Neben Fragen zur Größe des Universums und dem Urknall stehen auch schwarze Löcher ganz oben auf der Liste an Dingen, über die Leute Bescheid wissen wollen. In meiner “Fragen zur Astronomie”-Serie geht es darum heute schwarzen Löchern weiter. Wenn aus einem schwarzen Loch nichts entkommen kann: Wie kommt dann die Gravitation aus dem schwarzen Loch hinaus?
Es klingt nach einer simplen Sache: Nichts kann aus einem schwarzen Loch entkommen. Darum ist es ja ein schwarzes Loch. Und wenn nichts entkommen kann, dann ja eigentlich auch nicht die Gravitation. Wieso also spürt man dort immer noch eine Gravitationskraft?
Um zu erklären, was hier passiert, muss man sich zwei Dinge klar machen. Einmal, dass ein schwarzes Loch zwar “Loch” genannt wird, aber eigentlich kein wirkliches “Loch” ist. Und man muss wissen, dass die Gravitation ein bisschen anders funktioniert als andere Kräfte.
Ein schwarzes Loch ist kein “Loch” im Raum. Sondern erst mal “nur” ein Himmelskörper, bei dem sich eine bestimmte Menge an Materie innerhalb eines bestimmten Radius befindet. Es kommt vor allem auf die Dichte an. Das, was ein schwarzes Loch so besonders macht, ist die Dichte. Hier ist enorm viel Material auf sehr kleinem Raum komprimiert. Ein schwarzes Loch kann zum Beispiel die Masse der Sonne haben. Aber deswegen ist nicht alles, was so schwer ist wie die Sonne, auch ein schwarzes Loch. Erst wenn man diese Masse auf einen sehr kleinen Raum konzentriert (bei der Masse der Sonne auf wenige Kilometer), wird die Sache besonders. Ganz vereinfacht gesagt: Da diese gesamte Menge an Materie auf so kleinem Raum konzentriert ist, kann man dieser gesamten Masse auch viel näher kommen, als es sonst der Fall wäre und deswegen die Effekte der Gravitationskraft viel stärker spüren. Und irgendwann ist da eben der Punkt erreicht, wo die Anziehungskraft so stark ist, dass man nicht mehr schnell genug sein kann, um ihr wieder zu entkommen. Diese Grenze ist der “Ereignishorizont” und solange man sie nicht überschreitet, hat man keine Probleme (ein schwarzes Loch “saugt” nichts an). Aber alles was einmal hinter den Ereignishorizont gerutscht ist, bleibt auch dort und kommt nicht mehr zurück.
Und die Gravitation? Gravitation ist nichts, was ein Objekt “ausstrahlt”. Wir erklären die Gravitation derzeit im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein (siehe hier für eine umfassende Erklärung) und die beschreibt Gravitation als Auswirkung der Verformung des Raums selbst. Jede Masse krümmt die Raumzeit und die Objekte im Universum bewegen sich entlang dieser Krümmung. Und wir empfinden diese Bewegung durch den gekrümmten Raum als Kraft, die wir Gravitation nennen. Die Sonne macht zum Beispiel eine “Delle” in den Raum und wenn die Erde sich bewegt, dann kann sie nicht einfach geradeaus an der Sonne vorbei fliegen, sondern muss der Krümmung der “Delle” folgen. Uns erscheint es so, als würde die Sonne eine Kraft auf die Erde ausüben und sie auf eine Umlaufbahn um sie herum zwingen. Aber die Sonne sendet eben keine “Gravitationsstrahlen” oder ähnliches aus.
Einsteins komplizierte Gleichungen beschreiben genau, wie stark Materie den Raum krümmt. Das Ausmaß der Krümmung hängt einerseits von der Masse eines Objekts ab. Je größer die ist, desto stärker ist auch die Krümmung und damit auch die Stärke der Gravitationskraft. Die Krümmung des Raums an einem bestimmten Punkt hängt aber auch von der Stärke der Krümmung des Raums in der unmittelbaren Umgebung dieses Punktes ab. Die Gravitationskraft ist also nichts, das “aus” dem schwarzen Loch heraus kommen muss, weil sie nicht wirklich drinnen war. Das Loch verformt mit seiner Materie den Raum selbst und diese Verformung existiert ganz unabhängig von den besonderen Eigenschaften eines schwarzen Lochs. Das Gravitationsfeld hat immer an jedem Punkt des Raums einen bestimmten Wert und da ist nichts, was sich aus dem Loch heraus bewegen muss, um uns eine Kraft spüren zu lassen.
Man kann sich jetzt noch fragen, wie das mit “Gravitonen” ist. Normalerweise kann man eine Kraft ja nicht nur als Kraftfeld beschreiben, sondern auch durch die Übermittlung von Teilchen. Die elektromagnetische Kraft zum Beispiel kann man sich als einen Austausch von Lichtteilchen, den Photonen, vorstellen. In den letzten Jahrzehnten haben die Wissenschaftler für alle bekannten Kräfte solche Quantentheorie entwickelt mit entsprechenden Übermittlerteilchen für jede Kraft. Nur bei der Gravitation ist das nicht gelungen. Das hypothetische Übermittlerteilchen der Gravitationskraft hat man provisorisch schon mal “Graviton” genannt, aber niemand weiß, ob das wirklich existiert. Wenn ja, dann stellt sich tatsächlich die Frage, wie die Gravitonen aus dem schwarzen Loch heraus kommen können um die Gravitationskraft zu übermitteln. Aber um zu wissen, wie das mit den Gravitonen wirklich funktioniert, müsste man erst mal eine Quantentheorie der Gravitation entwickeln und das ist eine Aufgabe, an der die Wissenschaftler schon seit fast 100 Jahren erfolglos arbeiten. Wenn es aber dann doch irgendwann mal gelingen sollte, werden wir vermutlich auch die schwarzen Löcher besser zu verstehen. Denn in allen Details lassen sich auch die nur mit einer Quantentheorie der Gravitation beschreiben und die haben wir eben noch nicht. Insofern können wir die Sache mit den Gravitonen erst mal ignorieren und warten, bis wir genau wissen, ob es diese Dinger überhaupt gibt und die Frage “Wie entkommen Gravitonen aus einem schwarzen Loch?” überhaupt sinnvoll ist.
Die Gravitationskraft kann jedenfalls aus einem schwarzen Loch “entkommen”. Und die Antwort auf die Frage “Wie kommt die Gravitation aus dem schwarzen Loch heraus?” lautet: Gar nicht, weil sie nicht drin war!
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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