Das, was die Astronomie so enorm faszinierend macht, sind mit Sicherheit auch die beeindruckenden Bilder, die im Zuge der Forschungsarbeit veröffentlicht werden. Zum Beispiel dieses hier:
Das ist die Galaxie NGC 4258, 23 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Ein beeindruckendes Bild; ein Feuerwerk aus Farben und Formen. Und ein Bild, dass wir so mit unseren eigenen Augen niemals sehen könnten. Nicht nur, weil unsere Pupillen viel zu klein sind, um das wenige Licht zu registrieren, das von dieser Galaxie bis zur Erde gelangt. Sondern auch, weil unsere Augen prinzipiell nicht in der Lage sind, all das Licht zu sehen, das im Universum existiert. Diese Aufnahme kombiniert Röntgenlicht, Infrarotlicht, Radiolicht und das “normale” Licht zu einer einzigen grandiosen Aufnahme und zeigt uns wieder einmal, wie wichtig es ist, dass die Astronomie gelernt hat, das komplette elektromagnetische Spektrum zu sehen und nicht nur den kleinen Ausschnitt der Realität den wir Menschen meinen, wenn wir davon sprechen, dass wir etwas “sehen”.
Das besondere an dieser Galaxie sind ihre Spiralarme. Nicht deren Existenz an sich; Spiralarme gibt es in jeder Spiralgalaxie und das Universum ist voll davon. NGC 4258 aber hat ein paar Spiralarme, die nicht in der Ebene der galaktische Scheibe liegen, sondern quer hindurch verlaufen. Das sieht man am besten, wenn man die beiden Aufnahmen vergleicht, die nur das normale Licht beziehungsweise das Röntgenlicht zeigen:
Oben ist das optische Bild; unten sieht man die Röntgenstrahlung die von dieser Galaxie abgestrahlt wird. Im Röntgenbild erkennt man die abnormen Spiralarme, die sich nicht an die Orientierung der galaktischen Scheibe halten. Was dort genau abläuft, haben Patrick Ogle vom Californian Institute of Technology und seine Kollegen nun untersucht (“Jet-Shocked H2 and CO in the Anomalous Arms of Molecular Hydrogen Emission Galaxy NGC 4258”). Dazu haben sie nicht nur die Informationen aus normalen Licht und Röntgenlicht benutzt, sondern die Galaxie auch noch mit dem Karl Jansky Very Large Array und dem Spitzer-Weltraumteleskop beobachtet. Das Karl-Jansky VLA ist ein Radioteleskop und mit Spitzer lässt sich Infrarotstrahlung beobachten. So sieht die Galaxie aus, wenn man nur Radio- bzw. Infrarotlicht betrachtet:
Ogle und seine Kollegen haben sich bei ihrer Arbeit besonders auf die Infrarotstrahlung konzentriert. Denn NGC 4258 ist eine “MOHEG”, eine “molecular hydrogen emission galaxy”, also eine Galaxie, in der man sehr starke Infrarotstrahlung beobachten kann, die von Wasserstoffmolekülen erzeugt wird. Misst man die Intensität dieser speziellen Infrarotstrahlung und sieht nach, wo sie her kommt, dann erhält man einen guten Überblick über die Verteilung der großen Gaswolken in der Galaxie. Und daraus lässt sich jede Menge lernen, denn das Gas ist ein wichtige Bestandteil in einer Spiralgalaxie. Die Gaswolken sind die Orte, an denen Sterne entstehen und je weniger Gas, desto weniger Sterne kann es geben. Das Gas zeigt aber auch, was in der Galaxie sonst noch so abläuft. Wenn da zum Beispiel alte Sterne explodieren, können dadurch Schockwellen in den Gaswolken entstehen und die aufgeheizten Moleküle geben Röntgen- oder Radiostrahlung ab. Oder aber das zentrale schwarze Loch im Zentrum der Galaxie erzeugt sogenannte “Jets”, also Strahlen aus hochenergetischen Teilchen, die das umliegende Gas ebenfalls aufheizen können.
Und genau das scheint bei NGC 4258 zu passieren. Die Jets kommen natürlich nicht AUS dem Loch, sondern werden in seiner unmittelbaren Umgebung erzeugt. Ein aktives schwarzes Loch ist von einer großen rotierenden Scheibe aus Material umgeben, dass in das Loch hinein spiralt. Dabei entkommen Teilchen von der Scheibe nach oben und unten und wenn sie beschleunigt durch die große Gravitation des Lochs und die starken Magnetfelder im Zentrum der Galaxie mit enormen Geschwindigkeiten davon sausen und auf das umliegende Gas treffen, werden die Moleküle angeregt und aufgeheizt. Das nun heiße Gas entkommt aus der Ebene der Galaxie und bildet so die anomalen Spiralarme, die man im Bild sehen kann.
Das supermassereiche schwarze Loch in dieser Galaxie hat also quasi das Wasserstoff aus der Ebene der galaktischen Scheibe hinaus gepustet und so das kosmische Feuerwerk erzeugt, das wir in dem tollen Bild ganz oben sehen können. Für NGC 4258 ist das alles aber nicht so toll. Denn eine Galaxie braucht ihr Gas, wenn sie weiterhin neue Sterne produzieren will. Ogle und seine Kollegen haben aber nun anhand der neuen Beobachtungen berechnet, dass es nur 300 Millionen Jahre dauert (nichts, verglichen mit der gesamten Lebenszeit einer Galaxie), bis das ganze restliche Wasserstoffgas aus NGC 4258 hinaus gepustet worden ist. Und schon jetzt ist dort so wenig Gas vorhanden, dass die Sternentstehungsrate 10 Mal geringer ist als in unserer eigenen Galaxie, in deren Zentrum ein recht braves schwarzes Loch sitzt, das nicht aktiv ist.
Es ist wie bei einem echten Feuerwerk: Zuerst gibt es eine große Show mit jeder Menge bunten Farben. Und dann wird es dunkel und alles ist vorbei…
Kommentare (22)