Gestern habe ich über die beeindruckende Entdeckung des doppelten Kerns von Rosettas Komet geschrieben. Es waren tolle Bilder, die während der Annäherung an den Kometen gemacht wurden und zeigen, dass er aus zwei großen Komponenten besteht und kein einzelner Brocken ist. Es waren allerdings auch Bilder, die ihr gar nicht sehen hättet sollen. Sie waren anscheinend aus Versehen von der französischen Raumfahrtagentur CNES publiziert worden. Schon kurz nach dem sie online waren, sind sie wieder verschwunden. Da aber waren sie schon über alle Medien verbreitet. Nun fordern Raumfahrt-Fans in einem offenen Brief, dass die ESA Daten der Raumsonde Rosetta in Echtzeit freigeben soll. Aber: Ist das wirklich eine gute Idee?
Im Brief wird verlangt:
“Wir fordern, dass auch nach der Ankunft niedrig aufgelöste Bilder ohne hohen wissenschaftlichen Wert in Echtzeit veröffentlicht werden, ähnlich der Webcam von Mars Express. Wir fordern, dass nicht die Konkurrenz zwischen einzelnen Kameras an Bord Rosettas (OSIRIS und NavCam) dazu führen, dass Bilder zurückgehalten werden, wie kürzlich von ESA-Missionsmanager Fred Jansen zugegeben.”
Das klingt ja eigentlich ganz vernünftig. Immerhin wird die Raumsonde Rosetta ja auch aus den Mitgliedsbeiträgen der ESA-Länder, also aus Steuergeldern, finanziert. Und da sollten die Steuerzahler dann auch sehen können, was mit ihrem Geld gemacht wird. Aber leider ist die Sache nicht so einfach. Die Europäische Raumfahrtagentur hat auf den offenen Brief reagiert und geantwortet:
“Data from the Hubble Space Telescope, the Chandra X-Ray observatory, the MESSENGER mission to Mercury, or for that matter, some NASA Mars orbiters, are all subject to a so-called “proprietary period”, as are the data from ESA’s Mars Express, XMM-Newton, and Rosetta, for example.
The aim of a proprietary period is to ensure that the academic teams who spent decades developing and running the sophisticated scientific instruments on-board the spacecraft are able to calibrate and verify the data, as well as reap the rewards of their efforts: their scientific careers depend on it. Otherwise, it would be very hard to engage people in this long and difficult process. Similarly, it’s reasonable that those who won observing time, typically against stiff competition with over-subscription factors of three to ten, have the first chance to exploit the data.”
Ich neige dazu, der ESA zuzustimmen. Es geht ja nicht darum, der Öffentlichkeit irgendetwas vorzuenthalten. Sondern nur darum, die Wissenschaftler zuerst ihre Arbeit machen zu lassen.
Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder für Open Access eingesetzt, also dafür, dass wissenschaftliche Forschungsartikel für alle Menschen frei verfügbar sein sollen. Ich habe vor einiger Zeit beschlossen hier im Blog nur mehr über freie Forschungsergebnisse zu schreiben. Und regelmäßig die Praxis vieler Pressestellen kritisiert, Pressemitteilungen zu veröffentliche ohne dabei auch den Volltext der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeit zu inkludieren. Da mag es vielleicht seltsam erscheinen, wenn ich nun der ESA bei ihrer Entscheidung zustimme, ihre Daten nicht in Echtzeit zu veröffentlichen. Aber es geht hier um zwei ganz unterschiedliche Sachen.
Die ESA veröffentlicht die Daten und Bilder ja. Nur eben nicht sofort. Und das mit gutem Grund: Es ist viel Arbeit nötig, um die wissenschaftlichen Instrumente zu planen und zu bauen die auf Raumsonden ins All fliegen und viele Wissenschaftler müssen viel Zeit und Geld investieren. Sie tun das, weil sie am Ende mit Daten belohnt werden, die sie für ihre Forschung nutzen können. Damit sie das tun können, müssen sie aber auch die Gelegenheit erhalten, in Ruhe mit diesen Daten arbeiten zu können. Würden sie sofort und in Echtzeit veröffentlicht werden, dann könnte jeder damit arbeiten. Warum soll sich dann noch jemand die Arbeit machen, komplizierte Instrumente zu entwerfen und zu bauen, wenn man doch auch einfach warten kann, bis andere das tun. Die Daten sind dann ja sowieso sofort für alle verfügbar…
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