Tote Sterne sind ja an sich schon ziemlich seltsame Objekte (na ja, eigentlich sind Sterne an sich schon ausreichend außergewöhnlich und beeindruckend). Wenn ein Stern am Ende seines Lebens mangels Brennstoff der Gravitationskraft seiner eigenen Materie nichts mehr entgegensetzen kann und immer weiter kollabiert, dann entstehen Himmelskörper mit grotesken Eigenschaften. Was dann vom Stern übrig bleibt ist, je nachdem wie groß die ursprüngliche Masse war, ein weißer Zwerg, ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch. Immer handelt es sich dabei um Objekte die wesentlich dichter sind als alles, was wir aus dem Alltag kennen. In einem Neutronenstern ist beispielsweise die Masse eines ganzen Sterns auf eine Kugel von knapp 20 Kilometer Durchmesser komprimiert worden. Die Masse eines Sterns auf der Größe einer normalen Stadt… das kann ja kaum noch seltsamer werden. Kann es schon: Und zwar wenn es um Magnetare. Das sind Neutronensterne, die ein unvorstellbar starkes Magnetfeld haben. Das Magnetfeld der Erde beträgt 30 bis 50 Mikrotesla, je nachdem wo man sich befindet. Auf der Sonne kann das Magnetfeld deutlich stärker werden, bis zu 0,5 Tesla und ist damit so stark wie das eines starken Neodym-Magneten, den man überall kaufen kann. Das Magnetfeld eines normalen Neutronensterns dagegen beträgt ein paar hundert Millionen Tesla! Und das Magnetfeld eines Magnetars kann nochmal bis zu 1000 Mal stärker sein! Magnetare sind die am stärksten magnetischen Objekte im Universum und noch kaum verstanden. Aber jetzt hat man endlich ein bisschen mehr über ihr Entstehung herausgefunden.
Der erste Magnetar wurde im Jahr 1998 entdeckt und bis heute haben wir kaum zwei Dutzend der seltsamen Objekte in unserer Milchstraße entdeckt. Ihr starkes Magnetfeld entsteht, wenn beim Kollaps des ursprünglichen Sterns bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der neu entstehende Neutronenstern muss sich äußerst schnell drehen und darf für eine Rotation um seine Achse nicht länger als ein paar Millisekunden brauchen. Dann rotiert er schneller als die Konvektionsströmungen der Materie in seinem Inneren und es kann sich ein Dynamo-Effekt ausbilden, so ähnlich wie bei der Erde, wo es ja auch die Rotation im Zusammenspiel mit den Strömungen aus flüssigen Metall im Erdinneren ist, die das Magnetfeld erzeugen. War das Magnetfeld des Ausgangssterns groß genug, kann durch den Dynamo-Effekt bei der schnellen Rotation das extrem starke Magnetfeld eines Magnetars entstehen.
So entsteht das Magnetfeld. Aber wie entstehen die Magnetare selbst? Die Supernova-Explosionen die dem Gravitationskollaps eines sterbenden Sterns vorausgehen und die Entstehung von Neutronensternen und schwarzen Löchern dachte man eigentlich schon halbwegs gut verstanden zu haben. Und deswegen war auch der Magnetar mit dem schönen Namen CXOU J164710.2-45516, der 2006 im Sternhaufen Westerlund 1 gefunden wurde, so ein großes Rätsel. Untersuchungen des Neutronensterns und der Sterne in seiner Umgebung zeigten damals, dass der Vorläuferstern aus dem der Magnetar entstand mindestens 40 Mal so schwer gewesen sein muss, wie unsere Sonne. Und aus so großen Sternen entstehen normalerweise schwarze Löcher und keine Neutronensterne! Warum in diesem Fall trotzdem ein Magnetar übrig bliebt, war unbekannt.
Bis Wissenschaftler aus Großbritannien, Spanien und Deutschland nochmal genau hingesehen haben und in Westerlund 1 einen ganz besonderen Stern entdeckt haben. Er heißt CI* Westerlund 1 W 5 (oder kurz “Wd1-5”) und ist ein sogenannter “Schnellläufer”. Das heißt, er bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Sternhaufen; viel schneller als es für solche Sterne normalerweise üblich ist (solche hyperschnellen Sterne gibt es auch anderswo). Irgendetwas muss also dafür gesorgt haben, dass Wd1-5 so schnell wurde und dieses etwas könnte durchaus eine große Supernova-Explosion gewesen sein.
Die Astronomen gehen nach ausführlichen Beobachtungen und Untersuchungen der Eigenschaften und Zusammensetzung von Wd1-5 davon aus, dass dieser Stern früher einmal Teil eines Doppelsternsystems gewesen sein muss. Er war wahrscheinlich genau der Partnerstern des Vorgängersterns von CXOU J164710.2-45516, dem mysteriösen Magnetar. Dessen Entstehung scheint nun ungefähr so abgelaufen zu sein: Zuerst waren da einfach nur zwei Sterne, einer von ihnen besonders massereich. Da er wegen der größeren Masse auch schneller brennt, nähert er sich als erster dem Ende seines Lebens. Er bläht sich langsam auf und weil die beiden Sterne sich so nahe sind, werden die äußeren Schichten seiner Atmosphäre vom Partnerstern aufgenommen. Dieser leichtere Stern, aus dem später einmal unser Magnetar werden soll, beginnt sich dank der Extramasse nun immer schneller zu drehen (ohne schnelle Rotation gibt es ja keine Magnetare). Die Extramasse sorgt aber auch dafür, dass er selbst das Ende seines Lebens schneller erreicht und nun seinerseits Material ins All hinaus schleudert. Dadurch verlor er genug Masse, um als Neutronenstern zu enden und nicht wie eigentlich erwartet, als schwarzes Loch. Und der Austausch von Material zwischen den beiden Sternen hat bei Wd1-5 die besondere chemische Zusammensetzung erzeugt, die man beobachtet hat und die uns verrät, was früher dort abgelaufen sein muss. Bei der großen Supernova-Explosion die den Magnetar erzeugte wurde Wd1-5 schließlich hinaus ins All geschleudert wo wir ihn heute gefunden haben.
Unsere Sonne gehört ja zur Minderheit der Einzelsterne in der Milchstraße und wir befinden uns in einer Gegend mit vergleichsweise geringer Sternendichte. Zum Glück: Denn wie man nun wieder einmal sieht können höchst seltsame Dinge passieren, wenn sich die Sterne zu nahe kommen…
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