Was bisher geschah
Asteroiden waren schon immer meine Lieblingshimmelskörper. Sie sind nicht so schön glänzend wie die Sterne am Himmel und sie sehen nicht so beeindruckend aus wie die Planeten. Aber die Asteroiden waren der Ursprung und Anfang unseres Planeten und ohne sie gäbe es kein Leben auf der Erde. Ich habe meinen ersten wissenschaftlichen Artikel über Asteroiden geschrieben und meine Dissertation. Ich mag Asteroiden! Grund genug, mal mit dem Fahrrad zu den Asteroiden zu fahren. Ok – nicht ins Weltall. Aber nach Wien ins Naturhistorische Museum wo sich die größte Meteoriten-Ausstellung der Welt befindet. Und unterwegs halte ich die Augen offen – denn Asteroiden findet man überall. Ich habe sie in Thüringen in Weida gefunden, wo Georg Samuel Dörffel sich schon im 17. Jahrhundert über die Bahn von Kleinkörpern Gedanken machte. Und ich hab sie im sächsischen Plauen entdeckt wo Sprachpuristen Anlass zu Gedanken über die Bedeutung des Wortes “Asteroid” geben. Heute geht die Fahrt weiter nach Süden, zu einem Ort auf den ich mich ganz besonders freue!
Die heutige Reise
Die Fahrt dorthin war allerdings grauenhaft. So eine unangenehme Radfahrt hatte ich bis jetzt noch nie. Es gab Blut, Schweiß und – na ja, keine Tränen… aber kaputte Bremsen und jede Menge anderen Ärger.
Es fing wieder mal mit Kälte, Regen und feuchter Kleidung an. In Rehau war Mistwetter…
Das wurde auch nicht besser, als ich an der tschechischen Grenze entlang geradelt bin.
Und Frühstückspause gemacht habe:
Und die Landschaft war heute auch eher eintönig. Es gab Wald. Jede Menge Wald…
Und ganz kurz mal ein bisschen Fluss – die Eger.
Vor allem aber gab es grauenhaft beschi**ene Wege. Was da so alles als Fahrradweg durchgeht, ist erstaunlich. Trampelpfade über irgendwelche Wiesen; Wanderwege die sich eher zum Klettern eignen anstatt zum Radfahren. Und immer ging es bergauf oder bergab. Mein Routenplaner hatte mir für heute ja eine weitestgehend flache Strecke versprochen – ansonsten hätte ich mir ja auch keine 100km vorgenommen. Aber flach war es so gut wie nie. Es ging bergauf und bergab über solche Pisten:
Oder solche:
Jetzt bin ich aber leider kein Moutainbiker und mein Fahrrad ist kein Mountainbike. Und irgendwann kam, was kommen musste und ich bin auf den glitschigen Pisten in den Straßengraben gerutscht; mein Fahrrad solidarisch hinterher und auf mich drauf… Na ja – viel passiert ist nicht; ich bin nur ein bisschen lädiert – mein Fahrrad dafür mehr. Es fährt zwar noch gut, aber der Kotflügel ist ab (was eigentlich kein Problem ist) und die Bremsen haben die Bergtour heute nicht gut überstanden und bremsen nur noch unter Aufbietung aller Kräfte und mit viel gutem Zureden. Ich vermute mal, es wohnt nicht zufällig irgendwo eine fahrradmechanisch begabte Person zwischen Weiden und Regensburg (oder Deggendorf/Passau) und will mir morgen (übermorgen) bei nem spontanen Boxenstop schnell die Bremsklötze wechseln? Na ja – es sollte aber ab morgen wirklich nur noch flach sein, da komme ich auch ohne starke Bremsen durch.
Aber immerhin: Mein Blutopfer hat anscheinend den Wettergott gütig gestimmt und als ich dann aus den fränkischen Wäldern draußen war, fing die Sonne an zu scheinen!
Und endlich gab es dann wieder etwas zu sehen, was kein Wald oder Feld ist: Eine Stadt! Und zwar mein Tagesziel Weiden:
Wo stecken die Asteroiden?
Die Asteroiden habe ich heute in Weiden in der Oberpfalz gefunden. Denn dort wurde der Schöpfer des Astrodicticum Simplex geboren. Nein, nicht ich. Mein Geburtsort steht zwar auch im Reiseplan, aber der kommt erst in ein paar Tagen an die Reihe. Ich spreche auch nicht von meinem Blog “Astrodicticum Simplex”, sondern von dem Objekt, nach dem ich es benannt habe. Das originale Astrodicticum Simplex ist ein astronomisches Gerät das der Jenaer Astronom Erhard Weigel im 17. Jahrhundert erfunden hat.
Das Wort bedeutet so viel wie “Einfacher Sternenweiser” und das erschien mir als recht schöner Name für ein Blog über Astronomie. Außerdem hat Weigel Jena als Astronom gearbeitet, so wie ich. Er hat zwar nichts weltbewegendes entdeckt (so wie ich), sich aber sehr für Öffentlichkeitsarbeit interessiert (so wie ich). Weigel hatte sich schon damals Gedanken gemacht, wie man Mathematik und Astronomie möglichst interessant und sinnvoll an Kinder bzw. Studenten vermitteln kann. Das alles fand ich sehr sympathisch. Und außerdem war das Wort “Astrodicticum Simplex” noch so gut wie unbekannt, als ich mein Blog gegründet habe und kam auf gerade Mal ein bis zwei Google-Treffer…
Ein Astrodicticum Simplex ist ein Gerät, das man auf einem Himmelsglobus montieren kann. Markiert man damit dort einen bestimmten Stern, zeigt ein großer Zeiger auf die tatsächliche Position des Sterns am Himmel. Es war also so was wie ein Vorläufer des Laserpointers bzw. von Apps wie “Google Sky”. Weigel hat aber noch viel mehr erfunden als dieses eine Gerät. Er war berühmt für seine Vielzahl an Erfindungen und technischen Spielereien und sein Haus (das leider nicht mehr existiert) das vollgestopft mit diesen Geräten war, gehört zu den Sieben Wundern von Jena.
Heute kennt man Weigel vor allem auch noch für sein Engagement um den Kalender. Ende des 17. Jahrhunderts verwendete man in Europa zwei verschiedene Kalendersysteme. In den katholischen Gegenden benutzte man den reformierten Gregorianischen Kalender den wir auch heute noch verwenden. Die Protestanten dagegen lebten noch nach dem alten Julianischen Kalender. Weigel probierte die Systeme zu vereinheitlichen und machte der evangelischen Kirche den Kompromissvorschlag zumindest das Osterdatum neu zu berechnen und zwar nicht mehr beruhend auf Dekreten des katholischen Papstes basierte sondern auf der Arbeit des Protestanten Isaac Newton. Der verbesserte Reichskalender der wenige Monate nach Weigels Tod dann übernommen wurde, war maßgeblich von Weigels Arbeit beeinflusst und im 18. Jahrhundert schwenkten dann schließlich auch die evangelischen Gebiete auf den neuen Kalender um.
Kalender scheinen wenig mit Asteroiden zu tun zu haben. Aber Kalender haben etwas mit dem Abstand zwischen Erde und Sonne zu tun. Denn diese Distanz bestimmt, wie lange die Erde für einem Umlauf um die Sonne braucht und dieser Zeitraum definiert die Dauer eines Jahres. Die Probleme mit dem Kalender haben wir unter anderem deswegen, weil die Erde eben blöderweise 365 plus ein Viertel (und noch ein bisschen was) Tage braucht und diese unrunde Zahl dazu führt, dass wir regelmäßig Schalttage im Kalender einführen müssen (für die Details siehe hier). Und dafür, dass der Abstand zwischen Erde und Sonne einen so fundamentalen Einfluss auf unseren Alltag hat, hat es erstaunlich lange gedauert, bis wir ihn halbwegs genau bestimmen konnten.
Man kann zwar recht problemlos beobachten, wie sich Sterne und Planeten über den Himmel bewegen. Aber daraus auch den Abstand zwischen Erde und Sonne zu berechnen ist ne ganz andere Sache. Im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass man die Parallaxe messen muss. Das ist der Winkel, um den sich ein Objekt scheinbar vor dem Hintergrund verschiebt, wenn man es aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Sieht man zum Beispiel einmal mit dem linken Auge auf den Daumen der ausgestreckten Hand und dann nur mit dem rechten Auge, scheint der Daumen hin und her zu springen. Das tut er natürlich nicht wirklich, aber dank der leicht unterschiedlichen Blickwinkel sieht es so aus. Und auch wir blicken immer unter unterschiedlichen Winkeln hinaus ins All. Während sich die Erde um die Sonne bewegt, ändert sich auch der Winkel unter dem wir auf Sterne und Planeten blicken. Dieser Winkel, die Parallaxe, ist aber umso kleiner, je weiter weg die Objekte sind. Sterne sind so wahnsinnig weit weg, dass es bis ins 19. Jahrhundert gedauert hat, bevor man überhaupt in der Lage war, hier eine Parallaxe zu messen. Und auch bei den näheren Planeten war es nicht gerade einfach.
Die besten Chancen sah man bei einem Venustransit, also dem Ereignis, bei dem die Venus von der Erde aus an der Sonnenscheibe vorüber zieht. Von unterschiedlichen Orten der Erde aus beobachtet erscheint die Venus an unterschiedlichen Positionen vor der Sonne und aus der genauen Messung dieser Abweichung kann man die Distanz zwischen Erde und Sonne berechnen. Während der zwei Transits im 18. Jahrhundert machten sich Astronomen weltweit auf die Jagd nach der Venus und am Ende hatte man einen Wert für die Distanz zwischen Erde und Sonne.
Aber so richtig genau war der leider nicht. Besser als nichts – aber nicht so gut, wie man es sich gewünscht hätte. Aber man musste bis zum 20. Jahrhundert warten, bevor es genauer ging. Am 13. August 1898 entdeckte der Parlamentsstenograf und Astronom Gustav Witt den Asteroid Eros. Asteroiden waren damals keine Seltenheit mehr und Eros der 433te bekannte Kleinplanet. Aber es war der erste, der sich nicht im Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter befand. Eros war der erste der sogenannten erdnahen Asteroiden, also von den Himmelskörpern, deren Bahnen sie weit in das innere Sonnensystem hinein und in die Nähe der Erde führen können. Als Eros im Jahr 1930 der Erde am nächsten kam, war der knapp 30 Kilometer lange Asteroid nur 15 Millionen Kilometer entfernt. Dieser vergleichsweise geringe Abstand ermöglichte eine Beobachtung der Parallaxe von Eros und daraus konnte man den Abstand zwischen Erde und Sonne so genau wie nie zuvor berechnen. Noch genauer ging es dann erst in den 1960er Jahren, als man Radarstrahlen zur Venus schickte, die dort reflektiert wurden und auf der Erde wieder registriert werden konnten. Aus der Laufzeit der Signale folgte der Abstand und daraus dann auch der Abstand zwischen Erde und Sonne.
Eros hat uns also enorm dabei geholfen, die grundlegende Struktur des Sonnensystems besser zu verstehen. Es ist schade, dass er sich langfristig auf einer chaotischen Bahn befindet und in knapp 20 Millionen Jahren mit der Sonne zusammenstoßen wird. Aber ok – besser in die Sonne als auf die Erde. Das machen die Asteroiden nämlich auch manchmal… Aber für heute möchte ich nicht an Katastrophen denken, sondern werde im Geburtsort meines “Blogpaten” ein Bier auf sein Leben und seine Leistung trinken. Prost Erhard!
Wie geht es weiter
Noch weiter nach Süden! Morgen steht die längste Etappe meiner Tour auf dem Programm. Es geht weiter durch Bayern, bis zur Donau und nach Regensburg. Genau rechtzeitig zum Katholikentag 2014… weswegen ich auch leider nicht in Regensburg selbst wohnen kann weil die ganze Stadt ausgebucht ist bzw. die Hotels Fantasiepreise verlangen. Aber ein Stück außerhalb hab ich zum Glück noch was gefunden.
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