Die Erde dehnt sich aus!
Die Erde war früher viel kleiner als heute. Der ganze Planet war von einer durchgehenden Landmasse bedeckt und es gab nirgendwo Ozeane. Dann begann die Erde langsam zu wachsen und der globale Kontinent brach auseinander. Die Erde wuchs weiter und die einzelnen Bruchstücke entfernten sich voneinander. Dazwischen bildeten sich die Meere, die wir heute sehen. Das klingt nach einer ziemlich seltsamen Theorie; nach einer Idee die von Esoterikern oder Pseudowissenschaftlern stammen könnte. Planeten wachsen und schrumpfen doch nicht so einfach! Aber so absurd die Idee einer expandierenden Erde auch klingt: Sie war bis vor gar nicht langer Zeit eine seriöse wissenschaftliche Hypothese.
Die Wissenschaftler von heute haben mittlerweile ein recht gutes Verständnis der geologischen Phänomene auf und unter der Erdoberfläche. Wir wissen heute, dass sich die Kontinentalplatten über die Erde bewegen und sich dabei zu immer wieder neuen Konfigurationen zusammenfinden. Heute gibt es viele einzelne, kleine Kontinente die durch Ozeane voneinander getrennt sind, vor ungefähr 250 Millionen Jahren haben sie gemeinsam den Superkontinent Pangäa geformt und in ferner Zukunft werden sie erneut eine einzige große Landmasse bilden. Bei ihrer Wanderung über den Planeten erzeugen die beweglichen Kontinentalplatten Erdbeben, bilden Gebirge und neue Ozeane oder legen die Grundlage für große Vulkanausbrüche. Die Theorie der Plattentektonik ist die Basis der modernen Geophysik, wird aber erst seit den 1960er Jahren allgemein akzeptiert.
Alfred Wegeners Idee der “Kontinentaldrift” existierte zwar auch schon vorher – er hatte sie 1915 in seinem Buch “Die Entstehung der Kontinente und Ozeane” veröffentlicht – aber da Wegener keinen Mechanismus angeben konnte, der für die Bewegung der Kontinente verantwortlich war, hatte die Hypothese Probleme sich durchzusetzen. Die Bewegung der Kontinente war nur eine von mehreren Möglichkeiten um die geologischen und biologischen Befunde der damaligen Zeit zu erklären. Man wusste zum Beispiel schon seit längerer Zeit, dass sich Tier und Pflanzenarten auf den durch die Ozeane getrennten Kontinenten stark ähnelten. Es musste also irgendwann in der Vergangenheit eine Möglichkeit des Austausch zwischen zum Beispiel zwischen Afrika und Australien oder Südamerika und Afrika gegeben haben. Der Naturforscher Philip Lutley Sclater untersuchte im 19. Jahrhundert die Populationen von Lemuren in Madagaskar und Indien und stellte dabei fest, dass sie zu eng verwandt waren, um sich so weit voneinander entfernt unabhängig entwickelt zu haben. Als Lösung schlug Sclater die Existenz von Landbrücken vor, die früher die einzelnen Kontinente verbunden hatten aber irgendwann im Laufe der Zeit im Ozean versunken war. Der hypothetischen Verbindung zwischen Afrika und Asien gab Sclater den Namen “Lemuria” und diese angeblich versunkene Region wurde danach von anderen Forschern sogar als Ursprungsort der Menschheit deklariert.
Lemuria war im 19. und dem frühen 20. Jahrhundert eine genau so plausible Erklärung wie es die expandierende Erde war. Diese Hypothese wurde vom italienischen Geowissenschaftler Roberto Mantovani erstmals im Jahr 1889 publiziert. Er stellte sich die frühe Erde als viel kleineren Planeten vor, der von einer durchgehenden Kruste bedeckt war. Die Wärme von vulkanischer Tätigkeit im Untergrund sollte zur Ausdehnung der Erde führen und die auseinanderbrechende Kruste im Laufe der Zeit langsam die Formen der Kontinente annehmen, die wir heute beobachten. Andere Wissenschaftler, zum Beispiel der irische Physiker John Joly, gingen von einem zyklischen Vorgang aus, bei dem die Erde abwechselnd expandiert und wieder schrumpft. Wieder andere spekulierten, ob die Bewegung der Erde durch den kosmischen Äther (von dessen Existenz man Anfang des 20. Jahrhunderts ebenfalls noch ausging) zu einer Massenzunahme führen könnte.
Endgültig zu den Akten gelegt werden konnte die Theorie der expandieren Erde im Jahr 2011. Da nutzte man Satellitendaten um herauszufinden, ob sich der Radius der Erde im Laufe der Zeit ändert oder nicht und konnte keinerlei Zuwachs (oder Verringerung) erkennen. Unser Planet wird nicht größer und die einzigen die heute noch immer von der wachsenden Erde erzählen sind tatsächlich die Pseudowissenschaftler. Da wird dann von hypothethischen “Skalarwellen” erzählt und “Neutrinopower” aus dem Weltall, die dafür sorgt dass die Erde ständig größer wird und es läge nur an einer weltweiten Verschwörung von Wissenschaftlern und Politikern, dass wir nichts davon mitbekommen…
Wir wissen heute mit Sicherheit, dass die Erde nicht expandiert und können die geophysikalischen Befunde mit der Theorie der Plattentektonik gut erklären. Die Behauptung, dass die Erde sich ausdehnt, ist falsch. Aber nur weil uns etwas heute und mit heutigem Wissen lächerlich vorkommt, heißt das nicht, dass das immer schon so gewesen sein muss. Vor ein paar Jahrzehnten war diese “lächerliche” Behauptung eine seriöse wissenschaftliche Hypothese. Und mit Sicherheit werden die Wissenschaftler der Zukunft auch irgendwann auf unsere Gegenwart zurück blicken und sich bei manchen Dingen fragen, wie wir nur auf so einen absurden Kram gekommen sind.
Diesen Text habe ich ursprünglichen zu einem andern Zweck geschrieben für den er dann aber nicht eingesetzt wurde. Aber ich dachte mir, wenn Interesse besteht, könnte man daraus ja eine Serie zum Thema “Veraltete wissenschaftliche Theorien” machen…
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