammensetzung, ihre Entfernung und ihre Masse. Sie finden heraus, ob es dort Planeten gibt und wie sie entstanden sind. Sie sehen schwarze Löcher, unsichtbare Materie und das Licht des Urknalls. Und all das ist unter anderem nur deswegen möglich, weil die Astronomen den Himmel schon längst nicht mehr nur mit ihren Augen beobachten. Sie haben sich viele neue Augen gebaut, mit denen sie auch all das Licht sehen können, das für uns normalerweise unsichtbar ist: Das Radiolicht, die kosmische Röntgenstrahlung, die Mikrowellen aus dem All oder die Ultraviolett- und Infrarotstrahlung, die von den Himmelskörpern ausgeht. Dafür muss man sich meistens in den Weltraum begeben, denn die Atmosphäre der Erde blockiert viele dieser Wellenlängen und lässt nur einen kleinen Teil durch. Aber manchmal tun sich ganz überraschend Fenster am Himmel auf…
Infrarotstrahlung ist für die Astronomen besonders wichtig. Viele Dinge – zum Beispiel den Staub, aus dem Sterne und Planeten entstehen – lassen sich nur durch die Infrarotstrahlung beobachten. Aber leider sorgt der viele Wasserdampf in der Atmosphäre dafür, dass die Infrarotstrahlung aus dem All blockiert wird. Wenn überhaupt, dann braucht man sehr hochgelegene und sehr trockene Regionen, um sie beobachten zu können. Das geht zum Beispiel vom Südpol aus oder anderen hochgelegenen Wüsten.
In der Meteorologie beschreibt man die Menge an Wasser, das sich in der Atmosphäre befindet als ausfällbares Niederschlagswasser. Man definiert eine Säule, die vom Erdboden durch die gesamte Atmosphäre reicht und stellt sich vor, das gesamte Wasser darin würde kondensieren und flüssig sein. Die Höhe des Wasserstands in dieser fiktiven Säule ist das “ausfällbare Niederschlagswasser”. Dieser Wert ist wichtig, wenn man zum Beispiel bestimmen will, wie viel Wasser bei einem Gewitter zu Boden fallen kann, ob es Springfluten geben kann, und so weiter. Das können hier bei uns durchaus auch Mal 30 bis 40 Millimeter ausfällbares Niederschlagswasser sein. In der chilenischen Wüste, wo die großen Teleskope der Europäischen Südsternwarte ESO stehen, sind es durchschnittlich 2,4 Millimeter und das ist schon ziemlich wenig – aber nicht wenig genug, um hochgenaue Infrarotastronomie zu betreiben. Dazu braucht es extrem trockene Luft mit ungefähr 0,1 Millimeter ausfällbaren Niederschlagswasser, und das findet man selten auf der Erde.
In der Nacht vom 5. Juli 2012 gehörte die Paranal-Sternwarte der ESO in der 2635 Meter hoch gelegenen Atacama-Wüste allerdings dazu. In dieser Nacht hat man dort Werte gemessen, die noch unter 0,1 mm ausfällbares Niederschlagswasser fielen:
Das Diagramm zeigt die Messung des ausfällbaren Niederschlagswassers (PWV) im Laufe der Nacht vom 5. auf 6. Juli 2012. Die Daten stammen aus einem Artikel von Florian Kerber von der ESO und seinen Kollegen, der in der aktuellen Ausgabe Nr. 155 des ESO Messenger veröffentlicht wurden: “Antarctic Air Visits Paranal — Opening New Science Windows” (hier online). Man erkennt gut, wie der PWV-Wert (“precipitable water vapour”) kurz nach Sonnenuntergang am 5. Juli sehr stark sinkt und dann noch bis nach Sonnenaufgang unterhalb von 0,15 Millimeter bleibt. Der Grund dafür war extrem trockene Luft aus der Antarktis, die nach Norden getrieben war und über der Sternwarte der ESO kurz ein Fenster zum Infrarothimmel geöffnet hat.
Kerber und seine Kollegen beschreiben, dass man unter diesen Bedingungen mit den Instrumenten der ESO jede Menge interessante Beobachtungen anstellen könnte, die sonst nicht möglich sind. Und sie haben in den Wetterarchiven nachgesehen und herausgefunden, dass solche Bedingungen immerhin ein- bis zweimal pro Jahr über der chilenischen Wüste auftreten. Es könnte sich also lohnen, entsprechende Beobachtungsprogramme vorbereitet zu haben, um sie dann kurzfristig durchführen zu können, wenn sich wieder einmal ein entsprechendes Fenster im Infrarothimmel über den Teleskopen der ESO auftut.
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