Und warum sollte Einsteins Beschreibung der Weisheit letzter Schluss sein? Wir haben ja gerade erst im letzten Kapitel gehört, dass Wissenschaftler überall auf der Welt seit Jahren nach einer neuen Theorie suchen, die Einsteins Theorie ersetzt. Aber eine Minderheit geht davon aus, dass man das unter falschen Voraussetzungen tut: Vielleicht lassen sich Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik deswegen nicht vereinen, weil beide Theorien zuerst modifiziert werden müssen? Einstein hatte gezeigt, dass bei sehr starken Gravitationskräften Newtons Ansatz nicht funktioniert sondern nur seine Feldgleichungen korrekte Ergebnisse lieferten. Und die ganzen Abweichungen die man bei der Bewegung der Sterne und Galaxien gemessen hatte, fanden bei sehr kleinen Gravitationskräften statt. Kann es nicht sein, dass man hier die Theorie einfach nochmal modifizieren muss?
Das war der Vorschlag, den Mordehai Milgrom in den 1980er Jahren präsentierte und der MOND (“MOdifizierte Newtonsche Dynamik”) genannt wurde. Jakob Bekenstein (den wir aus früheren Kapiteln schon von seiner Arbeit mit schwarzen Löchern kennen) veränderte den Ansatz im Jahr 2004 so, dass er direkt mit Einsteins Feldgleichungen konkurrieren konnte und schuf TeVeS, die Tensor-Vektor-Skalar-Gravitationstheorie. Die war zwar in der Lage, die Beobachtungen ohne dunkle Materie zu beschreiben, aber auch äußerst unelegant.
Ich hätte mir von diesem Kapitel ein wenig mehr erwartet. Ferreira beschreibt am Anfang des Kapitels, wie er selbst einen Vortrag über die vielen verschiedenen Varianten der modifizierten Gravitation gehalten hatte und die Resonanz der Kollegen zwar nicht euphorisch, aber auch nicht unbedingt extrem ablehnend war. Als Experte für die allgemeine Relativitätstheorie; als jemand der sich gut mit ihrer Geschichte und Wirkung auskennt und als jemand, der offensichtlich auch Ahnung von den diversen Alternativtheorien und Modifikationen hat, hätte ich mir eine ausführlichere Erklärung des Themas gewünscht. Vor allem auch deswegen, weil es ja wirklich schwierig ist, einen objektive Überblick dazu zu bekommen. Die Anhänger von MOND sind von MOND überzeugt; die Anhänger der dunklen Materie von der dunklen Materie. Ich selbst halte die dunkle Materie auch für die weitaus wahrscheinlichere Erklärung der Beobachtungen. In den letzten Jahrzehnten ist man immer wieder und bei völlig unterschiedlichen Beobachtungen und Disziplinen auf sie gestoßen; bei der Beobachtung von Galaxien, in der Teilchenphysik, in der Kosmologie – usw. Da erscheint es unwahrscheinlich, dass das alles nur der Effekt einer fehlenden Modifikation von Einsteins Feldgleichungen sein soll und es ist darum kein Wunder, dass die Mehrheit der Forscher MOND ablehnt. Aber ein objektiver und ausführlicher Überblick zu diesem Thema wäre trotzdem eine lesenswerte Sache. Aber so etwas müsste dann wohl nicht von einem zwangsläufig parteiischen Wissenschaftler kommen sondern vielleicht einem Wissenschaftsjournalist oder einem Autor.
Das Buch jedenfalls ist langsam zu Ende. Ein Kapitel kommt noch – und da geht es, wenig überraschend, um die Zukunft.
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