Die Erkenntnis, dass unser Universum tatsächlich einen Anfang hatte und sich entwickelt; dass es nicht schon immer da und statisch war, gehört zu den größten und spannensten wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten Jahrhunderte. Das “Standardmodell der Kosmologie”, dass den Urknall und die darauf folgenden Entwicklungen bestreibt ist hervorragend durch Beobachtungen bestätigt – trotzdem herrscht in der Öffentlichkeit manchmal der Eindruck vor, die Wissenschaft hätte sich den Urknall einfach so “ausgedacht” (so ähnlich wie bei dunkler Materie und dunkler Energie wo oft die selben falschen Behauptungen aufgestellt werden). Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Urknallkosmologie, genauso wie beispielsweise die Relativitätstheorie, erstens eine allumfassende Theorie ist die alle Aspekte unserer Umwelt berührt. Zweitens lassen sich die grundlegenden Aussagen die den Urknall betreffen in wenigen einfachen Worten zusammenfassen (was nicht heisst, dass man deswegen schon die ganze Theorie verstanden hätte 😉 ). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich das öffentliche Interesse und auch das Interesse der Pseudowissenschaftler und Esoteriker auf wissenschaftliche Themen dieser Art konzentriert. Es gibt haufenweise Leute, die Urknall oder Relativitätstheorie für großen Unsinn halten (die Kritiker und Leugner der Strömungslehre oder Stereochemie sind dagegen beispielsweise deutlich in der Minderheit). Aber über so etwas fundamentales und spannendes wie den Urknall lohnt es sich genauer Bescheid zu wissen. Ich möchte daher in loser Folge ein bisschen was über diversen Belege und Beobachtungen schreiben, dank derer wir über den Urknall Bescheid wissen.
Vor dem 20. Jahrhundert war über die Entstehung des Universums eigentlich nichts bekannt. Man ging davon aus, dass es immer schon da war und auch immer da sein würde. Man wusste damals ja noch nicht mal, ob das Universum größer ist als unsere Milchstrasse oder ob das schon alles ist. Erst die theoretischen Arbeiten von Albert Einstein, George Lemaitre und Alexander Friedmann und ganz besonders die Beobachtungen von Edwin Hubble die 1925 bzw. 1929 veröffentlicht wurden (dazu mehr in einem späteren Artikel; hier steht schon ein wenig) haben gezeigt, dass das nicht stimmen kann.
Hubble fand nicht nur heraus, dass unser Universum aus einer Vielzahl von einzelnen Galaxien besteht – er konnte auch beobachten, dass sich all diese Galaxien voneinander entfernen und zwar umso schneller je weiter sie entfernt sind: Das Universum dehnt sich aus! Wenn die Galaxien sich voneinander entfernen, dann müssen sie aber in der Vergangenheit näher beieinander gewesen sein als heute. Und irgendwann muss es einmal eine Zeit gegeben haben, als alles in einem Punkt konzentriert war. Aufbauend auf diesen Beobachtungen entwickelte sich die Urknallkosmologie die ein expandierendes Universum mit einem konkreten Anfangsmoment in der Vergangenheit beschreibt. Damit waren aber viele Wissenschaftler damals nicht einverstanden. Die Theorie war noch neu; konnte vieles nicht erklären und außer Hubbles Beobachtungen gab es quasi keine Belege. Und selbst dieses Auseinanderstreben der Galaxien konnte man anders erklären. Der große britische Astronom Fred Hoyle hat gemeinsam mit Hermann Bondi und Thomas Gold das “Steady-State”-Universum entwickelt. Auch hier muss das Universum expandieren (Hubbles Beobachtungen konnte man nicht einfach ignorieren) aber es bleibt trotzdem immer gleich da überall ständig neue Materie entsteht. Ich persönlich halte das für eine sehr unökonomische Theorie – denn beim Urknall muss nur einmal, am Anfang Materie entstehen, im Steady-State-Modell dagegen ständig; man braucht quasi eine Unmenge an Big Bangs. Aber die Entstehung von Materie ist genau das, worum es hier nun geht.
Denn wenn beide Modelle die Expansion des Universums erklären können, dann braucht man andere Kriterien. Und wenn es um Kosmologie geht, dann muss eine gute Theorie natürlich erklären können, wo alles herkommt. Wie ist die ganze Materie entstanden, die wir sehen? Wo kommen die verschiedenen Elemente her?
Bei der Klärung dieser Frage hat wieder Fred Hoyle maßgebliche Arbeit geleistet (zusammen mit Margaret und Geoffrey Burbidge und Willy Fowler). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte man langsam verstanden, wie Sterne funktionieren. In ihnen wird durch Kernfusion Wasserstoff zu Helium umgewandelt. Aber wo kommen die Elemente her, die schwerer als Helium sind? Wo kommt der ganze Kohlenstoff her, aus dem z.B. wir Menschen bestehen? Auch durch Kernfusion in Sternen, war die Vermutung vieler Astronomen. Man konnte leider nur nicht erklären, wie das funktionieren soll. Man fand einfach keinen Weg, wie man Kohlenstoff machen konnte. Man musste hier das sogenannte “Fünf-Nukleonen-Tal” überwinden. Denn jeder Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen die man zusammen als Nukleonen bezeichnet. Wasserstoff, das leichteste Element besteht im Kern nur aus einem Proton. Die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium haben 2 bzw. 3 Nukleonen und ein Heliumkern besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen; hat als 4 Nukleonen. Ein Atomkern mit 5 Nukleonen wäre allerdings nicht mehr stabil; er würde sofort zerfallen. Danach kommen wieder stabile Atomkerne – aber dieses “Fünf-Nukleonen-Tal” musste irgendwie überwunden werden. Will man Elemente schwerer als Helium erzeugen, dann muss man dem Heliumkern erstmal ein Nukleon hinzufügen – und das geht nicht; weil das Endprodukt instabil ist. Natürlich kann ein Heliumkern auch gleichzeitig zwei Nukleonen aufnehmen und damit zu einem Lithiumkern mit sechs Nukleonen werden. Aber im Inneren von Sternen wird nicht gezielt experimentiert. Dort fliegen die Kernteilchen wild durcheinander und stoßen zufällig zusammen. Und die Wahrscheinlichkeit für so eine doppelte Kollision ist verschwindend gering – zu gering um das Vorhandensein der ganzen schweren Materie zu erklären.
Eine verfahrene Situation. Die Elemententstehung durch Kernfusion im Inneren von Sternen schien so eine schöne Theorie zu sein. Aber die Natur schien sich dagegen zu sperren. Aber Hoyle und seine Kollegen machten sich weiter Gedanken. Kohlenstoff hat 12 Nukleonen und Helium 4. Vielleicht kann man irgendwie drei Heliumkerne zusammenbringen und so direkt Kohlenstoff machen? Das drei Heliumkerne gleichzeitig aufeinander treffen und zu Kohlenstoff verschmelzen ist wieder extremst unwahrscheinlich. Aber was passiert wenn zwei Heliumkerne fusioniern? Dann bekommt man Beryllium-8 und wenn das wieder mit einem Heliumkern verschmilzt kriegt man endlich Kohlenstoff. Es gibt nur ein kleines Problem: Beryllium-8 ist instabil und zerfällt so schnell, dass die Chance quasi gleich Null ist, dass er in der Zeit auf einen weiteren Heliumkern trifft.
Wenn Helium und Beryllium verschmelzen dann ist das Endprodukt schwerer als ein Kohlenstoffkern und diese überschüssige Masse muss erst in Energie umgewandelt und abgegeben werden. Dafür reicht aber die Zeit nicht weil das Beryllium sofort zerfällt.
Hoyle liess nicht locker. Man kann Atomkern “anregen” (d.h. die Konfiguration ihrer Nukleonen verändern) so dass sie danach leicht unterschiedliche Massen haben (man muss ihnen dafür ja Energie zuführen). Wenn es nun so einen speziellen angeregten Zustand des Kohlenstoffs gäbe, der genau der Masse von Helium+Beryllium entspricht, dann könnten die beiden schneller reagieren und das Beryllium würde nicht zerfallen bevor sich Kohlenstoff bildet. Eine schöne Theorie – nur hatte bis jetzt niemand diesen angeregten Zustand des Kohlenstoffs beobachtet. Aber Hoyles Logik war unerbitterlich: Wenn die Fusion von Helium und Beryllium tatsächlich die einzige Möglichkeit ist, Kohlenstoff zu erzeugen und wenn wir feststellen, dass in unserer Welt überall Kohlenstoff vorhanden ist, dann muss es diesen Zustand geben. Er rechnete genau aus, wie er auszusehen hatte und bat Willy Fowler, einen Kernphysiker vom Caltech, gezielt nach diesem Zustand zu suchen. Und er wurde tatsäschlich gefunden! Hoyle hatte das Problem der Nukleosynthese gelöst!
Naja – fast zumindest. Denn Hoyle konnte zwar erklären, wie in den Sternen die schweren Elemente entstanden. Mit dem Urknall hatte das aber alles noch wenig zu tun. Hoyle war ja auch ein erbitterter Gegner der Urknallkosmologie und verstand seine Untersuchung der Elemententstehung als Beleg für sein Steady-State-Universum. Das musste ja auch erklären wo die Elemente herkommen. Das Problem war nur, dass Hoyle nicht erklären konnte, wo der ganze Wasserstoff und das Helium herkamen, aus denen die Sterne bestehen die er für seine Nukleosynthese brauchte. Vor allem das Helium machte Probleme. Aus der Beobachtung der Sterne wusste man, dass Wasserstoff etwa 90% der sichtbaren Materie im Universum ausmachte und Helium etwa 10%. Ok, die Sterne machen aus Wasserstoff Helium (und dann später auch die schwereren Elemente). Aber das dauert… Das Universum müsste 27 Milliarden Jahre alt sein, wenn Helium nur in Sternen entsteht und das widersprach den Beobachtungen. Im Steady-State Modell war das weniger problematisch – hier hatte man genug Zeit zur Verfügung. Es war allerdings dort völlig unklar wie hier die postulierte kontinuierliche Enstehung von Materie aussehen sollte und wie die beobachtete Verteilung von Wasserstoff und Helium entstehen soll. Abgesehen davon fand man auch heraus, dass Lithium- und Bor-Kerne (beide leichter als Kohlenstoff) kaum in Sternen entstehen können.
Das zu erklären gehört zu den großen Leistungen der Urknallkosmologie. Ich muss jetzt auch zugeben, dass ich bei der Chronologie ein wenig geschumelt habe. Die Ergebnisse von denen ich jetzt berichte, wurden schon vor Hoyles Forschung zur Nukleosynthese gewonnen. Aber der Dramaturgie wegen habe ich das vorgezogen 😉
In den 1940er Jahren machte sich der in die USA emigrierte Russe George Gamow daran, den Urknall aus kernphysikalischer Sicht zu untersuchen. Das im Inneren der Sterne enorme Temperaturen und Dichten herrschen dank derer dort Wasserstoff in Helium fusioniert werden konnte, wusste man schon. Aber, so überlegte sich Gamow, auch kurz nach dem Urknall war es extrem heiß und extrem dicht. Vielleicht konnten damals auch Atomkerne fusionieren? Die ganze Mathematik hinter dieser Frage war für Gamow ein wenig zu viel also holte er sich Ralph Alpher als Doktorand und übertrug ihm diese Aufgabe. Und Alpher löste das Problem tatsächlich. Man musste dazu den Zeitpunkt bestimmen, an dem das Universum einerseits kühl genug war, so dass die Protonen und Neutronen sich langsam genug bewegten um auch tatsächlich fusioniern zu können. Andererseits durfte es aber auch nicht zu kühl sein denn sonst reichen die Geschwindigkeiten nicht mehr für eine Fusion. Außerdem sind Neutronen, wenn sie ganz alleine durchs All fliegen ebenso instabil. Sie haben eine Halbwertszeit von etwa 10 Minuten und müssen sich vorher ein Proton suchen mit dem sie sich verbinden können bevor sie zu Protonen zerfallen. Es können aber auch bei andere Prozessen neue Neutronen entstehen. All das muss man berücksichtigen – und die Arbeit von Alpher und Gamow dauerte etwa drei Jahre. Aber die Arbeit hat sich gelohnt! Am Ende stellte Alpher fest, dass im frühen Universum tatsächlich die Bedingungen geherrscht hatten um aus Protonen und Neutronen Wasserstoff und Helium (und ein wenig Lithium) zu erzeugen. Und die vorhergesagten Häufigkeiten entsprachen genau dem, was man auch beobachtete. Kurz nach dem Urknall bildeten sich die leichten Elemente – das dauerte nur knapp 5 Minuten – und später konnten daraus dann in den Sternen die schweren Elemente entstehen.
Leider dauerte es lange, bis Alpher die verdiente Anerkennung für seine Arbeit bekam. Gamow war ein Spaßvogel und für die Publikation der Ergebnisse fügte er den Namen des berühmten Kernphysikers Hans Bethe hinzu. Die Autorenliste las sich nun “Alpher, Bethe, Gamow” und erinnerte an den Anfang des griechischen Alphabets (Alpha, Beta, Gamma). Gamow wollte eigentlich nur einen Witz machen – aber für die Leute sah es so aus als hätten da zwei große Wissenschaftler – Bethe und Gamow – tolle neue Ergebnisse gewonnen und der Hauptbeitrag des unbekannten Doktoranden Alpher ging unter…
Die Steady-State-Theory hat es nie geschafft zu erklären, wo und wie denn nun Wasserstoff und Helium in genau den beobachteten Anteilen entstehen sollen. Für die Urknallkosmologie war die Erklärung der Elemententstehung jedoch ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Anerkennung. In den folgenden Jahrzehnten wurden noch viele Details erklärt. Auch die Protonen und Neutronen müssen ja beispielsweise irgendwo her kommen… Wer das im Detail nachlesen will, dem empfehle ich das Buch “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” von Brian Greene. Und was den Urknall angeht muss man natürlich das fantastische Buch “Big Bang” von Simon Singh lesen (ich das schonmal rezensiert).
Alpher und Gamow hatten übrigens neben der erfolgreichen Erklärung der Elemententstehung auch noch einen weiteren fundamentalen Beitrag zur Urknallkosmologie geleistet. Aber dazu mehr im nächsten Teil…
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