In meiner Serie “Fragen zur Astronomie” ist heute eine besonders beliebte Frage an der Reihe: Was ist Antimaterie?. “Antimaterie” gilt als besonders mysteriös; als besonders gefährlich und generell irgendwie unheimlich. Vielleicht erinnert sich ja jemand noch an die Verfilmung von “Illuminati” in der Antimaterie als “äußerst brennbare Substanz” bezeichnet worden ist. Das ist natürlich Unsinn. Antimaterie ist nicht mysteriöser oder “böser” als normale Materie. Eigentlich ist Antimaterie ja auch nichts anderes als normale Materie. Nur halt ein bisschen anders…
Die stofflichen Dinge dieser Welt bestehen aus Materie. Die wiederum besteht aus gewissen fundamentalen Elementarteilchen (ich habe das hier ausführlich erklärt). Normalerweise sind es Elektronen und Quarks; aus ihnen sind die Atome aufgebaut die all die chemischen Elemente bilden, aus denen die Dinge gemacht sind, die uns umgeben. Elementarteilchen haben verschiedene Eigenschaften, zum Beispiel eine charakteristische Masse. Sie haben aber auch eine elektrische Ladung und können positiv, negativ oder gar nicht geladen sein.
Als “Antimaterie” bezeichnet man nun einfach die Teilchen, die ansonsten völlig identisch zu den normalen Teilchen unserer Materie sind aber eine entgegengesetzte elektrische Ladung haben (genaugenommen müssen auch noch magnetisches Moment und ein paar der Quantenzahlen entgegengesetzt sein). Ein Positron beispielsweise ist in so gut wie jeder Hinsicht absolut identisch zu einem Elektron. Nur ist das Elektron negativ geladen während das Positron positiv geladen ist. Das Positron ist also das Antiteilchen des Elektrons, aber deswegen nicht irgendwie grundlegend “gefährlich” oder “mysteriös”. Positronen kommen auch nicht aus irgendwelchen geheimnisvollen fremden “Dimensionen”: Man findet sie bei jeder Menge natürlicher Prozesse. So werden zum Beispiel beim Zerfall radioaktiver Teilchen auch Positronen freigesetzt und diesen Effekt macht man sich unter anderem in der Medizin zu nutze. Bei jeder PET-Untersuchung wird der Patient im wesentlichen mit Antimaterie bestrahlt und das “PET” steht für “Positronen-Emissions-Tomographie”.
Einen großen Unterschied gibt es zwischen Materie und Antimaterie aber doch noch: Unsere Welt ist voll von Materie; von der Antimaterie allerdings ist kaum etwas zu sehen. Nirgendwo – zumindest dem aktuellen Stand des Wissens nach – gibt es größere, natürlich vorkommende Mengen an Antimaterie. Dabei können sich aus den Antiteilchen genau so Antiatome und daraus Antimoleküle bilden wie es bei den normalen Teilchen passiert. Sie sind ja, bis auf die Ladung, absolut identisch. Theoretisch spricht nichts dagegen, eine ganze Welt aus Antimaterie aufzubauen. Unserem aktuellen Wissensstand nach gibt es derzeit keinen Grund anzunehmen, dass sich die Antielemente anders verhalten würden als die normalen chemischen Elemente (und bis jetzt zeigen die Experimente auch keine solchen Unterschiede). Aber abgesehen von ein paar Versuchen in Teilchenbeschleunigern in denen ein paar wenige Antiatome künstlich erzeugt werden konnten, findet sich überall nur Materie.
Das liegt unter anderem daran, dass Materie und Antimaterie auf bestimmte Weise miteinander wechselwirken können. Treffen sich Teilchen und Antiteilchen und sind sie im richtigen Quantenzustand, dann kann es zur Annihilation kommen. Das heißt, dass Teilchen und Antiteilchen zusammen Photonen bilden; sich also – vereinfacht gesagt – gegenseitig vernichten und in Energie umwandeln. Andersrum ist es genau so: Wenn man Materie aus Energie erzeugt, dann entstehen dabei nie nur Materie oder nur Antimaterie-Teilchen sondern immer Paare aus Teilchen und Antiteilchen.
Und eigentlich muss das auch bei der ursprünglichen Entstehung der Materie selbst so gewesen sein. Als aus der Energie des Urknalls die Materie entstand, sollte das eigentlich zu gleichen Teilen Materie und Antimaterie gewesen sein. Beide Teilchengruppen hätten sich dann im Laufe der Zeit gegenseitig vernichtet und am Ende sollte nur reine Energie übrig geblieben sein. Aber offensichtlich war das nicht so, denn heute ist das Universum voll mit Materie und nur die Antimaterie ist verschwunden.
Warum das so ist, gehört zu den großen ungelöste Fragen der Physik. Vielleicht wurde beim Urknall eben doch nicht gleich viel Materie und Antimaterie erzeugt sondern ein bisschen mehr Materie, die dann am Ende übrig blieb. Aber ob das wirklich so war und was der Grund für diese anfängliche Asymmetrie ist, werden wir wohl erst dann herausfinden, wenn wir neue Wege gefunden haben, den Ursprung des Universums zu beschreiben…
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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