Am Sonntag war ich im Saarland und habe dort im Radio “Fragen an den Autor” beantwortet (kann man übrigens hier nachhören). Eine der Fragen dir mir gestellt wurde und die mir auch anderswo sehr oft gestellt worden ist, war “Wozu brauchen wir die ganzen Satelliten überhaupt? Das ist doch alles teure Geldverschwendung die nur Weltraummüll produziert!”. Die Frage nach dem Wert der Forschung und angeblicher Geldverschwendung habe ich im Blog schon öfter beantwortet (zum Beispiel hier, hier oder hier). Aber gerade die Satelliten sind ein denkbar schlechtes Beispiel, wenn man verschwendete Forschungsgelder demonstrieren will. Satelliten spielen in unserem Alltag mittlerweile eine fundamentale und ständige Rolle. Nicht so sehr, wenn es um die Beobachtung des Weltalls geht – aber wir betreiben ja auch jede Menge Satelliten, die die Erde beobachten sollen und das aus gutem Grund (ich habe zu Jahresanfang einen Artikel über satellitengestützte Erdbeobachtung für die Zeitschrift “Profil” geschrieben, aber noch nicht herausgefunden ob der auch irgendwo online verfügbar ist). Die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat gerade die erste Komponente des Copernicus-Erdbeobachtungsprogramms in Betrieb genommen: Den Satellit Sentinel 1A. Und seine Bilder zeigen, was die Erdbeobachtung alles kann.
Natürlich erst Mal von oben auf die Erde runter schauen und jede Menge Bilder machen. Das hier ist North Sentinel Island im indischen Ozean; eine der letzten Gegenden, in der Menschen noch völlig von der Außenwelt abgeschnitten leben und auch keinerlei Kontakt mit der Außenwelt wünschen.
Das Bild wurde in polarisiertem Licht aufgenommen und die vergrößerte Insel nachträglich eingefärbt. Denn es geht ja nicht unbedingt darum, schöne Bilder von der Erde zu machen, sondern möglichst viel Information aus den Beobachtungen zu extrahieren. Zum Beispiel in dem man Karten erstellt, die Schiffen möglichst exakt zeigen, wie die Beschaffenheit des Eises dort ist, wo sie lang fahren wollen.
Ich hab zwar keine Ahnung, was die Symbole in diesem Diagramm bedeuten, aber ich bin ja auch kein Seefahrer… (Nachtrag: Dank Kommentator segfault weiß ich nun Bescheid worum es sich bei den Symbolen handelt)
Besser zu erkennen, ist das was hier passiert:
Das sind Ölplattformen vor der Küste von Norwegen. Die hellen Punkte sind die Plattformen selbst; das dunkle drum herum ist Wasser, das von den Plattformen ins Meer fließt. Es enthält Öl und kann deswegen gesehen werden. Bzw. “gesehen”, denn solche Beobachtungen macht Sentinel mit Radarstrahlen, die zur Erde geschickt werden. Man untersucht die Reflexionen und da unterschiedliche Materialien die Radarstrahlen unterschiedlich reflektieren kann man so eben auch Öl im Wasser detektieren. Die Menge des Öls befindet sich übrigens noch innerhalb der vorgeschriebenen Richtlinien. Aber genau dafür braucht man die Satelliten auch: Um solche Vorschriften überprüfen zu können bzw. Umweltverschmutzung feststellen zu können.
Und um bei Naturkatastrophen helfen zu können. Dieses Bild zeigt großräumige Überschwemmungen des Sambesi in Namibia.
Bei solchen Katastrophen, besonders in Ländern mit schwacher Infrastruktur, ist es wichtig, dass man möglichst schnell weiß, wo etwas passiert ist und wie groß die Zerstörung ist. Satellitenbilder können Rettungskräften zeigen, wie sie am schnellsten in die betroffenen Gebiete kommen bzw. welche Gebiete am meisten betroffen sind. Man sieht, welche Straßen noch intakt sind und wo man Umwege fahren muss. Das ist nicht nur bei Überschwemmungen wichtig sondern auch bei Erdbeben, Waldbränden, u.ä.
Satellitendaten helfen uns auch bei der Erforschung von Wetter und Klima auf der Erde. Zum Beispiel in dem man die Bewegung des Eis analysiert, wie es Sentinel hier für die Gegend um Spitzbergen gemacht hat. Das Bild zeigt den Austfonna im Osten von Spitzbergen, den größten Gletscher Europas. Der war eigentlich bis jetzt ziemlich stabil, aber die neuen Daten zeigen, dass sich seine südostliche Ecke in letzter Zeit viel schneller bewegt als früher (im Bild gelb eingefärbt):
Sentinel soll auch die anderen eisigen Regionen der Erde beobachten und den Einfluss des Klimawandels auf unseren Planeten erfassen und erforschen. Dazu ist es auch wichtig, dass man automatisiert erkennen kann, was zu sehen ist und ob es sich um Land, Wasser, Wald, bebautes Gebiet, usw handelt. Auch das kann Sentinel, wie man hier an dieser Aufnahme sieht, die netterweise die Gegend um meine Heimatstadt Jena zeigt:
Man sieht hier auch gut den Unterschied zwischen den Grün/Brauntönen in der Landschaft die anzeigen wo auf den Feldern etwas wächst und was das ist. Satellitenbeobachtung wird auch für die Landwirtschaft immer wichtiger. Mit Beobachtungen aus dem All lassen sich Wachstumsprognosen erstellen; man kann genau erkennen, welche Sorten wo und wie schnell wachsen und das ist einerseits für die Bauern selbst wichtig, wenn sie wissen wollen, ob auf all ihren Feldern alles nach Plan läuft; andererseits auch für die übergeordneten Staaten, die wissen wollen, wie viel Nahrung eigentlich angebaut wird.
Satelliten sind viel mehr als die Geräte, die unsere Navis funktionstüchtig machen. Sie stecken fast überall in unserem Alltag und werden in Zukunft noch viel wichtiger werden. Sentinel-1A ist also schon im All; Sentinel-1B wird bald folgen, genau so wie Sentinel-2A und Sentinel-2B und Sentinel-3, 4 und 5. Bis 2020 wird die Flotte der Erdbeobachtungsinstrumente Unmengen Daten über unseren Planeten sammeln und sie allen frei zur Verfügung stellen. Das ist eine Besonderheit des Copernicus-Programms: Die Daten und Bilder stehen nicht nur der Wissenschaft zur Verfügung, sondern werden auch der Öffentlichkeit übergeben. Damit will man den größtmöglichen Nutzen aus den Beobachtungen ziehen. Firmen sollen mit den Daten arbeiten können; Schulen sie für den Unterricht nutzen können, und so weiter.
Wir können uns also auf viele neue interessante Bilder und Informationen freuen. Manchmal ist es eben auch spannend, ins All zu fliegen und dann zurück zu schauen!
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