New Horizons ist eine der coolsten Weltraummissionen, die derzeit unterwegs ist. Ich war davon schon begeistert, als das ganze Projekt in den 1990er Jahren noch “Pluto-Express” und noch viel begeisterter, als die NASA die Sonde dann unter dem Namen “New Horizons” am 19. Januar 2006 tatsächlich ins All geschossen hat. Endlich würde ein Raumfahrzeug zum fernen Pluto fliegen! Die heute Mitte-30-jährigen sind ja verwöhnt was Bilder unseres Sonnensystems angeht. Als wir alt genug waren um uns für den Himmel zu interessieren, gab es von jedem Planeten jede Menge Bilder. Alle Planeten sind schon von Raumsonden besucht worden; auf einigen sind wir sogar gelandet und die gesammelten Daten und Fotografien sind zahlreich. Bis auf Pluto. Pluto bleibt weiterhin mysteriös. Die von der Erde aufgenommenen Bilder des Pluto sind zwar beeindruckend, wenn man bedenkt aus welch großer Entfernung sie gemacht worden sind. Aber sie sind auch ein wenig unbefriedigend. Nächstes Jahr im Juli ist es dann aber endlich so weit: New Horizons wird in nur 9600 Kilometer an Pluto vorbei fliegen und wir werden das erste Mal genau sehen, wie es dort aussieht. Momentan sieht alles so aus, als könne die Sonde dieses Primärziel erfüllen. Aber eigentlich soll die Mission danach noch weitergehen – nur hat die NASA bis jetzt noch kein passendes Ziel gefunden…
Der Zwergplanet bzw. große Asteroid Pluto ist Teil des Kuiper-Asteroidengürtels der hinter der Bahn des äußersten Planeten Neptun beginnt. Sieht man einmal von Pluto selbst ab, hat man den ersten Asteroiden dort erst im Jahr 1992 entdeckt. Ihm sind mittlerweile zwar ein paar hundert weitere Entdeckungen gefolgt. Aber auch von diesen Objekten hat man wenig mehr gesehen als Lichtpunkte auf Fotografien. Von den Asteroiden im Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter hat zumindest ein paar schon aus der Nähe angesehen. Aber vom Kuipergürtel weiß man genau so wenig wie von Pluto selbst.
Deswegen soll New Horizon nach der Begegnung mit Pluto auch weiter fliegen und einen Asteroiden genau untersuchen. Der Sonde bleibt auch nichts anderes übrig. Eigentlich würde es ja logisch erscheinen, dass man das Raumfahrzeug in einen Orbit um Pluto bringt um den Zwergplanet möglichst lange beobachten zu können. Dazu müsste man die Sonde aber abbremsen und das ist schwer. New Horizons ist mit wahnsinniger Geschwindigkeit unterwegs. Als die Sonde die Erde im Januar 2006 verließ betrug ihre Geschwindigkeit 16,21 Kilometer pro Sekunde und das war schneller, als alles, was wir davor je ins All geschickt haben. Nur so konnte New Horizons auch in der vergleichsweise kurzen Zeit von knapp 10 Jahren den weit entfernten Pluto erreichen. Zum Zeitpunkt des Vorbeiflugs ist Pluto fast 30 Mal weiter von der Erde entfernt als die Erde von der Sonne. Das ist eine enorme Distanz und es ist beeindruckend genug, das New Horizons es überhaupt so weit geschafft hat. Wenn die Sonde nun auch noch bremsen müsste, bräuchte sie dafür viel mehr Treibstoff, als sie dabei hat (und hätte sie genug Treibstoff mitgenommen, wäre sie schwerer gewesen und hätte viel länger für den Weg gebraucht). Es bleibt New Horizons also nichts anderes übrig, als einfach weiterzufliegen.
Und wenn man sowieso schon unterwegs in den Kuipergürtel ist, kann man sich ja auch noch ein paar Asteroiden anschauen, dachte man sich damals, als die Mission geplant war. Ein konkretes Ziel hatte man noch nicht ausgewählt, denn den Leuten war klar das die Astronomen bis zur Ankunft bei Pluto noch jede Menge neue Asteroiden finden würden. Man wollte abwarten und erst kurz vorher entscheiden, welchen Himmelskörper im Kuipergürtel man ansteuern würde. Niemand hat damit gerechnet, dass man keinen passenden Kandidaten finden würde. Aber genau das ist nun der Fall.
In den vergangenen Jahren haben die Astronomen von der Erde aus nach neuen Asteroiden im Kuipergürtel gesucht. Die Bevölkerung wurde aufgefordert sich am Projekt “IceHunter” zu beteiligen, bei dem ebenfalls passende Ziele für New Horizons gesucht wurden. Aber alle neu entdeckten Himmelskörper waren für die Sonde nicht erreichbar. Das Team von New Horizons hat 52 neue Kuiper-Gürtel-Asteroiden gefunden, aber an Bord des Raumfahrzeugs befindet sich nur noch genug Treibstoff, um die Geschwindigkeit um 130 Meter pro Sekunde zu verändern. Der beste derzeitige Kandidat, der Asteroid 2011 HZ102, wäre nur mit einer Geschwindigkeitsänderung von 210 Meter pro Sekunde erreichbar.
Es wäre natürlich enorm enttäuschend, wenn New Horizons nach dem Vorbeiflug an Pluto einfach ungezielt durchs All fliegen würde. Deswegen hat man nun das Hubble-Weltraumteleskop bemüht um im Sommer intensiv nach einem Kandidaten für die fortgesetzte Mission zu suchen. Hubble hat natürlich vom All aus einen besseren Blick auf die Asteroiden und die Chancen, ein passendes Objekt zu finden werden dadurch deutlich erhöht. Die Beobachtungszeit am Weltraumteleskop ist allerdings teuer, begrenzt und heiß begehrt. Astronomen aus der ganzen Welt konkurrieren um die Möglichkeit, dort zu beobachten und normalerweise dauert es lange, bis man die Genehmigung bekommt (wenn überhaupt). Für solche “Notfälle” wie bei New Horizons haben die Direktoren des Space Telescope Science Institute allerdings ein gewisses Kontingent an Beobachtungszeit übrig, das nun der Asteroidensuche zur Verfügung gestellt wurde. Für die danach folgende eigentliche Suche hat sich das New-Horizons-Team um Extra-Beobachtungszeit beworben und wegen der Zeitnot schon mit den nötigen Vorbereitungen begonnen, bevor noch überhaupt klar war, ob ihr Antrag überhaupt bewilligt wird. Glücklicherweise hat alles geklappt und die Arbeit kann beginnen.
Rein statistisch haben die Wissenschaftler die Erfolgschance ihres Projekts auf 94 Prozent berechnet. Das ist wesentlich besser als bei der Arbeit mit erdgebundenen Teleskopen: Hier hätte die Chance, noch rechtzeitig einen Kandidaten zu finden nur 38 Prozent betragen. Man kann also optimistisch sein, dass noch rechtzeitig ein Asteroid entdeckt wird, den New Horizons nach dem Besuch bei Pluto anfliegen kann.
Diese Episode zeigt auf jeden Fall wieder, wie falsch die Vorstellung der Asteroidengürtel ist, die man in den einschlägigen Filmen und Fernsehdokumentationen sehen kann. Das ist keine dichte Gesteinswolke; kein Gewirr aus Felsbrocken durch das man mit dem Raumschiff Slalom fliegen kann. Auch im Asteroidengürtel ist das Weltall hauptsächlich leer (ich habe das hier ausführlich erklärt) und wenn man nicht exakt weiß, wohin man fliegen muss, dann wird man außer dieser Leere auch nichts zu sehen bekommen! Insofern können wir den Astronomen des New-Horizons-Team bei ihrer Arbeit mit Hubble nur viel Glück wünschen. Denn leeren Weltraum hat die Sonde auf ihrer langen Reise schon genug gesehen…
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