Nach den ersten Versuchen mit 8, 10, 12 (korrekt), 14, 16, 18 (korrekt) und 1,3,5 (korrekt) hat die Versuchsperson die Regel formuliert, man müsste zur ersten Zahl jeweils 2 addieren – diese Regel, obwohl sie bei allen Versuchen korrekte Zahlenreihen erzeugt war aber nicht die richtige. Auch der zweite Versuch (gleiche Abstände) führte nicht zur richtigen Regel.
Tatsächlich ist es schon ausreichend, wenn die Zahlen aufsteigend aufgereiht sind.
Was man aus diesem Experiment lernt:
– Unser Hirn neigt dazu, nach Mustern zu suchen und diese auch zu finden.
– Dabei schießt es gern über das Ziel hinaus und findet Muster, wo keine sind.
– Nur selten versucht eine Versuchsperson, ihre Regel dadurch zu prüfen, dass es nach Gegenbeispielen zur Regel sucht. Dabei hätte das dazu geführt, aufzudecken, dass die Regel viel zu eng gefasst war. (Eine dementsprechend große Rolle spielt daher auch die Falsifizierbarkeit in der Naturwissenschaft, aber das ist dort – ich möchte sagen – antrainiert, unsere automatischen Reflexe gehen, wie oben gezeigt, in eine andere Richtung.)
Warum ist dieses Experiment für uns auch für unser tägliches Leben relevant?
Weil wir auch dazu neigen, im täglichen Leben Muster zu finden und an diesen festhalten, ohne sie jemals zu prüfen. Wenn wir an die letzte Fußballweltmeisterschaft zurückdenken, dann erinnern wir uns vielleicht
an den deutschen Fußballtrainer Joachim Löw und seinen blauen Glückspulli? Wer hat nicht schon davon gehört, dass bei Vollmond mehr Kinder zur Welt kommen? Wer glaubt, dass bei ihm die Ampel immer rot ist? Wem wurde noch kein Schnupfenmittel angeboten (Hühnersuppe, Zuckerkügelchen, …) mit dem Satz „Bei
mir hat es geholfen!“.
Gemeinsam ist dem, dass unser Hirn eine interne Strichliste führt, die jedes Mal und auch nur dann, wenn unser Muster bestätigt wird, eine zusätzlichen Strich erhält.
Ein Freund von mir hat dazu das Bild geprägt vom
Glauben an ein Phänomen gleicht einer Ratsche
– jedes passende Beispiel dient nur dazu den Glauben fester zu ziehen und
– Gegenbeispiele werden nicht mehr registriert.
Der wissenschaftliche Begriff dafür ist Bestätigungsfehler oder Confirmation Bias und besagt eben gerade, dass wir dazu neigen, nur die Informationen wahrzunehmen und zu berücksichtigen, die unsere vorgefasste Meinung stützen. Warum ist das ein Problem?
Stellen Sie sich bitte vor, sie wären ein Mediziner und kommen 1846 an eine Klinik, etwa Wien. Dort wird nach einem bestimmten Verfahren gearbeitet, für unser Beispiel Geburtshilfe. Wenn Sie rumfragen, ob
die Behandlung etwas taugt, heißt es:
„Ja, wir hatten dieses Jahr 4010 Fälle, in denen es geholfen hat.“
Wenn Sie sich an das obige Beispiel Bestätigungsfehler erinnern, dann erinnern Sie sich auch an die Gefahren, wenn man nur die Beispiele zählt, die zur eigenen Position passen. Deshalb werden Sie auch
nachfragen, in wie vielen Fällen die Mutter die Geburt nicht überlebt hat und wie die Zahlen z. B. für den zweiten Flügel der Wiener Klinik aussehen:
Wenn Sie jetzt alle vier Zahlen vergleichen, dann wird überdeutlich, dass 4010 mal „bei uns hat
es geholfen“, kein Zeichen für eine wirksame Behandlung, sondern für ein katastrophales Problem ist. Und probieren Sie es mal aus – wenn man nur eine der vier Zahlen aus obiger Statistik entfernt, dann können Sie keine klaren Aussagen mehr treffen – also immer aufgepasst, wenn man Ihnen Zahlen ohne Vergleichswerte präsentiert!
Dem Mediziner Semmelweis kam bei der Lösung des Problems, warum sterben soviel mehr Frauen in
der einen Abteilung als in der anderen, ein tragischer Zufall zu Hilfe. Ein Freund von ihm starb, nachdem er sich bei einer Autopsie einer Leiche mit dem Skalpell durch den Handschuh und in die Hand schnitt. Die daraus folgende Infektion entwickelte ähnliche Symptome wie Frauen mit Kindbettfieber. Damit erklärte sich auch der Unterschied zwischen den beiden Kliniken – in der einen arbeiteten Hebammen und in der anderen Medizinstudenten, die regelmäßig mit Leichen arbeiteten. Semmelweis führte darauf hin im Jahr 1847 die Maßnahme ein, dass vor den Behandlungen der Wöchnerinnen die Mediziner sich die Hände desinfizieren mussten und – belegte dann auch den Erfolg der neuen Maßnahme durch Statistik:
Kommentare (17)