Allerdings verschaffen diese Zahlen einen guten Einblick in die vorhin aufgestellte Hypothese einer sich entwickelnden bürgerlichen Schicht in der Gesellschaft, auch wenn man keinesfalls von einer homogenen Struktur unter den Beamten sprechen kann.

Wie sieht es denn damit aus in anderen Ländern jener Zeit? Lässt sich ein besonderer Beamtentypus festmachen, vielleicht gar unter Maximilian II.? Einen gewichtigen Unterschied zu Preußen findet sich tatsächlich – während in Preußen rund 80-90% der höheren Beamten aus der Oberschicht kamen waren es in Bayern im Schnitt 60%, wie der Historiker Bernd Wunder feststellte.17 Tatsächlich stellte in Bayern die Beamtenschaft, aber auch andere akademische Berufe wie Gymnasiallehrer oder Theologen Aufstiegsmöglichkeiten für eine leistungsbereite und leistungsfähige Mittelschicht dar.18

Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Aufstiegschancen innerhalb der Gesellschaft ist ein Allgemeinplatz – im 19. noch mehr als im 20. und 21. Jahrhundert. Dennoch lässt sich gerade im Hinblick auf den Vergleich mit Preußen und der starken Gewichtung der Oberschichten in den preußischen Beamtenrängen ein Blick auf den Unterschied zwischen adeliger und bürgerlicher Herkunft nicht vermeiden.

Hierbei muß man jedoch sorgfältig zwischen altadeligen Familien und jenen, bei denen die Väter oder Großväter einen erblichen Adelstitel erworben haben, unterscheiden. Die Sprößlinge altadelige Familien besetzen oftmals Posten die mit repräsentativen Aufgaben verbunden sind, beispielsweise Generalkommissare oder auch Regierungspräsidenten. Diese Positionen bleiben mit beinahe 60% Anteil eine “Domäne des Adels”19.

Anders hingegen ist es im Bereich der Ministerien selbst, lediglich 16-17% der Beamten im Innenministerium seien von adeliger Herkunft, beziffert der Historiker Walter Schärl20 seine Ergebnisse, die Götschmann weitestgehend bestätigt21. Hier kann also – ganz im Gegensatz zum Militär dessen Offizierskader vom Adel noch weitestgehend dominiert wurden, kein besonderer Einfluß des Adels auf den ministeriellen Alltag gemessen werden. Daß sich dieser Einfluß noch verkleinerte zeigt sich daran, daß nach 1848 lediglich ein Ministerialreferent aus adeligen Kreisen eingestellt worden war.

Meine Damen und Herren,

Die Zahlen zeigen deutlich auf, daß es eine gut nachvollziehbare Entwicklung hin zum Berufsbeamtentum gab. Des weiteren zeigen sie, daß sich eine gesellschaftliche Schicht herausbildete, die nach oben und unten zwar durchlässig war, letztlich aber eine eigene, bürgerliche Kultur entwickelte, der auch der König Rechnung tragen mußte. Die sich entwickelnde und professionalisierende Berufsbeamtenschaft konterte manch ein König mit einer unglaublichen Akten- und Detailversessenheit seinerseits, ein Verhalten das gelegentlich auch bayerische Ministerpräsidenten auszeichnete. Die Unabhängigkeit des so entstandenen Berufsbeamtentums verwaltete selbstständig den Staat und wehrte sich mitunter auch vehement gegen als Willkür empfundene Eingriffe seitens des Monarchen.

Aber die soziale Herkunft war nicht das einzige Kriterium, nach welchem man die Beamtenschaft untersuchen sollte. Eingangs erwähnte ich, daß durch die Angliederung diverser neuer Reichsgebiete in der Napoleonischen und Postnapoleonischen Zeit eine Reihe von neuen Faktoren die Verwaltung behinderten.

Eines davon war die bereits untersuchte Entwicklung einer Behörde für die protestantische Amtskirche, welche zuvor praktisch keine Rolle in Bayern gespielt hatte und nun fast ein Viertel der Bevölkerung stellte. Ein nicht zu unterschätzender Faktor dürfte jedoch gewesen sein, daß die damit einhergehenden Bevölkerungteile, die teilweise eine eigene Sprache und Kultur mitbrachten, in das bayerische Staatswesen integriert werden mußten.

Politisch versuchte Ludwig I. dies durch Kunst-Ideologie, Maximilian II. über die Förderung der Volkskultur.22 Dies ging nicht ohne Reibungen, insbesondere mit dem protestantischen Oberkonsistorium ab.

Innerhalb des Innenministeriums hingegen bildete sich das Verhältnis der alten und der neuen Bayern zueinander relativ rasch ab, was nicht zuletzt der Einrichtung des protestantischen Oberkonsistoriums geschuldet sein dürfte. Dieser Einfluß dürfte sich anfangs besonders bezeichnend niedergeschlagen haben.

Betrachtet man die 71 Ministerialreferenten in der allgemeinen Abteilung des Ministeriums von 1825 und 1848, so sind davon 76% katholisch – und 24% prostestantisch.23 Auch zwischen 1848 und 1864 ergibt sich kein signifikant anderes Bild. Auffallend ist hingegen, daß die Referenten größtenteils aus Altbayern und Franken kamen, jeweils zu etwa 40%.24 Etwa 10% kamen aus Schwaben.

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Kommentare (7)

  1. #1 Crazee
    12. September 2014

    Zunächst einmal das Lob: Ich habe bisher noch nicht einmal geahnt, dass man sich über so ein Thema gedanken machen kann und auch sollte. Eine geschichtliche Veränderung der Gesellschaft/des Staates über die Veränderungen seiner Verwaltung zu bewerten ist sicherlich interessant. Von daher finde ich es prima, dass dieser Artikel hier das Publikum bekommt.

    Aber: Ich habe es leider nicht geschafft, den Artikel bis zum Ende durchzulesen. Für mich sind es vermutlich zu viele Fakten, die mich daran hindern, die Struktur der Veränderungen mitzubekommen. In diesem Rahmen vielleicht schwierig: Vielleicht wäre das Thema in zwei Happen ggf. mit irgendetwas graphischem für jemand themenfremden besser geeignet.

    Aber danke für den Denkanstoß.

  2. #2 Florian Freistetter
    12. September 2014

    Ich fand das Thema auch interessant; hätte aber ebenfalls einen kürzeren Text bevorzugt; am besten mit ein paar Bildern als Auflockerung. In der Form ist der Text dann doch ein wenig zu “akademisch” für den Laien

  3. #3 Crazee
    12. September 2014

    Selbst ein oder zwei Symbolfotos (z.B. vom aktuellen Ministerium) mit einer munteren Bildunterschrift würden schon helfen (macht Florian auch manchmal). Z. B. hier: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/08/warum-suchen-wissenschaftler-immer-nur-nach-ausserirdischem-leben-das-dem-auf-der-erde-aehnlich-ist/

  4. #4 Sven
    Berlin
    12. September 2014

    Hey super Text! Echt informativ und spannendes Thema. Die Länge waqr jetzt nicht das Problem, das bin ich gewöhnt. Natürlich schön, dass man anhand der Anmerkungen alles nachvollziehen kann und wenn man will auch den Schneeballeffekt der eigenen Nachforschungen aktivieren…

  5. #5 thomas
    12. September 2014

    Nette Aufarbeitung eines Themas über das ich mir auch noch nie Gedanken gemacht habe. Danke dafür!
    Als Blogartikel IMO ein wenig zu lang…

  6. #6 Dampier
    12. September 2014

    Hallo Last Knight Nik,

    ich muss zugeben, dass ich den Artikel zum Ende hin nur noch quergelesen habe. Ich finde man merkt, dass es ein Vortrag ist, der sich an einen Saal voller Fachleute richtet. (Ich kann fast den Hall im Saal hören, das Rascheln von Kleidung, leises Husten, knarzende Stühle …)

    Von einem Blogartikel würde ich eine direktere Ansprache an die Leser erwarten, hier hätte ich eine Zusammenfassung im Erzählton passender gefunden, die auch ein wenig die Persönlichkeit des Autors durchschimmern lässt und vielleicht dessen Begeisterung für das Thema vermittelt – eher so wie man vielleicht bei einem guten Abendessen im Freundeskreis über sein Fachthema sprechen würde.

    Das macht für mich einen guten Blogartikel aus, wenn ich die Begeisterung des Autors für sein Thema spüre. Deswegen lese ich Florians Artikel so gern und zB. auch Bettina Wurches Meertext, da lasse ich mich gern mitreißen. Das ist hier leider nicht der Fall.

    nix für ungut 😉

    Grüße
    Dampier

  7. #7 Lastknightnik
    16. September 2014

    Hi,

    verstehe ich gut. Ich hatte ihn damals mal online gestellt weil ich das Thema eben interessant fand – undwarum nicht auch mal einen historischen / wissenschaftlichen Vortrag so quasi veröffentlichen.

    Ihr habt aber Recht; Vielleicht bearbeite ich das mal irgendwann und setze es in Häppchen bzw. EInzelartikeln / -ergebnisse um.