Ein Grund, warum sich unser Klima zur Zeit so sehr ändert, ist das Kohlendioxid. Es entsteht, wenn wir fossile Energieträger wie Kohle, Gas oder Öl verbrennen und sammelt sich in der Atmosphäre der Erde, wo es als Treibhausgas wirkt und die Abstrahlung von Wärme zurück ins All verhindert. Und wir verbrennen jede Menge… In Autos, Schiffe, Flugzeugen, Diesellokomotiven, unseren Häusern, der Industrie: Überall wird CO2 in die Luft gepustet und wir machen keine Anstalten, damit aufzuhören. So wie es aussieht, werden wir erst dann damit aufhören, wenn wir das ganze Erdöl aufgebraucht und keine andere Wahl mehr haben, als zu alternativen Energien zu wechseln. Bis es so weit ist, wäre es aber vielleicht ganz praktisch, die Rate unserer CO2-Emissionen zumindest ein wenig zu verlangsamen und damit auch die Veränderung des Klimas. Möglichkeiten dafür gibt es genug und eine davon besteht darin, als Konsument auf lokale Produkte zu achten. Wenn das, was wir kaufen, zuvor nicht erst mit Schiffen, LKWs und Flugzeugen um die halbe Welt transportiert worden ist, sondern vielleicht sogar aus dem gleichen Ort stammt, wo es auch verkauft wird, reduziert das den CO2-Ausstoß. Aber das ist gar nicht so einfach, wie es klingt denn die Welt in der wir leben wird immer komplexer…
Auf meiner Klimareise habe ich bisher nicht nur viele interessante und schöne Orte gesehen an denen es viel zu lernen gab. Es waren auch Orte, die für ihre lokalen Lebensmittel bekannt sind. In der Lüneburger Heide zum Beispiel kann man keinen Gasthof betreten, der auf der Speisekarte nicht zumindest ein Gericht von der Heidschnucke führt. Die “Lüneburger Heidschnucke” ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung und darf nur für Fleisch von Schafen verwendet werden, die auch tatsächlich aus der Lüneburger Heide kommen. Die Bratkartoffeln, die oft zur Heidschnucke serviert werden, sind höchstwahrscheinlich auch irgendwo in der Region angebaut worden und wenn man dann auch ein Heidjer-Pils aus Celle trinkt, hat man ein wirklich regionales Menü bei dem zumindest für den Transport der Waren weniger CO2 angefallen ist, als es bei argentinischem Rindersteak oder einem Meeresfrüchtesalat der Fall wäre.
Aber so einfach wie das mit den regionalen Produkten scheint, ist es nicht immer. Das habe ich bei meinem Besuch in Bremerhaven gemerkt. Was ist absolut typisch für die Nordsee und was bekommt man dort überall in jedem Restaurant und an jeder Imbiss-Bude? Natürlich ein Krabbenbrötchen mit echten Nordseekrabben!
Nordseekrabben an der Nordsee – noch regionaler geht es doch gar nicht, oder? Die Krabben, die ich an der Bude in der Innenstadt von Bremerhaven gegessen haben, müssen doch höchstens den Weg vom nächsten Krabbenkutter im Hafen nebenan zurück gelegt haben? Das kann theoretisch sein (auch wenn die lokale Krabbenfischerei längst nicht mehr in dem Umfang betrieben wird, wie früher). Aber selbst wenn die Krabben tatsächlich im Meer vor Bremerhaven gefangen worden sind, dann ist die Chance groß, dass sie zuerst noch einen kleinen Ausflug nach Marokko gemacht haben, bevor sie auf meinem Brötchen gelandet sind.
Denn Krabben muss man “pulen”; also schälen. Ich erinnere mich noch gut an Kindheitsurlaube und Verwandschaftsbesuche an der Nordsee und die langweiligen Nachmittage, an denen wir anstatt zu spielen bei Regen in der Wohnung gesessen sind und Krabben schälen mussten (oder zumindest den Erwachsenen dabei zugesehen haben, wie sie die im Hafen gekauften Krabben geschält haben). Und privat werden heute sicherlich immer noch viele Küstenbewohner die frisch gefangenen Krabben für den Eigenbrauch schälen. Aber für die verkauften Tiere gilt das nicht. Die Handarbeit wäre in Deutschland vermutlich heute einfach zu teuer um den Bedarf an Krabben zu befriedigen. Und außerdem ist das Krabbenpulen in Heimarbeit für den Verkauf auch schon seit Jahrzehnten durch eine EU-Richtlinie verboten.
Also werden die Krabben eben in Marokko geschält, wo die Arbeitskräfte so billig sind, dass es sich trotz des langen Transportweges für die Fischereibetriebe am Ende finanziell noch lohnt. Es gab immer wieder Versuche, die Krabben maschinell in Deutschland zu schälen und zu verarbeiten aber das ist eine so filigrane Angelegenheit, dass Maschinen damit nicht oder nur schlecht zurecht kommen. Die entsprechenden Geräte sind teuer, unzuverlässig und wartungsintensiv und liefern einen geringeren Output als bei der Verarbeitung mit der Hand. Oder aber sie können nur sehr kleine Menge verarbeiten. Versuche, große maschinelle Schälzentren direkt an der deutschen Nordseeküste einzurichten, wie man es zum Beispiel in Cuxhaven probiert hat, sind gescheitert und die entsprechenden Firmen pleite.
Was soll man tun? Wir wollen eben alle Nordseekrabben essen; in München genau so wie in Berlin, im Ruhrgebiet oder im Erzgebirge. Und um diesen Bedarf zu stillen, braucht es Massenproduktion die in Deutschland zumindest aus wirtschaftlichen Gründen nicht stattfinden kann. So wie in vielen anderen Branchen auch setzt man auf billige Arbeitskräfte in fernen Ländern und nimmt die damit verbundenen langen Transportwege in Kauf. Ebenso wie die so entstehenden CO2-Emissionen.
Die Welt ist eben tatsächlich “global” geworden. Wer früher frischen Fisch essen wollte, musste ans Meer fahren (oder sehr reich sein, um sich den umständlichen Transport und die aufwendige Kühlung leisten zu können). Wer tropische Früchte essen wollte, musste in die Tropen reisen. Und argentinisches Rindersteak gab es nur in Argentinien. Heute wollen wir all das aber in unserem Supermarkt vor Ort haben und zwar jeden Tag. Im Obstregal müssen Bananen und Papayas liegen und Erdbeeren (egal ob gerade Erdbeerzeit ist oder nicht und die Früchte vom anderen Ende der Welt kommen müssen). An der Fischtheke einer bayrischen Kleinstadt müssen die gleichen Produkte zu finden sein wie im schleswig-holsteinischen Hafenort. Und wenn im Weinregal nicht Flaschen aus mindestens drei Kontinenten zu finden sind, gibt es Ärger mit der Kundschaft. Für all das müssen Schiffe und Lastwagen ständig durch die ganze Welt fahren und treiben dabei den Klimawandel unweigerlich voran.
Eine Lösung für dieses Problem zu finden ist schwer. Es wäre naiv davon auszugehen, man könne zurück zu einer lokalen Welt in der es Nordseekrabben eben wirklich nur an der Nordsee gibt und nirgendwo sonst. Rückwärtsgewandte Strategien werden sich nie durchsetzen. Wir alle haben uns zu sehr an den Status Quo gewöhnt um davon wieder abzurücken. Es würde daher wenig bringen, zu irgendwelchen Boykotten aufzurufen oder dazu, nur noch lokale Produkte zu konsumieren. Die Sache mit den Krabben und dem Transport nach Marokko und zurück ist ja nur eines von vielen Beispielen und im großen Ganzen vermutlich nicht mal relevant. Wir werden weiterhin einer Welt leben, in der Produkte über den ganzen Planeten transportiert werden und Menschen ständig zwischen den Kontinenten hin und her reisen. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir in Zukunft nur noch Lebensmittel aus unseren Vorgärten essen. Langfristig werden wir nicht umhin kommen, das Problem grundlegend zu lösen: Es spricht ja absolut nichts dagegen, wenn die Welt durch Transportmittel aller Art vernetzt wird. Wir müssen nur dafür sorgen, dass dieser ganze Verkehr nicht das Klima schädigt. Wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen; weg von einer Energieproduktion, die nicht nachhaltig ist. Wir brauchen erneuerbare Energien; zumindest dort wo sie sinnvollerweise verwendet werden können und wir brauchen völlig neue Konzepte. Wir könnten ja mal probieren, die Kernfusion ernsthaft zu erforschen anstatt sie immer nur halbherzig zu fördern um uns dann darüber zu beschweren, dass die Ergebnisse so lange auf sich warten lassen. Wir könnten uns überlegen, was nötig wäre, um Strom aus dem Weltall zu gewinnen.
Kurz gesagt: Wir bräuchten Visionen. Die finden sich aber kaum irgendwo und schon gar nicht in der Politik. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ich werde jetzt einkaufen gehen; im Supermarkt von Mölln. Mal sehen, was es dort so gibt…
Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.
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